Mittwoch, 22. Mai 2019

Über Artikel 9 des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland

Weil Sport im Verein am schönsten ist

Die Bildung von Vereinen – etwa zum Sporttreiben, zur Brauchtumspflege, zur Hühnerzucht, zur Förderung von Kunst oder Wissenschaft und zur Pflege spezieller Lebensweisen – ist ein in Artikel 9 des Grundgesetzes verbrieftes Recht deutscher Bürger. Die Rechte und Pflichten von Vereinen sind im Vereinsrecht festgelegt, und unter bestimmten Voraussetzungen sind Vereine steuerlich begünstigt. Vereine dürfen, das ist eine der wenigen Einschränkungen, die das Grundgesetz macht, nicht gegen das Strafrecht verstoßen.
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Vereine sind eine deutsche „Erfindung“, eine sehr alte obendrein. Im Sport – und darauf konzentriert sich dieser Beitrag, was die lieben Leserinnen, lieben Leser und lieben Leserlein aus der Züchterfamilie der Stallhasen verzeihen mögen – ist der Heidelberger Schützenverein von 1490 bekannt, der 529 Jahre nach seiner Gründung noch immer höchst lebendig ist und etliche deutsche Meister, Europa- und Weltmeister hervorgebracht hat. In lebhafter Erinnerung ist der Pistolenschütze und zweifache Olympia-Teilnehmer Erwin Glock (1925 - 1993). Der Sportlehrer an der Johannes-Kepler-Realschule in Neuenheim war bei den Olympischen Spielen 1976 in Montreal mit 51 Jahren der älteste Athlet der deutschen Mannschaft und wurde Sechster.

Mitte der 1850-er Jahre, als Studenten und einfache Bürger ein Revolutiönchen wagten, um demokratische Gedanken und Rechte durchzusetzen, schossen Sportvereine wie Pilze aus dem Boden, den die von Johann Friedrich Ludwig Christoph Jahn (1778 - 1852) begründete deutsche Turnbewegung bereitet hatte. Viele junge Männer – die Frauen wirkten damals am Herd und waren mit dem Kinderkriegen beschäftigt – wollten dem „Turnvater“ Jahn nacheifern. Der TSV Mannheim, der Heidenheimer SB, die TSG Backnang und der Heidelberger Turnverein sind 1846 entstandene Sportvereine, die heute noch überregional im Fechten, Fußball, Hockey, Rugby, Schwimmen und Volleyball aktiv und erfolgreich sind. Mancher Turnverein von 1846 hat sich zu einem Großverein mit mehreren tausend Mitgliedern entwickelt. Der SSV Ulm, 1846 von Leichtathleten und Turnern gegründet, ist gegenwärtig mit 9320 Mitgliedern der viertgrößte Sportverein in Baden-Württemberg und beschäftigt 550 ehrenamtliche Mitarbeiter in 20 Abteilungen.

Sportvereine sind gegenüber anderen Vereinigungen (Gesellschaften bürgerlichen Rechts, Gesellschaften mit beschränkter Haftung, Kommanditgesellschaften) privilegiert, sofern sie sich als „eingetragener Verein“ (e.V.) konstituiert haben, den Sport als Vereinszweck nennen, nur für diesen Zweck wirken und deshalb vom zuständigen Finanzamt als „gemeinnützig“ und/oder „mildtätig“ anerkannt worden sind. Dies haben die vier Frauen und 66 Männer im Parlamentarischen Rat, die am 8. Mai 1949 das Grundgesetz beschlossen haben, deshalb ermöglicht, weil sie der Überzeugung waren, dass sportliche Bewegung der Gesundheit der Bürgerinnen und Bürger mehr nützen könne als Arztbesuche und Pillen. Sie konnten damals nicht wissen, dass Ärzte und Pillen im Sport unserer Zeit eine oft ungute Rolle spielen und Athleten erst zu Betrügern und dann krank machen.

Die überwiegende Anzahl der knapp 90 000 im Deutschen Olympischen Sportbund organisierten Vereine wirken durch gemeinnütziges und ehrenamtliches Engagement durch die Begeisterung und den Einsatz unbezahlter oder gering honorierter Übungsleiter. Deren Leistungen werden, sofern sie eine Fachausbildung durchlaufen und eine Staatsprüfung bestanden haben, staatlich honoriert: Gegenwärtig mit 2,50 Euro für maximal 200 Übungsstunden pro Kalenderjahr. Kommunen wie die Stadt Heidelberg legen 500 Euro pro Übungsleiter dazu. Natürlich haben Großvereine und die größeren der Fachverbände – auch sie sind e.V. – auch hauptamtliche Mitarbeiter, doch dürfen sie nur dann Geschäftsführer, Sportliche Leiter oder Trainer einstellen und als Arbeitnehmer entlohnen, wenn das in der Vereinssatzung so erlaubt wird. Eingetragene Vereine dürfen durch ihren wirtschaftlichen Geschäftsbetrieb pro Jahr nicht mehr als 45 000 Euro brutto einnehmen, um ihre Umsatz- und Körperschaftssteuer-Freiheit nicht zu verlieren.

