Sonntag, 23. Juli 2023

Wo erfolgreiche Athleten und Trainer gedeihen

Über das 70. Jubiläum der Sportschule Schöneck

Der 2021 auch von der Coronavirus-Pandemie in seinen Aktivitäten arg gestörte 1946 gegründete Badische Fußball-Verband (bfv) hat doppelten Grund zur Freude. Mit einem von Annette Kaul und ihren Mitarbeitenden liebevoll vorbereiteten „Tag der offenen Tür“ feierte der Verband nun mit zweijähriger Verspätung sein 75-jähriges Bestehen und den 70. Gründungstag der badischen Sportschule Schöneck. „Wir haben ganz bewusst auf traditionelle Festakte verzichtet und die beiden Jubiläen gemäß unseres Mottos mit Sport und Bewegung an der frischen Luft und in den drei Hallen für Sporttreibende aller Sportarten gefeiert“, sagte bfv-Präsident Ronny Zimmermann (Wiesloch) und lachte angesichts der Temperatur von 39 Grad Celsius auf dem Karlsruher Turmberg: „Schweißtreibende Bewegung haben wir ja gut hinbekommen, doch hätten wir uns einige Besucher mehr gewünscht“. Die ungezählten Festgäste waren „gemessen am Aufwand deutlich zu wenig“, sagte Zimmermann.

Die 1953 auf dem Turmberg-Gipfel errichtete Sportschule Schöneck am Sepp-Herberger-Weg 2 wird von Ronny Zimmermann als „Heimat und Herz“ des bfv bezeichnet. Sie ist der Sitz des mit 199.766 Mitgliedern (29.207 Mädchen und Frauen sowie 170.559 Jungen und Männer) zweitgrößten nordbadischen Fachverbandes, und sie ist die Bildungsstätte des Badischen Sportbundes Nord (BSB). Die Sportschule wurde mit dem Ziel gegründet, „Sportlern ihre Schule für Sport, Bildung und sportliche Begegnung zu schaffen“, wie BSB-Präsident Franz Müller (1896 – 1963) bei der Eröffnung sagte. Im Gründungsjahr trafen auf dem Turmberg der Illinger Sprinter Heinz Fütterer bei den Vorbereitungen zu seinem 100-m-Weltrekord, die badischen Rugby-Auswahlspieler vor ihrer Tournee nach Parma und Monte Carlo und die Fußballer des Karlsruher SC zusammen; man trainierte hart, plauderte überfachlich, und nach Sonnenuntergang wurden im Turmberg-Stübchen die beim Training verlorenen Elektrolyte gemeinsam ersetzt.

Heute bietet die Sportschule auf den 7,5 Hektar eines ehemaligen Gutshofes ideale Bildungs- und Trainingsvoraussetzungen für Einzel- und Teamsportler, die Ausbildung von Schülermentoren, nebenberuflichen Übungsleitenden sowie Trainerinnen und Trainern der Lizenzstufen C und B. Der bfv schult dort seine Auswahlmannschaften. Zur konzentrierten Vorbereitung auf die Zweitliga-Heimspiele kommen die KSC-Kicker, und beim Bummel über die gepflegten Anlagen sichtet man sogar Leichtathleten aus Afrika, zu denen sich herumgesprochen hat, dass die Luft auf dem Turmberg besonders gesund ist. „Auch Organisationen außerhalb des Sports und Unternehmen schätzen Schöneck als Veranstaltungsort für Seminare“, lässt Ronny Zimmermann wissen.

Die Sportschule ist Eigentum des bfv, wird vom Land Baden-Württemberg als anerkannte Bildungsstätte und vom BSB Nord bezuschusst und von Uwe Breitschopf geleitet. Er wird unterstützt vom bfv-Maskottchen „Badi“, der die Fußballer um Fritz Walter 1954 während deren Vorbereitung auf die WM in der Schweiz nachts besucht haben soll, um ihnen Mut zu machen. Das hat wohl gut gewirkt…

Der Turmberg ist 252 Meter hoch, das Turmberghaus über 100 Jahre alt. Seit 1984 wurden rund 25 Millionen Euro in die Sportschule investiert, in der rund 50 Mitarbeitende beschäftigt sind. Bis zum bfv-Verbandstag im September 2024 wird das Verwaltungsgebäude „für einen zweistelligen Millionenbetrag“ neu gebaut. Das Land Baden-Württemberg wird helfen, doch der bfv hat „seit 15 Jahren Rücklagen gebildet“, sagt Ronny Zimmermann. Die Sportschule bietet 198 Betten in Einzel-, Zweibett- und Mehrbettzimmern, die modern ausgestattet sind. Für Seminare stehen ein eleganter Spiegelsaal und acht Seminarräume zur Verfügung, die nach den badischen Sportkreisen benannt sind. Der Filmsaal Bruchsal hat 100 Sitzplätze, der kleinste Raum Tauberbischofsheim eignet sich mit 15 Sitzplätzen auch für Vorstands- und Ausschuss-Sitzungen.

