Donnerstag, 21. Mai 2020

Jüngster Nationalspieler aller Zeiten

Über Harald Rupps erstes Basketball-Länderspiel vor 50 Jahren

Heute jährt sich zum 50. Mal jener Abend, an dem in der Hagener Ischelandhalle ein kleines Basketball- Wunder geschehen ist.

Die deutsche Nationalmannschaft bereitete sich auf die Europameisterschaft im September 1971 in Essen vor und bekam vom Verband einen Lehrgang mit zwei Länderspiele in Italien spendiert. In Gorizia gab es eine 65:82-Niederlage, in Monfalcone ein 59:80 und ein paar Verletzte. Da am Montagabend in Hagen mit Olympiasieger USA eine weitere Bewährungsprobe wartete, fand es Bundestrainer Dr. Miloslav Kriz vernünftig, seine Mannschaft um Kapitän Helmut Uhlig (VfL Osnabrück), mit den ellenlangen Norbert Thimm (Bayer Leverkusen), Jörg Krüger (Bayern München) und Dietrich Keller (USC Mainz), kurzfristig aufzufüllen.

„Kommst Du nach Hagen, spielst Du USA“, erfuhr Harald Rupp bei einem sonntäglichen Telefonanruf. Der Playmaker, der im April 1969 mit erst 16 Jahren mitgeholfen hatte, die erste deutsche Meisterschaft nach Osnabrück zu holen und der von seinem Vereinsjugendtrainer Helmut Uhlig „alles gelernt“ hatte, sagt heute über den durch Erfolge bei Sparta und ATK Prag bekannt gewordenen Juristen Dr. Miloslav Kriz: „Er hat mich unheimlich gefördert und meine Entwicklung sehr beschleunigt“. Denn am Abend des 4. Mai 1970 wurde Harald Rupp mit 17 Jahren der jüngste Debütant aller Zeiten in der deutschen Basketball-Nationalmannschaft; erst am 2. September war er 18.

Dem Ruf seines Förderers zu folgen, war allerdings nicht einfach. Denn montags war Schule, und „Ruppi“, wie ihn der Junioren-Bundestrainer Yakovos Bilek seit einem Lehrgang der U 18-Nationalmannschaft im südfranzösischen Toulouse getauft hatte, musste erst beim Rektor des Gymnasiums „Carolinum“ vorsprechen und um Schulbefreiung nach der dritten Stunde bitten. Da Harald Rupp ein guter Schüler mit den Lieblingsfächern Deutsch und Gemeinschaftskunde war, wurden ihm die Freistunden auf unbürokratische Weise gewährt. Er setzte sich in den Zug nach Hagen, aufgeregt und voller Vorfreude. Die Eltern Margret und Manfred Rupp machten sich mit dem Auto auf den Weg ins Südwestfälische und nahmen ein junges Mädchen namens Mechthild mit, das Harry seit der deutschen Meisterschaft dufte fand, heute mit ihm als Ehefrau in Heidelberg-Kirchheim lebt und sonntags gerne mit ihm joggen geht, damit er – als ehemaliger Leistungssportler und Rechtsanwalt, der viel sitzen muss – in Form bleibt und nicht zu füllig wird.

Kaum waren die Rupps im „Hexenkessel Ischelandhalle“ versammelt, begannen die Amerikaner zu zaubern, die auf der Durchreise zur Weltmeisterschaft in Jugoslawien waren und ihr bestes Team um den Superstar Bill Walton aufs Parkett schickten. Die Deutschen warfen, im Rahmen ihrer Möglichkeit und noch ein bisschen erschöpft von der Italien-Reise, alles in die Waagschale, doch schon nach fünf Minuten stand es 10:23 und am Ende 64:113. Wichtig für Harry Rupp war, dass er gegen die US-Amerikaner, die Besten der Welt, tatsächlich ein paar Minuten mitspielen durfte, dass er nach dem Spiel gemeinsam mit den Eltern und „Mecki“ nach Hause fahren durfte und dass in der offiziellen Spielstatistik zu lesen war: Rupp, 1,79 Meter, zwei Punkte; Keller, 2,08 Meter, ein Punkt.

