Samstag, 20. Oktober 2018

Über das VIII. Ballspielsymposium in Karlsruhe


Gewaltige Herausforderung für die Spielsportarten

Weil man die Zukunft gemeinsam besser meistern kann und die Sorgen ähnlich sind, haben sich die baden-württembergischen Verbände im Basketball, Fußball, Handball und Volleyball 2002 zum Verein Ballspielsymposium Karlsruhe zusammengeschlossen; später kam der Rugby-Verband dazu. Am 28. und 29. September 2018 trafen sich rund 250 Ballspielende aus elf Fachverbänden im Karlsruher Institut für Technologie (KIT), um beim VIII. Ballspielsymposium bei Hauptvorträgen, in einer Podiumsdiskussion und in 22 sportpraktischen und theoretischen Workshops zu untersuchen, ob die kühne These „Ballsport hat Zukunft!“ wirklich stimmt.

Nach zwei Tagen, von den Volleyballern Harald W. Schoch und Daniel Kraft federführend organisiert und von allen elf Verbänden partnerschaftlich unterstützt, fasste Heinz Janalik, der Ehrenpräsident des Badischen Sportbundes, die Ergebnisse der Tagung zusammen: „Die Zukunft des Ballsports und seiner Vereine ist gesichert, wenn die Toleranz des Establishments für Neues und für Veränderungen gegeben ist.“ Die Ballsportler seien – wie der von Professor Christoph Breuer von der Deutschen Sporthochschule Köln interpretierte Sportentwicklungsbericht für Deutschland beweist – auf die Herausforderungen besser eingestellt als die Individualisten, aber nicht frei von Sorgen. Janalik hielt als wesentlichen Punkt der seit 2002 in die deutsche Sportentwicklungspolitik einfließenden „Karlsruher Thesen“ fest: „Nur Vereine, die die Not jetzt erkennen, und bereit sind, sich zu wenden, wenn sie also den Notwendigkeiten gerecht werden, werden überleben.“

Die Herausforderungen: Durch die geburtenschwachen Jahrgänge gibt es weniger Kinder, um die die Vereine in über 50 baden-württembergischen Fachverbänden buhlen. Die Chance: Wer sich um den Nachwuchs bemüht und ihn pädagogisch und didaktisch wertvoll fördert, muss sich keine Sorgen machen.

Es sind immer weniger junge Menschen bereit, ehrenamtlich als Übungsleiter und Trainer zu wirken. Der staatliche Zuschuss von 2,50 Euro pro Stunde (maximal 500 Euro im Jahr) lockt kaum. Die Chance: Wer darin geschickt ist, junge Menschen zu motivieren und sie vom Wert ihrer Aufgabe zu überzeugen, wird das Problem lösen. Wer eine adäquate Belohnung anbieten kann, ist besser dran.

Die Aufgabe der Vereinsführung wird immer komplexer, von Bürokratieabbau kann leider keine Rede sein. Etliche Vorstandsposten sind in den Vereinen unbesetzt. Die Chance: Wem es gelingt, jüngere Menschen, insbesondere Frauen – die viel mehr können als sie selbst glauben! – und fitte Senioren anzusprechen und durch die klugen und vielfältigen Programme der Sportbünde zu qualifizieren, ist nicht allein im Vorstand und muss unter der Last der Verantwortung auch nicht ächzen.

Die Finanzierung der Vereinsarbeit ist nicht einfach. Oft decken die Beiträge der Mitglieder die Kosten der Sportausübung nicht. Die Chance: Wer ein vernünftiges Vereinskonzept vorweisen und beweisen kann, dass er nicht ins Blaue hinein plant und trainiert, wer Ziele formuliert und die Wege zum Erfolg beschreibt, ist bei der Suche nach Sponsoren und Zuschüssen sicher erfolgreich.

Die Ganztagesschule, die Unterricht bis 17 Uhr bietet und danach Hausaufgaben fordert, zieht Kinder und Jugendliche aus den Vereinen. Die Bereitschaft der Schulen, Übungsleiter der Vereine zur Unterstützung des drögen Sportunterrichts in die Schulen zu locken und adäquat zu entlohnen, ist flächendeckend nicht gegeben. Ausnahmen bestätigen die Regel. Die Chance: Das Ministerium ist offen für Verbesserungsvorschläge. 

Die Bundesregierung fördert Individualsportarten viel besser als den Teamsport, weil man dadurch mehr olympische Medaillen erreichen kann. Das besorgt vor allem die Spitzenverbände, wirkt sich aber auch auf die Nachwuchsarbeit im Lande aus. Die Chance: Keine, eine Lösung ist weithin nicht in Sicht.
     
 Heinz Janalik empfiehlt Netzwerkpflege: Der Verein allein ist schwach. Gemeinsam mit der Kommune, dem Verband, der Schule, der Wissenschaft und Sponsoren kann er bärenstark sein.


Über eSport in der Sportwelt von heute


Sie wollen doch nur spielen
Der Kampf tobt wild. Immerhin: Für den 1. Dezember 2018 wurde ein Waffenstillstand vereinbart. Wie lange er halten wird, ob ein Friedensschluss möglich ist, steht in den Sternen.
Sie erinnern sich, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein? Nach Wochen der Verhandlungen, der Annäherungen und Entfernungen, war „Jamaika“ im Bund mausetot. Nächtelang debattiert wurde über ein Politikziel der FDP, die deutschen Lande flächendeckend und gerecht zu digitalisieren, so dass nicht nur der Bürger in der Hauptstadt und die Bürgerlein in den 16 Landeshauptstädten rund um die Uhr eSport betreiben können, sondern wir alle – also auch Sportler in Heidelberg, in Sandhausen oder auf dem Waldhof. An diesem Diskussionspunkt – das wissen wir nun sicher – ist „Jamaika“ nicht gescheitert, denn ein paar Wochen später haben die Großkoalitionäre in seltener Einmütigkeit in ihren Koalitionsvertrag geschrieben, dass die Digitalisierung eines der wichtigsten Regierungsziele und eSport dem Sport, so wie ihn Turnvater Jahn verstand und Sportvater Hörmann gegenwärtig versteht, gleichzustellen sei.
Wir wissen nicht, ob die Frau Bundeskanzlerin, die eigentlich dafür berühmt ist, Probleme und deren Lösungen vom Ende, also vom Ergebnis, her zu durchdenken, in den Minuten, in denen über das Thema eSport gesprochen wurde, weggedämmert oder einfach nur mal schnell die Nase pudern war, denn sie, wenigstens sie!, hätte ahnen müssen, dass dieser eine kleine Satz im Koalitionsvertrag Unruhe in der ganzen Republik auslösen würde. Und Unruhe ist etwas, das die Frau Bundeskanzlerin noch weniger mag als Horst Seehofer und Andreas Scheuer. Letzteren aber hat sie zum Bundesminister für Digitalisierung ernannt.
Die Kernfrage lautet: Ist eSport Sport? Und: Muss dieses aus Amerika ins Land geschwappte neumodische Zeug von der Regierung – letztendlich von der Steuerzahlerin, dem Steuerzahler und dem Steuerzahlerlein – so gefördert werden wie der edle Fechtsport, das Turnen, Schwimmen und die Leichtathletik, die sich gerne „Kernsportarten“ nennen, um ganz tief in den Steuertopf greifen zu dürfen, wie die populäreren Ballspiele Basketball, Fußball, Handball und Volleyball oder die ähnlich schweißtreibenden Spiele Eishockey, Hockey und Beachball?
Die Regierung, oft mutig mit Postulaten und feige bei deren Umsetzung, weicht inzwischen aus. Auf eine Kleine Anfrage mehrerer FDP-Abgeordneter des Deutschen Bundestages (die Drucksachen 19/3768 und 19/4060 liegen der RNZ vor), die im August 2018 einfach mal wissen wollten, wie weit die Anerkennung des eSports als Sport in dieser Legislaturperiode gediehen ist, ist zwar ein gewisser guter Wille zu erkennen und das Begehren des eSport-Bundes Deutschland (ESBD) auf Gleichstellung mit dem Deutschen Turnerbund, dem Deutschen Basketball-Bund oder dem Deutschen Leichtathletik-Verband nicht rundweg abgelehnt worden, aber Entscheidungen wurden noch nicht getroffen.
Ist eSport Sport?
Das erzürnt den ESBD-Präsidenten Hans Jagnow, der sagt: „Die Antworten der Bundesregierung sind in der Gesamtbetrachtung aufschlussreich, aber von Indifferenz geprägt.“ Ob der Mann Diplomat ist?
Die Regierung, insbesondere der für den Sport zuständige Innenminister, haben den FDP-Fragestellern nämlich geantwortet, für die Anerkennung eines Sports – zum Beispiel in Fragen der Spitzensportförderung, der Gemeinnützigkeit und der steuerlichen Behandlung von Vereinen und Profisportlern – sei nicht die Regierung, sondern einzig und allein der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) zuständig, der für die Beleuchtung tausender Aspekte eine Kommission eingesetzt hat, die am 1. Dezember auf den Düsseldorfer Rheinterrassen bei der DOSB-Mitgliederversammlung Handlungsempfehlungen aussprechen soll. Und danach – Prost Mahlzeit! – sollen die Sportler gefälligst selbst entscheiden, ob sie eSportler in ihrem Dachverband haben wollen.
Die gegenwärtigen Debatten darüber, ob man eSport als Sport im klassischen Sinne mit Trainingsstunden, Übungsleitern, Aufwärmen, Schwitzen, Reingrätschen, Hipp-hipp-hurra und Siegesgesängen im Duschraum betrachten solle, zielen am Thema vorbei.
Möglicherweise kommt man, wenn man sechs Stunden vor der Spielkonsole sitzt und dabei zehntausend Finger- und Handbewegungen macht, auch mal ins Schwitzen. Ganz sicher ist man nach derartiger Tortur müde und durstig. Manche eSportler werden das Bedürfnis nach einer heißen Dusche haben, bevor sie zum Siegesbier greifen. Zweifellos wird sich unter denen, die im eSport-Team des SV Sandhausen oder des SV Waldhof am weltweiten Wettbewerb teilnehmen oder – im Gegensatz zu ihren im Auf- und Abstiegskampf auf dem Rasen herumhechelnden Vereinskameraden – um einen Europacup kämpfen dürfen, Teamgeist, Zusammenhalt und Kameradschaft entwickeln, und ganz sicher werden die Schiedsrichter beim elektronisch betriebenen Sport weniger heftig beschimpft, sofern man sie überhaupt benötigt.
Diese Überlegungen, lieber eSportler und liebe Sportlerin, sind müßig. eSport existiert, ist – sofern man nicht die blödsinnigen und im wahrsten Wortsinn unsportlichen Shooter Games betreibt – genauso Sport wie das lange schon anerkannte Schach und hat allein deshalb seine Berechtigung, weil es einer zunehmenden Anzahl von Menschen auch hierzulande Spaß macht.
In Wirklichkeit geht es gegenwärtig ums Geld. Muss dieser unser Staat Menschen, die Wettkämpfe nicht auf Sportplätzen, in Stadien und in Hallen austragen, sondern zu Hause und in Klubhäusern, indem sie auf ihren vier Buchstaben sitzen und Daumen und Zeigefinger bewegen, Steuergelder gewähren, um sie bei ihrem Tun zu unterstützen? Muss er ausländischen eSport-Profis dauerhaften Aufenthalt gewähren? Muss er Vereinen gestatten, steuermindernde Spenden zu sammeln? Muss es Förderprogramme für besonders talentierte eSportler geben? Alle diese Fragen kann man so oder so beantworten.
Stets bedenken muss man allerdings, dass es ein Gleichbehandlungsgebot im Grundgesetz gibt. Die Artikel 3 und 19 gelten für alle Bürger. Mein Papagei, der über den Dingen flattert, erkennt in den eSportlern übrigens keine Gefahr. Die meisten seien nicht militant, liebenswert und ganz gemütlich. Er sagt: „Sie wollen doch nur spielen.“
RNZ vom 6./7. Oktober 2018