Vereine mit höheren Einnahmen, Profi-Spielbetrieb und mehreren hauptberuflichen Mitarbeitern sind also gut beraten, wenn sie aus ihren umsatzstarken Abteilungen eigenständige GmbHs bilden, die nicht mehr dem Vereinsrecht, sondern dem GmbH-Gesetz unterliegen und fiskalisch so behandelt werden müssen. Der Vorteil eines eingetragenen Vereins besteht freilich auch darin, Spenden von Mitgliedern und Gönnern in unbegrenzter Höhe entgegennehmen und dafür Zuwendungsbescheinigungen ausstellen zu dürfen, die sich für den Spender oder Mäzen beträchtlich steuermindernd auswirken. Vereinsvorstände müssen also ganz genau überlegen, welche Rechtsform für ihren Verein (und seine Abteilungen) die beste ist.

„Der gemeinnützige Sport ist eine wesentliche Säule der Gesellschaft in einer zunehmend globalisierten Welt. Die Sportvereine bieten den Menschen vor Ort Zugänge zu gesellschaftlicher Teilhabe und leisten immense Beiträge zu Bildung, Gesundheit, sozialer Integration und Inklusion in und durch Sport“, heißt es im Leitbild des DOSB, und Elvira Menzer-Haasis ergänzt: „Sport verbindet und begeistert Menschen. Unsere Sportvereine und Fachverbände leisten tagtäglich wertvolle Arbeit für die Gesellschaft und sind eine tragende Säule des lebendigen Miteinanders in den rund 1100 Kommunen in Baden-Württemberg.“ Die Präsidentin des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSV) sagt auch: „Das Ehrenamt ist Grundlage und Raum für Mitwirkung und Teilhabe. Die demokratischen Strukturen bieten jedem Mitglied die Möglichkeit, sich in Vereinsangelegenheiten einzubringen und mitzuentscheiden. Nur dort, wo Menschen sich beteiligen können, fühlen sie sich auch heimisch.“
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Der Sportverein als Demokratie-Schule? So haben die Mütter und Väter des Grundgesetzes es sich gewünscht, und ganz sicher haben viele der über 27 Millionen Menschen im DOSB verstanden, dass sie sich in ihrem Sportverein engagieren müssen, damit ihr Sportverein funktioniert und seine Ziele erreichen kann. Mitreden und mitentscheiden ist wichtig, aber es ist nicht ausreichend, um aus Kindern begeisterte Sportler, aus Talenten erfolgreiche Athleten, aus Kreismeistern Weltmeister und aus Jugendmeistern Olympia-Teilnehmer zu machen, die die verfassten Regeln des Sports und die ungeschriebenen Regeln des Fairplay kennen und achten. Nur wer sich und seine Schaffenskraft in den Dienst seines Vereins stellt, hilft mit, sein Bestehen und Blühen zu sichern.

„Sport ist im Verein am schönsten“, hieß vor 40 Jahren ein Slogan des damaligen Deutschen Sportbundes (DSB), was Gotthilf Fischer so begeisterte, dass er aus dem Wahlspruch ein Lied komponierte und es von seinen Chören singen ließ. Ob das heute noch gilt, muss jeder Sportler selbst bewerten. Auf jeden Fall ist Sport im Verein preiswerter als im Studio. In ländlichen Vereinen ist der Jahresbeitrag so hoch wie der Monatsbeitrag im Gym, dafür ist das Ambiente oft weniger stylisch.

Sportvereine sind ein wertvolles Instrument zur Integration von neu ins Land gekommenen Menschen und zur Inklusion von Benachteiligten. Manchen Sie mal einen Test, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein: Gehen Sie auf die Neckarwiese und werfen Sie den dort versammelten jungen Menschen unterschiedlichster Provenienz einen Ball zu. Sie werden feststellen, dass die nach einem kurzen Moment der Überraschung sofort anfangen, miteinander zu spielen. Im Verein dürfen sie nach dem Spiel sogar gemeinsam duschen, scherzen, erzählen, essen und trinken. Was kann es Schöneres geben?