Diese beiden Nationalspieler wurden Freunde und haben zu gemeinsamen Zeiten ab 1973 in Heidelberg schöne Erfolge gefeiert: Die deutsche Meisterschaft 1977 und die Pokalsiege 1977 und 1978.
Natürlich fanden die Leistungen des blutjungen Harry Rupp großen Widerhalle. Dem „Sonny-Boy des DBB“ widmete die Neue Osnabrücker Zeitung einen „Eigenbericht“, und da der Spielmacher auch in vielen weiteren seiner 57 Länderspiele klug Regie führte, konnte er sich, da der angestrebte Jura-Studienplatz in Münster nicht ganz sicher war, seine Universität aussuchen. München, Gießen, Leverkusen waren Spitzenklubs, die (ganz ohne Geld) um ihn warben. Das Rennen machte der USC Heidelberg, mit damals schon acht deutschen Meistertitel eine der ersten Adressen im deutschen Basketball.

Außerdem gab es in Heidelberg das nagelneue Bundesleistungszentrum mit einer konkurrenzfähigen großen Halle und dessen Leiter Hans Leciejewski. Harry Rupp bekennt: „Ich bin auch wegen Lambi nach Heidelberg gekommen, denn er hat mir eine Wohnung im Pfaffengrund besorgt. Erst ein Jahr später bin ich an den Uniplatz gezogen. Dann war das Leben perfekt.“ Heute fiebert er mit den MLP Academics und kümmert sich „im Hintergrund“ um das Team: Lizenzen und Verträge sind sein Metier, in das Sportliche mischt er sich nicht ein.

Claus-Peter Bach am 4. Mai 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Bildtext:

Harry Rupp bestritt 1970 sein erstes Länderspiel – in Hagen gegen die USA. Foto: vaf



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Samstag, 9. Mai 2020

Ein traumhaftes Rugby-Derby

Über das Spiel SC Neuenheim gegen TSV Handschuhsheim während der Coronavirus-Pandemie

Im Spielplan der Rugby-Bundesliga Süd/West steht: 9. Mai 2020, 14. und letzter Spieltag, SC Neuenheim gegen TSV Handschuhsheim. Da die Saison wegen des umtriebigen Coronavirus seit Anfang März ruht, sind die Anhänger des deutschen Vizemeisters TSV und den Aufsteigers und Tabellenvierten SCN heute ausnahmsweise nicht von Nervenzusammenbrüchen bedroht. Das Derby im Heidelberger Norden, dem Denis Frank in seinem Buch „111 Gründe, Rugby zu lieben“ (Verlag Schwarzkopf & Schwarzkopf) das ganze 46. Kapitel gewidmet hat, fällt aus.

Keine langen Warteschlangen also vor dem Eingang zum „Museumsplatz“ an der Tiergartenstraße, keine akribische Vorbereitung der Spieler, kein Tüfteln an der Taktik durch die Trainer Mark Kuhlmann und Christopher Weselek beim TSV oder Alexander Widiker und Clemens von Grumbkow beim SCN – die Vier waren Kameraden in der Nationalmannschaft und verstehen sich eigentlich ganz gut. Die Krise gab dem Reporter die Gelegenheit, mal vor der „heute-show“ zu Bett zu gehen, noch ein bisschen zu lesen und entspannt zu entschlummern. Es wurde eine heiße Nacht.

Denn kaum war der erste tiefe Schnaufer getan, laufen die beiden Teams, begleitet von den Kindern aus der U8 und U10, auf das Spielfeld, und rechts und links der Arena drängeln sich die 1200 Zuschauer, die bei Rugbyspielen in Heidelberg nur dann kommen, wenn „Neiene“ gegen „Hendesse“ spielt, wenn zwei Vereine gegeneinander antreten, deren Fans hübsche Kosenamen für die Gegner haben. Da machen sich die „Angler“ zum Spiel gegen die „Erdbeerpflücker“ bereit, und bevor der Schiedsrichter den Fight freigibt, rufen die „Königsblauen“ hurtig noch „Nur Neuenheim!“ und die Weißen mit dem blauen Brustring des Ritters Hans von Handschuhsheim beschwören ihr Wappentier: „Löwen, Löwen...!“

