Mittwoch, 17. August 2016

Über Gerichtsprozesse im deutschen Sport

Boris darf an die frische Luft
Im Sport ist 2013 viel passiert, obwohl dabei kein Sport getrieben wurde. Beschäftigt haben uns vier Prozesse. Spieler forderten vom SV Sandhausen vergeblich eine Nichtabstiegsprämie, obwohl sie nach einer Horrorsaison krachend in der 3. Liga aufgeschlagen wären, hätte der MSV Duisburg nicht die Lizenz verloren. 1899 Hoffenheim hatte Spieler langfristig verpflichtet und fürstlich entlohnt, ehe man entdeckte, dass sie nicht ins Spielkonzept passen. Statt sie in der zweiten Mannschaft einzusetzen, wie das normale Vereine tun, wurde eine „Trainingsgruppe 2“ gebildet, was den Arbeitsrichter Lothar Jordan die Stirn runzeln ließ. Mit dem Recht des Schiedsrichters auf einen Irrtum bei Tatsachenentscheidungen begründete das DFB-Sportgericht sein Urteil im Verfahren um das Hoffenheimer „Phantomtor“. Dort hatte ein Leverkusener den Ball neben das Tor und durch ein Loch im Netz geköpft. Der Treffer zählte, weil es – laut DFB – für Schiedsrichter ein Grundrecht auf Blindheit gibt. Wer dopt, entschied ein Stuttgarter Gericht im „Fall“ des Radprofis Stefan Schumacher, betrügt alle möglichen Leute: Seine Konkurrenten, Fans und Sponsoren, nicht aber seinen Arbeitgeber. Der Chef eines Radstalls hätte wissen müssen, dass der Athlet betrügt, denn – so das Gericht und mein Papagei im Einklang – „im Profiradsport tun das alle.“
Freude in fast ganz TBB
2013 hat der gesamte deutsche Sport seine Unschuld verloren, denn mit der Studie der Berliner Wissenschaftler über Doping-Praktiken in Westdeutschland bis 1990 ist klar, dass nicht nur bei den bösen „Ossis“, sondern auch bei den verlogenen „Wessis“ systemisch und mit finanzieller Förderung durch staatliche Stellen gedopt wurde. Der Deutsche Olympische Sportbund (DOSB) setzte flugs eine Kommission ein, die prüft, ob die Forscher richtig geforscht haben. Dieser Kommission gehören auch die Präsidenten der Verbände Leichtathletik, Schwimmen und – ja, richtig! – Radsport an. „Dient der DOSB wirklich der Förderung des Sports oder eher der Veräppelung seiner 27 Millionen Mitglieder?“, fragt mein Papagei. Die GroKo hat im Koalitionsvertrag zwar hehre Aussagen zum Dopingkampf getroffen, aber noch keine Forscher beauftragt, die gesamtdeutsche Dopingpraxis von 1990 bis 2013 aufzuarbeiten. Die aber interessiert uns Steuerzahler brennend, wir wollen namentlich wissen, welche Minister, Beamten und DOSB-Funktionäre Dopingforschung mit Staatsmitteln angeordnet haben und wer davon wissen muss.
Gedopt haben 2013 Sprinter in Jamaika und in den USA, Athleten im nahen, mittleren und fernen Osten und in der Kurpfalz. Das ist so unappetitlich wie Franz Beckenbauers Statement zur menschenverachtenden Bauweise der WM-Stadien in Katar, die Todesopfer gefordert hat. Der „Kaiser“ hatte im Wüstenstaat „keine Sklaven in Ketten“ entdecken können, wurde für seine mutige Forderung „Ringen muss olympisch bleiben!“ allerdings zum Ehrenmitglied des Deutschen Ringerbundes ernannt.
In den letzten Wochen des Jahres wendete sich das Blatt. Es kam Freude auf. Ganz Tauberbischofsheim tanzte auf den Tischen, als der gewiefte Advokat Thomas Bach zum „Herrn der Ringe“ gekürt wurde. Nur die Kassiererin an der Tankstelle in TBB fragte an diesem Freudentag: „IOC? Was is’n des? Bach? Den kenn’ i net!“ Die Dame soll auf Lebenszeit, obwohl sie gar nicht lesbisch ist, für Olympia gesperrt worden sein.
Schließlich erhob sich Boris Becker nach „Wetten, dass...?“ von der Couch und kehrte als Head Coach von Novak Djokovic zum Tennis zurück. Dazu passt das „Foto des Jahres“, das den Helden von einst bei einer Spielshow zeigt – die frische Luft wird Boris gut tun.
 
(Linksaußen am 23. Dezember 2013)