Freitag, 17. Mai 2019

Über den Umgang von IAAF und CAS mit Caster Semenya

Hier endet der Spaß am Sport

Darf ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, Frau Caster Semenya vorstellen: Geboren vor 28 Jahren im südafrikanischen Pietersburg, Beruf: Läuferin und Sportwissenschaftlerin, 1,78 Meter groß und 73 Kilogramm schwer, verheiratet mit ihrer Partnerin Violet Raseboya, Bestzeit: 1:54,25 Minuten, 2012 in London und 2016 in Rio de Janeiro Olympiasiegerin über 800 Meter, dreimalige Weltmeisterin, Trainerin: Maria Mutola (Mosambik, 800-m-Olympiasiegerin 2000 in Sydney, Bestzeit: 1:55,19 Minuten).


Caster Semenya hat das Glück, eine der besten und faszinierendsten Sportlerinnen unserer Zeit zu sein, und sie hat das Pech, seit ihrem ersten internationalen Auftritt bei der Junioren-WM 2008 im polnischen Bromberg unter Dopingverdacht zu stehen. Denn Caster Semenya hat einen muskulöseren Körper und breitere Schultern als die meisten anderen Frauen, sie kann im Zorn finster blicken – und sie rennt allen davon, wenn die Startpistole abgefeuert wird.

Wir wissen nicht, ob sich Caster Semenya während ihrer elfjährigen erfolgreichen Laufbahn jemals gedopt hat. Mit den 150 bis 200 Urin- und Bluttests, die sie bisher über sich ergehen lassen musste, wurde sie nicht ein einziges Mal des Sportbetrugs überführt, und der ganz böse Verdacht, Frau Semenya sei eigentlich keine Frau, wurde von den neugierigen Männern im Leichtathletik-Verband ihres Heimatlandes ausgeräumt. Denen erging es wie Siegfried in der gleichnamigen Wagner-Oper, der in der dritten Szene des dritten Aufzugs erst den von Wotan und Loge gelegten Feuerring durchschreitet, ohne sich Brandblasen zu holen, mit seinem alles könnenden Schwert die eisernen Panzerringe um Brünnhildes Oberkörper durchschneidet, den Panzer abnimmt und dann – zur Erheiterung des Publikums – ausruft: „Das ist kein Mann!“

„Ob sie eine solche Untersuchung auch bei einer weißen Frau gewagt hätten?“, fragt sich mein Papagei und freute sich für Caster Semenya, als medizinische Tests zutage förderten, dass diese Frau offenbar von Geburt an mehr Testosteron in ihrer Blutbahn hat als die meisten anderen Frauen. Biologisch ist Caster Semenya eine Frau und ganz sicher kein Mann, aufgrund ihres Hormonhaushalts gilt sie als intersexueller Mensch, als besonders sportlicher Mensch des dritten Geschlechts, den wir in dieser Kolumne stets als „liebes Leserlein“ begrüßen, weil wir ihn als liebenswerte Laune der Natur gern haben und ehren. Ein solcher Mensch hat es schwer genug und nicht verdient, von Funktionären des Leichtathletik-Weltverbandes und Richtern des Internationalen Sportgerichtshofes (CAS) diskriminiert zu werden. Genau das aber ist wieder geschehen. Drei CAS-Richter haben entschieden, dass die sogenannte „neue Testosteron-Regel“ des Weltverbandes (IAAF) zulässig und ab dem 8. Mai strikt anzuwenden sei. Demnach müssen Sportlerinnen wie Caster Semenya ab sofort so viele weibliche Hormone schlucken, dass der Grenzwert von fünf Nanomol körpereigenes Testosteron pro Liter Blut nicht überschritten wird.

Dass IAAF-Präsident Lord Coe und das IOC die CAS-Entscheidung begrüßten, ist klar. „Das sind ja auch komische Vögel, aber nicht lustig“, sagt mein Papagei, der sich in der Fauna auskennt. Andere äußern Kritik. „Furchtbar unfair“ und „prinzipiell falsch“ nennt Martina Navratilova das Urteil, die übrigens angesichts ihrer sportlichen Dominanz von Zeitgenossen auch auf diskriminierende Weise beäugt worden war. Südafrikanische Zeitungen werfen dem CAS „Rassismus“ und „Verletzung der Menschenwürde“ vor, der Heidelberger Sportrechtler Dr. Michael Lehner empfiehlt die Überprüfung des Urteils durch ein staatliches Gericht oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg.