Seit ein paar Leichtathleten, Fußballer und Handballer 1949 die TSV-Rugbyabteilung gegründet haben, bekämpfen sich die beiden Teams zwei, drei Mal im Jahr, immer knallhart und meistens fair, und seit Menschengedenken ist es keinem der Kontrahenten je gelungen, den Nachbarn vernichtend zu schlagen. Im deutschen Pokalendspiel 2016 siegte der SCN beim TSV mit 16:14, in der Vorrunde der laufenden Saison hatten die Löwen mit 23:19 die Nase vorn. Heute ist es wieder superspannend, so dass die Zuschauer beim 7:7 in der Halbzeitpause reichlich Diskussionsstoff haben.

Unter den Zuschauern auf der Sonnenseite steht der Sportprofessor Manfred Zugck, der sich auch im Raufen mit dem Plastikei auskennt, und rätselt mit seinem Kollegen Günter Friedel, warum die so treffsicheren TSV-Kicker Nikolai Klewinghaus und Benjamin Olouch drei günstig liegende Straftritte nicht zum Goal treten wollten. Immerhin hat der Spezialspielzug – Gasseneinwurf, gemeinsames Drücken, Versuch! – wieder einmal perfekt geklappt, so dass der TSV nach Olouchs Erhöhung von ganz außen mit 0:7 in Führung gegangen ist. Auf der Schattenseite gerieten die SCN-Frauen in Verzückung, als Spielmacher Mondli Nkosi – der gewitzte Mann kam aus Südafrika, sah und heiratete – wie ein Hase zwischen Erdbeerpflanzen durch die Abwehrreihen steppte und seinen Versuch selbst erhöhte.

Halbzeit, Gelegenheit zu taktischen Überlegungen, ein nasser Schwamm im Genick und ein Schluck aus der Elektrolytpulle erfrischen die vor Anstrengung und Erregung dampfenden Spieler. Es ist schon etwas dran, wenn Denis Frank auf Seite 86 schreibt, dass „Handschuhsheim seit jeher für sturmbetontes ehrliches Rugby, den harten Kampf und den unbedingten Willen steht. Neuenheim dagegen spielte schon immer mit ein wenig mehr Flair und zog schon früh Topspieler aus dem Ausland an sich. So treffen beim Derby immer auch zwei gänzlich verschiedene Spielstile aufeinander.“ Ist das SCN-Spiel unehrliches Rugby?

Natürlich hatten die Handschuhsheimer auch großartige Dreiviertel wie Kuno Birk, Ebi Megerle, Manfred Friedel, Otto Haaß oder den Südafrikaner Karl Seele, der Beine hatte wie Naomi Campbell und rennen konnte wie eine Gazelle. Und den SCN-Stürmern Rolf Groß, „Baum“ Hölzel, Dieter Uhrig, Hans Winkenbach oder den Trick-Brüdern stahl auch keiner den Ball.
Da der Verein schon 1902 gegründet wurde, hatten die deutschen Meister von 1912 natürlich früh Gelegenheit, weiträumig auf ihr Können aufmerksam zu machen. Sie setzten schon 1914 in ihrem zweiten deutschen Endspiel die Franzosen Emile Boyer und Robert Thierry ein, die dann bis 1918 auf einem ganz anderen Spielfeld gegen ihre deutschen Kameraden kämpfen mussten. Doch auch in der Meistermannschaft des TSV von 1957 stand mit dem Spielmacher Jean Batz ein Franzose – der auch schon 1949 mit dem SCN Champion gewesen war.

Nun wird die zweite Halbzeit angepfiffen, am Kiosk von Enzo Scionti haben sich die Fans mit Wurst, Pizza und Erfrischungen gestärkt. Der SCN wechselt den baumlangen Jakob Schneider ein, der ein bisschen müde wirkt, nachdem er bei einem Hendsemer Landwirt als Erntehelfer eingesprungen war. Die Neuen im TSV-Team sind frischer. Sie jobben in der „Bar Centrale“ am Neuenheimer Marktplatz, die wegen des fiesen Virus seit Wochen geschlossen ist.