Das Stadion mit 140x85 Metern Fläche, der Kunstrasenplatz (102x56) und der Waldsportplatz (80x60) erlauben den Lehrgangsbetrieb bei jedem Wetter ebenso wie drei Sporthallen, ein Hallenbad, ein Fitnesscenter, ein Ringer-/Judo-Raum, zwei Kegelbahnen, eine Sauna und eine Beachanlage. Die Bocciabahn dient der Entspannung der Lernenden. Diese werden auf dem Turmberg exzellent versorgt. Pro Jahr werden im Restaurant mehr als 35.000 Brötchen, mehr als 700 Sandkuchen, an die 5000 Kilogramm Hähnchenfleisch, fast 2000 Kilogramm Fisch und mehr als 5000 Kästen Mineralwasser verzehrt. Kartoffeln, Nudeln und Salat sind auch gesund und werden an Büffets serviert.

Leiterin des BSB-Geschäftsbereiches Bildung und Qualifizierung ist Fiona Grüger aus Heidelberg, die das kompetente Lehrteam mit Nicole Dreßler, Dorsey Erg, Dr. Jens-Peter Gnam und Volker Trunk leitet. 22 Fachverbände führen ihre Trainerausbildung und Mentoren-Lehrgänge in der Sportschule durch, wobei der Badische Turnerbund mit dem Angebot im Ropeskipping, Faustball, Gerätturnen, Kinderturnen, Kleinkinderturnen, Fitness und Gesundheit, Karnevalistischen Tanzsport sowie Aerobic das breiteste Angebot bietet. Die Fachverbände Bowling, Fußball, Gewichtheben, Golf, Handball, Judo, Ju-Jutsu, Kanu, Kegeln, Klettern, Leichtathletik, Radsport, Rugby, Schach, Schießsport, Ski, Taekwondo, Tauchen (Unterwasserrugby), Tennis, Tischtennis und Volleyball nutzen die Sportschule gerne und bringen gut ausgebildete Trainerinnen und Trainer hervor.

So ist Schöneck nicht nur für den „weißen Blitz“ Heinz Fütterer und dessen Sprint-Kameraden Charly Kaufmann zur sportlichen Heimat geworden, sondern auch für alle Übungsleitenden, die künftig Kinder und Jugendliche in vielen Sparten ausbilden werden. 

Donnerstag, 13. Juli 2023

SCN und RGH mit Ambitionen zur deutschen Siebenerrugby-Meisterschaft

Ein Zweikampf um den Titel?

Mit der 26. Deutschen Meisterschaft im olympischen Siebenerrugby der Männer und den 22. Titelkämpfen der Frauen geht am Wochenende die Rugby-Spielzeit 2022/23 zu Ende. Die Männer tragen ihr Turnier am Samstag von 11 bis 18.30 Uhr und am Sonntag von 9 bis 16 Uhr im Pichterich-Stadion in Neckarsulm aus, die Frauen ermitteln im gleichen Zeitrahmen beim SV Odin Hannover neben den Herrenhäuser Schlossgärten ihr Meisterteam.

Zur großen Enttäuschung der gastgebenden Sport-Union Neckarsulm haben nur acht der 135 Vereine von Rugby Deutschland plus ein Einladungsteam unter dem Namen „Beerbarians“ gemeldet, darunter mit dem 13-maligen deutschen Siebenerrugby-Rekordmeister Rudergesellschaft Heidelberg, dem Titelverteidiger Sportclub Neuenheim und dem südhessischen RK Heusenstamm drei Bundesliga-Vereine. Es wäre eine lohnende Aufgabe für die sportliche Leitung des Verbandes, die Gründe für dieses eklatante Desinteresse zu ergründen. Schließlich haben in früheren Jahren fast alle Spitzenklubs an den DM-Turnieren teilgenommen. 2017 in Neuenheim waren es 16 Teams, 2010 in Heusenstamm sogar 24.

Der SCN, erster Meister 1996 und letzter Meister 2022 im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark, hat es in der Gruppenphase mit Gastgeber SU Neckarsulm, dem Bundesliga-Aufsteiger RSV Köln, den "Beerbarians" und der RGH II zu tun und somit gute Chancen, in die Halbfinals am Sonntag um 12.40 Uhr einzuziehen. Die RGH, die erstmals 1997 und zum 13. Mal im Sommer 2021 triumphiert hatte, spielt in der Gruppenphase gegen den dem deutschen Verband angegliederten Zweitligisten RC Walferdange aus Luxemburg, den RK Heusenstamm und den RC Studentenstadt München-Freimann.