Die IAAF will gleiche Bedingungen für alle Athletinnen. Das ist gut und in den meisten Stadien gegeben: Die Bahn ist für alle Sprinter gleich lang, Kugel, Diskus und Speer sind für alle Stoßer und Werfer gleich schwer, die Latte müssen alle überspringen; unten durchhüpfen gilt nicht. Hier aber endet die Kompetenz von Sportfunktionären.

Wenn eine Frau eine Frau und nicht gedopt ist, muss sie ohne – gesundheitlich problematische – Zugaben von Hormonen ihren Sport ausüben dürfen. Dauerhafte Hormonbehandlung kann bei Frauen Brustkrebs und Herz-Kreislauf-Erkrankungen auslösen, Knochenbrüche bewirken und die Psyche verändern.

„Was noch?“, fragt sich mein Papagei. Müssen bald auch andere Disziplinen die natürlichen körperlichen Vorteile mancher Athleten durch medizinische Eingriffe ausgleichen? Usain Bolt war der beste Sprinter, weil er seine unglaublich langen Beine schneller bewegen konnte als die Konkurrenten. Droht ähnlich begabten Sprintern eine Unterschenkelamputation? Manche Center sind größer, andere kleiner. Soll Chancengleichheit unter dem Basketball-Korb durch hormonelle Verzwergung der Riesen erreicht werden? Im Gewichtheben beginnt das Superschwergewicht bei 109 Kilogramm. Müssen die schwereren Athleten nun zum Fettabsaugen? Und was macht man mit Fußballern, die mit zwei linken Füßen auf die Welt kommen? Da helfen keine Hormone.

Unsere Fallbeispiele mögen Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser und vor allem Ihnen, liebes Leserlein, zeigen, wie absurd das CAS-Urteil bei näherer Betrachtung ist. IAAF und IOC sind gut beraten, die ungeschriebenen Regeln des Anstands und der Moral zu beachten und Athletinnen und Athleten in allen Erdteilen so zu fördern, dass sie ihr Talent voll entfalten können. Dabei darf es keine Rolle spielen, ob eine Frau schmale oder breite Schultern hat. Wenn die schändliche Manipulation von Athletinnen und Athleten durch durchgeknallte Funktionäre nicht bald ein Ende hat, verlieren wir den Spaß am Sport.

Dienstag, 23. April 2019

Über den zurückgetretenen DFB-Präsidenten Reinhard Grindel


Milchkühe dürfen weiterbimmeln

Am letzten Mittwoch hat das bayerische Oberlandesgericht in München entschieden, dass ein paar Milchkühe in Holzkirchen weiterhin Glocken tragen und damit auch am frühen Morgen und späten Abend bimmeln dürfen. Diese Stärkung der Grundrechte von Kühen hat meinen Papagei sehr gefreut, der sich schon immer auch für das Schicksal von Vierbeinern interessiert.

Reinhard Grindel, der Leitstier des Deutschen Fußball-Bundes, hat ausgebimmelt, und auch das, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, findet mein Papagei gut. Der 57-jährige Niedersachse, dessen Wahl zum DFB-Präsidenten sich am heutigen Montag zum dritten Mal jährt und dem wir diese Laudatio widmen, hat es in seiner kurzen Amtszeit weit gebracht: Wenn man bei Google „Reinhard“ eintippt, erscheint als Erster der Liedermacher Reinhard Mey (der wie Grindel „Über den Wolken...“ schwebte), dann aber schon der Ikarus aus der DFB-Zentrale im Frankfurter Stadtwald. Der hat sich – auf den ersten Blick – bei seinem Steigflug in höchste nationale und internationale Fußballämter die Flügel an einer Schweizer Uhr verbrannt, die ihm ein ukrainischer Fußballfunktionär namens Grigori Surkis als Zeichen der Freundschaft, Küsschen rechts, Küsschen links, geschenkt haben soll. 6000 Euro, so Grindel, sei der schicke Armschmuck wert, doch der Hersteller Ulysse Narcisse stellte schnell klar, es seien 2017 schon 11 800 Euro gewesen, obwohl die Uhr einen Mangel hat: Sie zeigt den richtigen Zeitpunkt für einen Rücktritt nicht an.

Die falsche Wertangabe kann man Reinhard Grindel nicht zum Vorwurf machen, schließlich hat ein DFB-Präsident oft mit viel höheren Summen zu hantieren, die – neben den Bezügen von Fifa und Uefa – in die eigenen Taschen zu schaufeln sind. Mein Papagei fragt sich übrigens, warum Grindel bei seinen Besuchen in der Kurpfalz nicht den RNZ-Uhrenexperten Manfred Fritz zu Rate gezogen hat...

Wir wissen auch nicht, was Herr Surkis mit seinem Geschenk bezweckt hat. Vielleicht ist es ja wirklich so, dass ehemalige Bundestagsabgeordnete der CDU neuerdings mit ukrainischen Oligarchen befreundet sind. Wir ahnen aber, dass Grindel den Kampf der Fifa für Ethik, Transparenz und Good Governance nicht richtig ernst genommen hat. Nach dem Gesetz, darauf hat Baden-Württembergs Finanzministerin Edith Sitzmann (Grüne) erst kürzlich hingewiesen, dürfen Mitglieder von eingetragenen und gemeinnützigen Vereinen (solche sind der kleine SC Gaiberg wie der große DFB) nur aus besonderen Anlässen und in bescheidenem Maße beschenkt werden. Der Wert solcher Geschenke dürfe 60 Euro nicht überschreiten. Ob der Ministerin damals schwante, dass Herr Grindel von einer DFB-Tochter 78 000 Euro zusätzlich zu seiner Aufwandsentschädigung als Präsident, zu Sitzungsgeldern, Fahrtkostenersatz und Dienstlimousine eingestrichen hatte?

In den Klubhäusern wird schon lange vermutet, dass hohe Funktionäre ihr Ehrenamt falsch verstehen und weniger Leitstiere als Trüffelschweine sind. Im Vereinsrecht aber heißt es wörtlich: „Die Mitglieder dürfen keine Zuwendungen aus Mitteln des Vereins enthalten. Dies ist eine satzungsmäßige Voraussetzung der Gemeinnützigkeit. Nur Zuwendungen im Rahmen einer angemessenen Mitgliederpflege (zum Beispiel das Weihnachtsessen oder die Getränke bei der Jahreshauptversammlung) sind gemeinnützigkeitsrechtlich unschädlich.“

Vor diesem Hintergrund ist der DFB gut beraten, seine Rechtsform zu ändern. Der DFB ist eine Firma mit Millionenumsätzen und sollte in allen Aspekten als solche behandelt werden. Der nächste Leitstier muss eine GbR, eine GmbH oder eine AG führen und sollte, findet mein Papagei, „kein Hornochse sein.“ Dann kann er kassieren, so viel man ihm zubilligt.

Aus: RNZ vom 15. April 2019

Über Fußball-Übertragungen im Fernsehen


 Die Begeisterung der Reporter

Es ist ein bisschen rührend und auf jeden Fall sympathisch, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, dass unser zum EM-Qualifikationsspiel zwischen den Niederlanden und Deutschland entsandter Kollege nach dem 3:2-Erfolg unserer „Löwlinge“ so entzückt war, dass er, obwohl ganz aufgewühlt, brav zu Bett gegangen ist, um anderntags durch die Stadt zu „flanieren“ und sich – sicher zur Verwunderung seiner Ehefrau – in Amsterdam zu verlieben. Dienstreise ja, auch über mehrere Tage, aber das?

Die neue Liebe des Kollegen ist ein Beweis dafür, dass manche Sportreporter nicht stupide ihre Arbeit tun und ihren Artikel pünktlich kurz vor Andruck in die Redaktion senden, sondern dass sie den Sport lieben, mit den Athleten fiebern und über günstige, unerwartet erzielte Resultate glücklich sein können. In solchen Nächten beginnt eine Stadt zu leuchten, obwohl es stockdunkel ist. Die großen Radioreporter haben ihre Begeisterung auch offen gezeigt und ihre Freude hell heraus geschrien. Als Helmut Rahn 1954 im Berner Wankdorf-Stadion das 3:2-Siegtor im WM-Endspiel gegen Ungarn geschossen hatte, rief Herbert Zimmermann drei Mal hintereinander „Tooooor!“ mit fünf „o“, um seiner Begeisterung Ausdruck zu verleihen. Zimmermann wäre inzwischen 101 Jahre alt, doch seinen Torjubel haben auch Fußballfans im Ohr, die bei der Heldentat der Fritz und Ottmar Walter, Helmut Rahn, Horst Eckel oder Toni Turek noch gar nicht geboren waren.

Edi Finger aus Klagenfurt ist auch so ein unvergessener Jubler. Als Hans Krankl 1978 beim WM-Spiel zwischen Deutschland und Österreich im argentinischen Córdoba das Siegtor zum 3:2 für die Alpenländler erzielte, rief Finger sogar sechs Mal „Tor!“ mit je drei Mal „o“ und fügte dann das Versprechen an: „I wer narrisch!“ Auch mein Papagei, der viel herumkommt, kann nicht sagen, in welchem Geisteszustand Edi Finger 1989 bei seinem Dahinscheiden gewesen ist. Wahrscheinlich ist, dass er bis zum letzten Atemzug von Krankls Tor beseelt war – vielleicht hatte er sich sogar in Córdoba verliebt?

Heutzutage, es ist eine lästige Erscheinung unserer Zeit, reden Reporter im Fernsehen so viel wie Radio-Journalisten. „Sie müssen für die Übertragungsrechte so viel bezahlen, dass sie die hohen Summen mit besonders vielen Worten, Analysen und Anmerkungen rechtfertigen wollen“, vermutet mein Papagei, der in der Johan Cruijff Arena auf einem warmen Plätzchen unter den Flutlichtstrahlern gesessen und schmunzelnd zugesehen hatte, wie die Reporter von RTL und France 2 und BBC und ORF und vielen weiteren Fernsehanstalten aus aller Welt jeden einzelnen Pass bewerteten, den Stammbaum eines jeden Spielers und dessen Schoßhundes vorlasen und – ganz wichtig! – alle 15 Minuten summarisch berichteten, was sich in den Köpfen der Trainer Ronald Koeman und Joachim Löw abspielte. Nach 45 Minuten glühten unsere Ohren, und wir schlossen die Augen, weil wirklich jeder Quer- und Rückpass der Holländer und jedes Dribbling der forschen Deutschen detailliert reportiert wurden.

Nach 15 Minuten – Leroy Sané hatte soeben etwas vollbracht, was im deutschen Fußball ein bisschen in Vergessenheit geraten war, und das 1:0 erzielt – fiel nach einem tiefen Schnaufer des Reporters erstmals das Wort „Wende“. Nach 34 Minuten und Serge Gnabrys 2:0 gruben die Männer am Mikrofon das verschollen geglaubte Wort „Weltklasse“ aus ihrem Reisekoffer aus, um in der Halbzeitpause im Expertengespräch die ersten Hoffnungen auf den EM-Titelgewinn im nahen Jahr 2020 zu wecken.

Ab der 48. Minute verstummte das Freudengeheul abrupt, denn Matthijs de Ligt hatte das 1:2 geschossen. Und als Memphis Depay nach 63 Minuten der Ausgleich gelungen war, wurden – mein Papagei überspitzt jetzt ein bisschen – „ernste Zweifel daran laut, dass die Löwlinge das Seuchenjahr 2018 jemals würden überwinden können“. Der Neuaufbau werde lange dauern, vielleicht jahrelang. Ob er mit diesem Trainer möglich sei, wurde von Minute zu Minute ungewisser, und die Holländer, die immer schon Weltklasse waren, dies aber nicht zeigen wollten – weshalb sie bei den letzten großen Turnieren gerne gefehlt hatten – wurden zu künftigen Europa- und Weltmeistern erklärt.
Dann schoss Nico Schulz in der 90. Minute das 3:2, ein bisschen wie Helmut Rahn 1954 oder Hans Krankl 1978 – und plötzlich waren unsere Reporter wieder fröhlich und sich so sicher wie nie zuvor, dass Fußball-Deutschland den besten Nachwuchs aller Zeiten hat. Man müsse ihn halt nur spielen lassen...

Unser Kollege war etwas weniger emotional, sondern hat seine Beobachtungen mit flinken Fingern in die Tasten gehackt. Erst dann hat er sich gefreut, ein Soda getrunken, ist spazieren gegangen und hat sich verliebt. In Amsterdam – die Ehefrau muss sich keine Sorgen machen.