Der TSV-Sturm, der auf dem Können der massiven Nationalspieler der Vergangenheit – auf Helmut und Hans-Joachim Schmitt, auf Gustav Dörzbacher, Arno Blesch, Helmut Kücherer, Peter Heller, Marcello Audibert-Arias, Jens Schmidt und Alexander Pipa – aufbauen kann, gewinnt ein leichtes Übergewicht und geht durch Gregor Hartmanns Versuch, den Klewinghaus erhöht, mit 7:14 in Front.

Doch Mondli Nkosi, Luke Wakefield und Luca Hoffmann nehmen sich ein Beispiel an ihren listigen Vorfahren – an Fritz Sing, Willi Kohlhammer, „Jack“ Baumgärtner und Hans Gieding, an Manfred Kohlweiler, Martin Frauenfeld, Günter Schatz und Kay Kocher. Sie lassen die „Quetsch“ blitzschnell von einer Seite zur anderen laufen, bis Sam J. Harris in die Lücke und unter die Malstangen sprintet und Mondli Nkosi die zwei Erhöhungspunkte besorgt: 14:14, die Atmosphäre auf und außerhalb des Platzes ist explosiv.

Plötzlich, um 4.47 Uhr, dringt das Morgengebet eines Amselpärchens in meinen Schlaf, und als der Kolkrabe, der eine Taube aus dem Garten der Nachbarin umwirbt, mit seinem Keckern beginnt, ist der schöne Traum vom Rugby-Derby am 9. Mai 2020 zu Ende. Ich stehe gleich auf, denn dieser Bericht muss noch schnell in die Zeitung, und beim Zähneputzen überlege ich, ob der Rabenbräutigam ein Nachfahre von Jakob sein könnte. So nannten wir einen „Krabb“, der sich bei Derbys ohne Scheu unter die Zuschauer mischte und sogar auf der Klubhaus-Terrasse wohlfühlte. Kein Wunder: SCN-Jugendwart „Itter“ Ehhalt, der im Handschuhsheimer „Atzelhof“ aufgewachsen war, bewirtete das Federvieh mit Brotstückchen, die er in Cognac gebadet hatte. Es war echte Liebe zwischen einem Vogel aus Neuenheim und einem nach Neuenheim konvertierten Handschuhsheimer.

Auch daran sei erinnert an einem Samstag, an dem nicht gespielt wurde und an dem auch niemand eine Niederlage beweinen musste...

Claus-Peter Bach am 9. Mai 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Sonntag, 3. Mai 2020

Neuzugänge auf Wolke sieben

Über den Sport in Zeiten der Corona-Pandemie

Während der Sport auf der Erde ruht, werden auf Wolke sieben Neuzugänge begrüßt. Dieser Tage, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, nahmen zwei ganz Große auf der Ehrentribüne Platz, nachdem Petrus an der Einlasskontrolle sie abgetastet und gelobt hatte: Sie wollten keine Pyrotechnik ins Paradies schmuggeln. Hartwig Gauder, der als gebürtiger Schwabe 1980 in Moskau die Marathon-Goldmedaille für die DDR gewonnen hatte, nahm dort Platz, wo man den besten Blick auf das Olympiastadion von Tokio hat. Weil die deutschen Läuferinnen, Läufer und Läuferlein nun ein Jahr länger trainieren dürfen, rechnen die Auguren im Deutschen Olympischen Sportbund dem Vernehmen nach mit einer Medaillenflut auf allen Langstrecken; Plaketten, die für Olympia 2020 – so kurzfristig! – nie zu erreichen gewesen wären.

Norbert Blüm, der Kugelblitz aus Rüsselsheim, setzte sich zielstrebig auf einen der besseren Plätze und zu den Fußballern, aber weit weg von Sportfreund „Helle“ aus Oggersheim, der ihm schon zu gemeinsamen Regierungszeiten trotz seines Durstes nicht besonders sympathisch war. „Jetzt haut ihm doch endlich auf die Schnauze!“, feuert der Kanzler der Einheit die tapferen Virologen Brinkmann, Drosten, Kekelé, Krause und Streeck an, die im ungleichen Kampf mit dem tückischen Virus schon um vier Uhr in der Frühe die Arbeit aufnehmen, um abends pünktlich bei Illner, Maischberger, Will oder Lanz sein zu können.