Leider wird Bundestrainer Antonio Aguilar, der schon beim finalen  Europameisterschaftsturnier in Hamburg vermisst wurde, auch in Neckarsulm „aus privaten Gründen“ (so RD-Sportdirektor Manuel Wilhelm) nicht anwesend sein können. Der Portugiese war in Hamburg von seinem Assistenten Clemens von Grumbkow (Heidelberg) kompetent vertreten worden, sein Team wurde mit vier Siegen und zwei Niederlagen Siebter.

Für die Frauen-Titelkämpfe im Westen Hannovers haben immerhin zwölf Vereine gemeldet, darunter mit Titelverteidiger Heidelberger Ruderklub, dem SCN, der RGH und dem Bundesliga-Aufsteiger TSV Handschuhsheim vier Klubs aus Heidelberg. Der HRK ist favorisiert, den anderen Heidelbergerinnen sind gute Leistungen und vordere Platzierungen zuzutrauen.

Freitag, 7. Juli 2023

Der Sport im „Ländle“ so stark wie nie zuvor

Nach der Coronavirus-Pandemie haben die Vereine ihre Mitgliederverluste mehr als ausgeglichen

Der Sport hat die Coronavirus-Pandemie überstanden und ist in Baden-Württemberg so stark wie nie zuvor. Nach der am 31. Januar 2023 abgeschlossenen Bestandserhebung für das Jahr 2022 haben die 21.844 Sportvereine im „Ländle“ 4.031.464 Mitglieder, das sind 134.811 oder 3,46 Prozent mehr als im Vorjahr und 45.205 oder 1,13 Prozent mehr als vor Pandemiebeginn. Jürgen Scholz, der Präsident des Landessportverbandes Baden-Württemberg (LSV), spricht von einem „Allzeit-Hoch“ und freut sich, dass besonders viele Kinder und Jugendliche in die Sportvereine geströmt sind.

Alle drei im LSV vereinigten Sportbünde des Landes verzeichnen deutliche Zuwachsraten. Der Württembergische Landessportbund mit Sitz in Stuttgart hat nun 2.257.426 Mitglieder, das sind 70.840 oder 3,24 Prozent mehr als 2022 und 10.656 oder 0,47 Prozent mehr als 2020. Der Badische Sportbund Süd mit Sitz in Freiburg hat nun 976.581 Mitglieder, das sind 38.517 oder 4,11 Prozent mehr als 2022 und 26.532 oder 2,79 Prozent mehr als vor der Pandemie. Und der Badische Sportbund Nord mit Sitz in Karlsruhe hat 837.402 Mitglieder, das sind 25.454 oder 3,30 Prozent mehr als 2022 und 8438 oder 1,07 Prozent mehr als 2020. Der BSB Nord hat 334.609 weibliche und 502.793 männliche Mitglieder.

Die nähere Betrachtung der Bestandserhebung ergibt, dass im BSB Nord gegenwärtig 2437 Vereine in neun Sportkreisen und 52 Fachverbänden organisiert sind. Größter Sportkreis ist Karlsruhe mit 181.678 Mitgliedern in 467 Vereinen, was einer Steigerung um 4,42 Prozent entspricht. Auf den Plätzen zwei und drei folgen die Sportkreise Mannheim mit 151.535 Mitgliedern in 448 Vereinen (+4,07 Prozent) und Heidelberg mit 136.611 Mitgliedern in 407 Vereinen (+2,23 Prozent). Kleinster Sportkreis ist Buchen mit 38.253 Mitgliedern in 124 Vereinen.

Mitgliederstärkster Fachverband Nordbadens ist Turnen mit 213.475 Mitgliedern in 590 Vereinen vor Fußball mit 199.766 Mitgliedern in 596 Vereinen, Tennis mit 57.118 Mitgliedern in 334 Vereinen, Bergsport und Klettern mit 35.236 Mitgliedern in 14 Alpenvereinen, Handball mit 34.993 Mitgliedern in 148 Vereinen sowie den Sportschützen mit 31.657 Mitgliedern in 230 Vereinen. Kleinster Fachverband ist Rasenkraftsport und Tauziehen mit 222 Mitgliedern in sechs Vereinen.

Mitgliederstärkster Verein in Nordbaden ist der Karlsruher SC mit 11.814 Mitgliedern, was einem Zuwachs von 6,93 Prozent entspricht vor der TSG Hoffenheim mit 10.096 Mitgliedern (+1,97 Prozent), dem Deutschen Alpenverein Karlsruhe mit 9882 Mitgliedern (+3,98 Prozent) und dem DAV Heidelberg mit 8963 Mitgliedern (-1,60 Prozent). Zweitgrößter Heidelberger Verein ist die TSG Rohrbach auf Rang 13 mit 3556 Mitgliedern (+10.47 Prozent) vor der TSG Dossenheim mit 2951 Mitgliedern (+1,48 Prozent).

1692 oder 69,43 Prozent der nordbadischen Sportvereine haben weniger als 300 Mitglieder, 528 oder 21,67 Prozent haben 301 bis 800 Mitglieder, 187 oder 7,67 Prozent haben 801 bis 2000 Mitglieder, und nur 30 oder 1,23 Prozent sind Großvereine mit mehr als 2000 Mitgliedern.


Sonntag, 2. Juli 2023

Mit der Jugend in eine gute Zukunft

 Über die deutsche Rugby-Meisterschaft 2023 

Der SC Frankfurt 1880 hat die beste Rugby-Mannschaft in Deutschland, da beißt – um den Griechen Äsop zu zitieren – die Maus keinen Faden ab. Das 30:16 (20:6) im Endspiel 2023 gegen den SC Neuenheim brachte den dritten Titelgewinn in Folge und den neunten seit 1913. Nach der Coronavirus-Pandemie ist das internationale Ensemble aus „Mainhattan“ sogar besser als zuvor, was für den ganzen Verein gilt. Der SC 1880 arbeitet mit über 30 Schulen zusammen und hat rund 500 Kinder und Jugendliche in Rugbystiefeln und mit rot-schwarzen Fähnchen.

Mein Papagei, der vor Endspielen besonders nervös ist und nie mit dem Fanbus reist, flatterte schon am frühen Morgen nach Frankfurt und war froh, dass auch im Luftraum über dem Airport kein Stau den Anflug behinderte. Er wurde von Dr. Ulrich Byszio, dem Präsidenten und Mäzen des SC 1880, herzlich begrüßt und – weil Sportler vor einem Finale vernünftig leben – mit einem Mineralwasser erfrischt. Weil mein Papagei den früheren Rugby-, Siebenerrugby- und Studentenrugby-Nationalspieler Byszio seit Jahrzehnten kennt, herrscht zwischen dem Geschäftsmann und dem Vogel ein besonderes Vertrauensverhältnis.

Byszio, der nach eigener Einschätzung „58 Jahre alt ist und aussieht wie 28“, liebt zwar den Erfolg und wollte schon in seiner Jugend jedes Rugbyspiel gewinnen, doch hat er fest vor, das Aussehen seines Teams bald zu verändern. Im Endspiel hatten die Frankfurter mit Marcel Becker, Anton Rupf, Jens Listmann und Hassan Rayan nur vier Akteure aus dem eigenen Talentschuppen im Teamkader, 17 Spieler sind Profis aus den großen Rugby-Nationen. „Das möchte ich ändern“, verkündete Byszio bei der Siegerehrung und gratulierte dem SCN „zur vergleichsweise höheren Anzahl an Eigengewächsen.“

Nachdem der begeisterte Fitnesssportler, Radfahrer und Jet-Pilot Ulrich Byszio seinen Flieger gestern am Zweitwohnsitz St. Tropez abgestellt hatte, wurde er ganz konkret: „Künftig sollen alle Erstligisten pro Saison mindestens 6400 Spielminuten lang Akteure aus der eigenen Jugend einsetzen. Dann kommen wir mit dem deutschen Rugby voran“, sagte Byszio, der sich mit meinem Papagei auch einig war, dass es ein Unding ist, dass Spieler der deutschen Siebenerrugby-Nationalmannschaft im Endspiel der deutschen Meisterschaft überhaupt nicht oder nur eine Halbzeit lang eingesetzt werden durften.

Vizemeister SCN hatte im Finale Akteure aus neun Nationen aufgeboten – allesamt Amateursportler -, darunter sechs Spieler, die schon als Kinder das königsblaue Trikot trugen, und konnte sich über mangelnde Unterstützung nicht beklagen. „Ich glaube, der ganze Verein war da“, sagte mein Papagei, der Mitglieder aus Aachen, Düsseldorf, München, Feudenheim und sogar aus Oggersheim sichtete – von hoch oben hatte er einen perfekten Überblick.

Das SCN-Team wird auch künftig von dem 28-jährigen Curtis Bradford trainiert, der auf Erfahrungen in seinem Heimatland Wales, Australien, Italien und Österreich baut und nur zwei Akteure definitiv verlieren wird: Der portugiesische Nationalspieler Miguel Macedo wechselt nach Irland, der Italiener Gianmarco Perrone geht zurück in seine Heimat. „Nachschub“ kommt aus der Jugend. Besonders die U10- und U12-Kinder haben schon bei diesem Endspiel für beste Stimmung gesorgt. Mein Papagei lobte: „Das war meisterlich!“