Aus: RNZ vom 30. März 2019


Donnerstag, 31. Januar 2019

Vor dem Sechs-Nationen-Turnier im Rugby

Irland ist Titelverteidiger und Favorit

Am 1. Februar2019 um 21 Uhr beginnt das 20. Sechs-Nationen-Turnier der führenden europäischen Rugbyteams, in dem Irland seinen im Vorjahr zum vierten Mal gewonnenen Titel verteidigen möchte. Das Team von Kapitän Rory Best, erneut gecoacht von dem Neuseeländer Joe Schmidt, hat gute Chancen auf den vierten Gesamtsieg, denn die ewigen Konkurrenten England und Frankreich müssen in dieser Saison im Aviva-Stadion von Dublin antreten.
Irland, das 2018 alle fünf Spiele und damit den Grand Slam gewonnen hatte, spielt am Samstag um 18.45 Uhr gegen England, steht in der Weltrangliste auf Platz zwei (91,17 Punkte) hinter Weltmeister Neuseeland (92,54) und möchte im Sechs-Nationen-Turnier den guten Eindruck bestätigen, den die starken Männer von der – im Rugby vereinigten – Grünen Insel im letzten Jahr, unter anderem mit einem 16:9-Sieg über die All Blacks in Dublin, hinterlassen hatten. England ist Vierter im Weltranking. Klar ist, dass der Sieger des Sechs-Nationen-Turniers Mitfavorit auf den Weltmeistertitel sein wird, der vom 20. September bis zum 2. November 2019 mit 20 Nationen in Japan ausgespielt wird. Deutschland ist nicht dabei, da das Team des englischen Trainers Mike Ford nach den vier Qualifikationsrunden 2018 den 21. Platz belegt hatte.

Heute Abend stehen die Franzosen, von Trainer Jacques Brunel wieder einmal neu formiert, im ausverkauften Stade de France an der nördlichen Peripherie von Paris gegen Wales stark unter Druck. Im Vorjahr nach nur zwei Siegen Vierter, sind die Franzosen in der Weltrangliste auf den neunten Platz abgerutscht, nachdem es am 24. November sogar eine 14:21-Heimniederlage gegen Fidschi gegeben hatte. Wales hingegen geht als Vorjahreszweiter ins Turnier, hat einen bärenstarken Sturm und eine pfeilschnelle Dreiviertelreihe. Trainer Warren Gatland, auch ein Neuseeländer, der zu Hause keine Karriere machen konnte und erfolgreich in einer Home Union des Rugbyspiels arbeitet, sieht sein Team so stark, dass die Superkicker Leigh Halfpenny nicht im Kader und Dan Biggar nur auf der Ersatzbank sind. Wales ist Dritter der Weltrangliste (87,24 Punkte).

Am Samstag um 16.15 Uhr ist der Vorjahresdritte Schottland, die Nummer sieben der Weltrangliste (81,84 Punkte), auf seinem Murrayfield in Edinburgh Favorit gegen den sieglosen Vorjahresletzten Italien, das im World Rugby-Ranking auf Platz 15 (72,75 Punkte) zu finden ist.

Die deutsche Nationalmannschaft ist vom Spielniveau der Six Nations zwar noch ein wenig entfernt, bereitet sich aber seit zwei Wochen in Heidelberg intensiv auf die fünf Spiele der Europameisterschaft vor. Am 2. März um 15 Uhr wird das Match gegen Russland, den EM-Zweiten von 2018 und WM-Teilnehmer 2019, im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark stattfinden. Eintrittskarten im Vorverkauf gibt es unter www.adticket.de. Am Montag um 14 Uhr bekommt die deutsche Fünfzehn in ihrem Heimstadion Besuch von „Bill“, dem Rugby-Weltcup. Die goldene Trophäe wird auch von den Talenten der Heidelberger Vereine willkommen geheißen.

Das Sechs-Nationen-Turnier 2019
1. Spieltag, heute, 21 Uhr: Frankreich - Wales (Stade de France, St. Denis);Samstag, 16.15 Uhr: Schottland - Italien (Murrayfield, Edinburgh); 18.45 Uhr:Irland - England (Aviva Stadium, Dublin).
2. Spieltag, Samstag, 9. Februar, 16.15 Uhr: Schottland - Irland; 17.45 Uhr:Italien - Wales (Olympiastadion, Rom); Sonntag, 10. Februar, 17 Uhr: England - Frankreich (Home of Rugby, Twickenham).
3. Spieltag, Samstag, 23. Februar, 15.15 Uhr: Frankreich - Schottland; 18.45 Uhr: Wales - England (Principality Stadium, Cardiff); Sonntag, 16 Uhr: Italien - Irland.
4. Spieltag, Samstag, 9. März, 16.15 Uhr: Schottland - Wales; 18.45 Uhr:England - Italien; Sonntag, 10. März, 17 Uhr: Irland - Frankreich.
5. Spieltag, Samstag, 16. März, 13.30 Uhr: Italien - Frankreich; 16.45 Uhr:Wales - Irland; 19 Uhr: England - Schottland. - Alle Spiele live bei France 2, BBC und ITV.