Fritz Walter, der die verbalen Ausfälle des Sportkameraden „Helle“ seit Jahren nur schwer erträgt, wendet sich entsetzt seiner Italia zu und murmelt: „Schatz, hasch’n widder ghört? Er soll doch Schorle drinke und net des starke Manna!“

Von Wolke sieben können die sportbegeisterten Engel im Manna-Rausch nicht nur ungeniert „Hosianna!“ singen und babbeln, wie ihnen der Schnabel gewachsen ist. Sie sitzen quasi in der ersten Reihe und beobachten, wie das Coronavirus die Welt verändert. Mit einem Blick auf Heidelberg stellen sie fest, dass die Neckarwiese, zu ihren irdischen Lebzeiten ein beliebtes Terrain für Freizeitkicker, Boys und Girls am Volleyball-Beach und Trockenangler, ausschließlich von Grau- und Nilgänsen bevölkert ist. Diese werden aufmerksam von Ordnungshütern bewacht, damit sie mehrmals am Tag in aller Ruhe ihr Geschäft verrichten können. Dass auf all diesen grünen und braunen Würstchen Menschen irgendwann einmal wieder ein Sonnenbad genießen oder Sport treiben wollen, scheint im Gesundheitsamt niemanden zu interessieren – auch dort fahndet man verbissen nach dem Coronavirus, für bekanntere Infektionskrankheiten hat man keine Zeit. Das verstehen wir.

Wie mein Papagei feststellen durfte, der beim Flug auf Wolke sieben kaum Gegenverkehr hatte, weil die Lufthansa-Störche auf der Erde parken, haben die Grau- und Nilgänse inzwischen auch die stillgelegten Sportplätze im nördlichen Heidelberg in Besitz genommen, so dass den Kindern und Jugendlichen, die dort nach den Sommerferien wieder Fußball, Hockey, Lacrosse oder Rugby spielen sollen, ernste gesundheitliche Gefahren drohen. Denn auch dort – man mag es kaum glauben – erledigt das Federvieh sein Geschäft in freier Natur, obwohl es während der Coronavirus-Krise präzise behördliche Handlungsvorschriften für den Toilettengang gibt. „Und den Abstand halten sie auch nicht ein“, schimpft mein Papagei, der eine Nilgans beim Schnäbeln mit einem Storch beobachtet hat. Offenbar sind Störche auch nicht mehr das, was sie einmal waren.

In der Hauptstraße, Heidelbergs früherer Einkaufsmeile, kann man von Wolke sieben aus sehen, dass anstelle der Fußgänger nun besonders viele Radfahrer ihre Olympia-Vorbereitungen in hohem Tempo durchführen. Auch sie haben von Herrn Dr. Thomas Bach ein volles Jahr geschenkt bekommen, das sie auf dem Kopfsteinpflaster bestmöglich nutzen wollen. Man muss die Pedaleure verstehen, schließlich sind die Rennbahnen in Oberhausen und bei Endspurt Mannheim wie die Neckarwiese gesperrt. Und man muss als strammer Radler auch keine Angst haben, geschnappt zu werden, wenn man einem patroullierenden Paar in Uniform in der Eile mal hurtig den Mittelfinger zeigt. Neuzugang Blüm regt sich unheimlich über diese Frechheiten auf und kann sich erst beruhigen, als Sportfreund „Helle“ ruft: „Mensch, Nobby, halt die Klapp, dei Rente war doch sicher!“

Bei einem Kurzbesuch in Lausanne hat mein Papagei erfahren, dass das IOC schon für Tokio 2021 eine neue Disziplin ins Wettkampfprogramm aufnehmen möchte: Jammern – „auf höchstem Niveau!“. Die Chefs von Bayer, Commerzbank, VW und ein paar andere Nieten in Nadelstreifen sollen Wild Cards erhalten. „Dann ist Olympia wieder so wie 1896, als auch nur reiche Müßiggänger teilnehmen durften“, findet mein Papagei.

Claus-Peter Bach am 2. Mai 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung