Mittwoch, 26. September 2018

Zur Entwicklung der deutschen Rugby-Nationalteams

„Auf einem guten Weg nach Olympia 2020“
Gespräch mit Michael Schnellbach, Vizepräsident des Deutschen Rugby-Verbandes
Die deutschen Rugby-Nationalmannschaften haben 2018 außergewöhnliche Erfolge gefeiert. Die Männer belegten in der Europameisterschaft im klassischen Fünfzehnerrugby den dritten Rang und haben die Siebenerrugby-EM nach dem vierten und letzten Turnier in Lodz mit dem zweiten Rang im Gesamtklassement abgeschlossen. Nur Irland war besser. Die Fünfzehnerrugby-Frauen haben bei der EM in Brüssel Bronze gewonnen. Da ist es zu verschmerzen, dass die Siebenerrugby-Frauen nach nur einem Jahr aus der EM-Division 1 abgestiegen sind.
Michael Schnellbach ist nach der Strukturreform des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) vom Juli 2018 als Leistungssport-Vizepräsident für alle Nationalteams zuständig. Der 54-jährige Geschäftsführer der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim lebt in Edingen-Neckarhausen.
> Herr Schnellbach, zwei Mal Bronze und einmal Silber in der EM – ist Deutschland plötzlich eine Rugby-Topnation?
Wir sind auf einem guten Weg, den wir 2012 eingeschlagen haben und der uns zu den Olympischen Spielen 2020 in Japan führen soll. Die Ergebnisse 2018 sind die Früchte einer langfristig angelegten Aufbauarbeit, aber ein bisschen Glück gehört auch dazu.
> Das Siebenerrugby-Team ist das Aushängeschild Ihres Verbandes. Wie bewerten Sie diese Vize-Europameisterschaft?
Ich bin unheimlich glücklich darüber, weil es unserem Team mit Sportdirektor Manuel Wilhelm und den Trainern Vuyo Zangqa und Clemens von Grumbkow endlich gelungen ist, sich für gute Leistungen selbst zu belohnen. Wir haben bei drei der vier EM-Turniere das Endspiel bestritten und liegen im Gesamtklassement vier Punkte vor dem drittplatzierten Titelverteidiger Russland, sechs Punkte vor Vizeweltmeister und Olympiafinalist England, zwölf Punkte vor dem siebenfachen Europameister Portugal, 14 Punkte vor Frankreich, 30 Punkte vor Italien und 36 Punkte vor Ex-Weltmeister Wales und Olympia-Teilnehmer Spanien. Wir haben uns in einem Jahr um drei Ränge verbessert.
> Welches sind die nächsten Aufgaben Ihrer Himmelsstürmer?
Wir haben demnächst eine Sichtung mit 31 Spielern, von denen wir drei zu einer dreimonatigen Intensivausbildung an die Stellenbosch Academy nach Südafrika schicken. Das Team bestreitet Turniere im Oktober in Chester, im Dezember in Dubai, im Januar in Argentinien, Chile und Uruguay, im Februar in Durban, im März in Italien und im April in Hongkong, wo wir uns für die World Sevens Series qualifizieren möchten. Dann folgen vier EM-Turniere und die Olympia-Qualifikation.
> Der jahrelang beste deutsche Spieler Fabian Heimpel von der RG Heidelberg war in Lodz nicht mit dabei. Warum?
Die Trainer haben das so entschieden, um andere Spieler zu belohnen. Fabs ist weiter im Kader, aber die Konkurrenz ist größer und besser geworden. Als Beispiel möchte ich den 21-jährigen Tim Lichtenberg von der RGH nennen, der als neuer Kapitän sofort überzeugt und eine unglaublich gute Saison gespielt hat.

> Wie setzt sich Ihr Team zusammen?
Wir können inzwischen aus 45 guten Spielern auswählen und haben semiprofessionelle Strukturen. Elf Spieler sind Sportsoldaten, drei sind Landespolizisten in Niedersachsen. Die Stiftung Deutsche Sporthilfe unterstützt die Spieler gut. Wir haben aber auch ganz fleißige Studenten wie Fabian Heimpel und Carlos Soteras-Merz, die mitten im EM-Stress ihren Master gemacht haben und nun arbeiten werden.
> Dank der Betrügereien der Belgier, Rumänen und Spanier ist das Fünfzehnerrugby-Team auf EM-Platz drei geklettert und darf im November in Marseille um die erstmalige WM-Teilnahme spielen. Wie sind die Chancen?
Unser großer Trainerstab unter der Leitung des neuen Bundestrainers Mike Ford arbeitet daran, den besten Kader zusammenzustellen. Hongkong und Kenia haben wir früher schon geschlagen, Kanada oder wir werden zur WM nach Japan reisen. Das spielen wir im direkten Kräftemessen aus. Ich bin gespannt.
> Mike Ford ist im Weltrugby ein großer Name, er war mit England Vizeweltmeister 2007. Wie kamen Sie an diesen Toptrainer heran?
Mit Unterstützung von World Rugby und Dr. Hans-Peter Wild. Mike hatte Interesse und Zeit.
RNZ vom 15. September 2018

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