Mittwoch, 30. Januar 2019

Zur Handball-Weltmeisterschaft 2019 in Deutschland

Handball ist anders

Obwohl es gegenwärtig ziemlich kalt ist, was der Winter in der guten alten Zeit übrigens häufiger war, habe ich meinen Papagei um einen Rundflug nach Berlin, Köln und Hamburg gebeten, um von oben herab, quasi mit unverstelltem Blick, zu überprüfen, ob es bei der Handball-Weltmeisterschaft wirklich so mitreißend zugeht, wie es die fröhlichen Reporter von ARD und ZDF immer behaupten und Tillmann, unser Mann vor Ort, hartnäckig bestätigt. Mein Papagei, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, hat also sein Wintergefieder aufgeplustert, ist hurtig losgeflogen und gibt folgenden Lagebericht:

Es seien vor und in den Hallen mehr Zuschauer als Polizisten, was erstaunlich sei, weil wir vom Fußball und insbesondere von den sogenannten Hochrisikospielen ganz anderes gewohnt sind. Wenn beispielsweise der Karlsruher SC gegen die Sportfreunde vom 1. FC Kaiserslautern spielt, sind 22 Spieler und ein Schiedsrichter auf dem Platz, rund 25 000 mehr oder weniger normale Menschen als Zuschauer auf den Rängen und zwei Tausendschaften Ordnungshüter im und vor dem Stadion, die den Verkehr regeln, stundenlang in die Fan-Blocks starren und nach dem Spiel eine ganze Nacht lang mit den „Ultras“ beider Klubs Fangen im Wildpark spielen. Beim Handball sind pro Spiel kaum hundert Beamte engagiert. Sie müssen auch nicht rennen und jagen, sondern stehen aufmerksam herum und gucken ab und zu mal in einen Rucksack. An den Eingängen werden die Zuschauer von Ordnern abgetastet, Männer seltsamer Weise gründlicher als Frauen, obwohl Adam schon im Paradies erfahren musste, dass vom Weibe gar manche Gefahr ausgeht.

Die Zuschauer der Handball-WM seien völlig harmlos, berichtete mein Papagei aus der deutschen Hauptstadt, wo zwar insgesamt viele Fahrzeuge mit Blaulicht unterwegs seien, in denen aber keine Handballer, sondern meistens Politiker führen, die eilig auf dem Weg zum Feierabend-Cocktail in der saudischen Botschaft sind. Dort könne man jeden Abend ein paar Waffen verscherbeln.

In der Mercedes-Benz-Arena aber wird nicht einmal Pyrotechnik gezündet – wohl weil das Handball-Publikum weiß, dass man mit Bengalischen Feuern und bunten Leuchtraketen Mitmenschen gefährdet und keine Spiele gewinnen kann. Diese unbestreitbaren Tatsachen haben sich unter Fußball-Fans noch nicht ganz herumgesprochen.

Zur Freude meines Papageis waren weder in Berlin noch in Köln Spruchbänder zu entdecken, auf denen Dietmar Hopp im Fadenkreuz abgebildet ist. Das ist insofern erstaunlich, dass die Domstadt ja nicht so sehr weit von Dortmund entfernt ist. Außerdem strebt der Kölsche Karneval seinen tollsten Tagen entgegen, an denen auch an und für sich vernünftige Menschen allerlei Unfug umtreibt. Aber nein: Hopp steht nicht im Fadenkreuz der Handball-Anhänger, vielleicht auch deshalb, weil seine Familie so viele löwenhafte Nationalspieler alimentiert, die sich in die Herzen der schwarz-rot-goldenen Fans gekämpft haben.

Am meisten hat meinen Papagei der Gesang der deutschen Spieler beeindruckt, die mit den 19 250 Fans in der Lanxess Arena einen riesigen Chor gebildet und die dritte Strophe von Hoffmann von Fallerslebens „Lied der Deutschen“ so inbrünstig in die TV-Mikrofone gesungen haben, dass man zu Hause auf der Couch ahnen konnte, welche stärkende und vom Lampenfieber befreiende Wirkung es für Leistungssportler hat, gemeinsam die Nationalhymne zu schmettern. „Das hat nichts mit Nationalismus zu tun, das ist einfach nur schön“, findet mein Papagei, der einen gewissen Heiner Brand auf der Tribüne beobachtet hat und sah, wie dem letzten Weltmeistertrainer vor Ergriffenheit der Schnorres wackelte.

Aufgespießt in der RNZ vom 26. Januar 2019