Freitag, 17. Dezember 2021

Ein starker Förderer der Jugend

Zum Tode von Rugby-Ehrenpräsident Theodor Frucht

Theodor Frucht, der am 3. April 1935 in Hannover geboren wurde, hat sich im Alter von elf Jahren dem SV Odin von 1905 angeschlossen und ist nach einem Jahr als Fußballer zur Knaben-Rugbymannschaft gewechselt, in der der kräftige Junge zu einem guten Zweite-Reihe-Stürmer ausgebildet wurde. Dem Rugbysport blieb Theo, wie ihn seine Freunde riefen, ein Leben lang verbunden. „Rugby hat mir mehr entsprochen, hat mich mehr ausgefüllt“, sagte Theo Frucht später.

Mit 18 Jahren spielte er in der ersten Mannschaft des SV Odin, die das deutsche Pokalendspiel gegen den TSV Victoria Linden, die damals überragende deutsche Vereinsmannschaft, mit 3:0 gewann und den erstmals ausgespielten „Ölschinken“, ein großformatiges Gemälde des Brandenburger Tores, eroberte. Theo Frucht war also einer der fünfzehn ersten deutschen Pokalsieger, Auswechslungen waren damals noch nicht erlaubt. Obwohl er schon 1964 zu Odins Jugendwart gewählt wurde und Teams in allen fünf Altersklassen aufbaute, spielte er bis 1971 in der ersten Mannschaft – unterbrochen nur von einer beruflichen Fortbildung. Der Großhandelskaufmann ließ sich nach dem Besuch des Abendgymnasiums zum Maschinenbauingenieur ausbilden und arbeitete von 1995 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1997 als Forschungs- und Entwicklungsingenieur bei den Continentalen Reifenwerken in Hannover, die viele Jahre lang den Conti-Cup, die Trophäe für den deutschen U19-Landesverbandsmeister, gesponsert haben. Des Berufes wegen hat Theo Frucht die beiden deutschen Meisterschaften des SV Odin 1961 und 1963, die Endspiele gegen den SC Neuenheim und den TSV Handschuhsheim, versäumt.

Aus privaten Gründen wechselte Theo Frucht 1971 zum TSV Victoria Linden und engagierte sich vorbildhaft in den Verbandsgremien. Im Niedersächsischen Rugby-Verband (NRV) wirkte er als Kassenwart, Sportwart, Jugendwart und Verbandstrainer, in der Deutschen Rugby-Jugend (drj) als Trainer, Technischer Leiter, stellvertretender Jugendwart und in den 1980-er Jahren als Jugendwart, der besondere Leistungen erbrachte: Gemeinsam mit dem Berliner Fritz Feyerherm, Horst Lück aus Wiedenbrück und den Heidelbergern Karl Lachat, Dierk Baumgarten und Peter Schatz baute er die deutschen Nachwuchsmeisterschaften in fünf Altersklassen von der U11 bis zur U19 auf und etablierte deutsche Landesverbandsmeisterschaften für U17- und U19-Teams und mit großer Beteiligung.

An Ostern 1987 fand unter der Leitung von Theo Frucht und mit der Vor-Ort-Arbeit von Fritz Feyerherm, Peter Welsh und Henric Lewkowitz die U19-Weltmeisterschaft mit 16 Teams in West-Berlin statt, die Argentinien gewann und bei der die deutsche Fünfzehn den sagenhaften vierten Platz – das beste Resultat der Rugby-Geschichte – belegte.

Nachdem sich Theodor Frucht als Jugendwart große Meriten verdient und insbesondere die deutsch-französische Freundschaft in Zusammenarbeit mit den französischen Spitzentrainern Jean-Claude Baqué, Serge Dijon und Jean-Claude Rutault ausgebaut hatte – die U19-Teams von Frankreich und Deutschland trainierten damals zwei Mal pro Jahr für eine ganze Woche zusammen in Issoire, Biscarosse, Périgueux, Hannover und Heidelberg – wurde er beim Deutschen Rugby-Tag 1991 in Hannover zum 17. Präsidenten des Deutschen Rugby-Verbandes gewählt.

Er baute eine ABM-Stelle des Jugendsekretärs Karl-Heinrich Barkhof zu einer festen Stelle für Barkhof und später für Carsten Segert, Martin Bahm und Natascha Evers aus, er schuf eine feste Trainerstelle am Landesstützpunkt Potsdam für Frank Langer und er landete 1992 einen besonderen Coup, als er Peter Ianusevici, Rumäniens Trainer bei der WM 1991 in Großbritannien, zum deutschen Bundestrainer machte. Erst betreute Peter Ianusevici die U19, dann auch die Männer und schließlich alle deutschen Auswahlen, wobei er nie vergaß, deutsche Trainer so gut auszubilden, dass sie ihm nachfolgen konnten.

Theo Frucht handelte nach festen Überzeugungen und ließ sich nicht beirren. „Die große Stärke des DRV sind seine Vereine“, sagte er und pflegte zu den Klubs ein freundschaftliches Verhältnis. Auch zu seiner Amtszeit, die 1996 mit der einstimmigen Wahl in das Ehrenpräsidium des DRV endete, gab es Spannungen wegen Terminfestlegungen von Nationalteams und der Bundesliga. Aber es gab gute Gespräche und keinen Hass. Es war sogar Platz im Rahmenspielplan, um gemeinsam mit Keith Rowlands (Wales), dem Generalsekretär des International Rugby Football Board, und den Verbandschefs Belgiens und der Niederlande in Hannover den Nordwest-Europapokal zu gründen.

Theo Frucht sah gerne schöne Siebenerrugby-Turniere und führte die deutsche Siebener-Auswahl 1992 zu den großen Hongkong Sevens mit Spielen gegen Argentinien, die USA, Singapur und Papua-Neuguinea, aber er sagte aus felsenfester Überzeugung: „Siebenerrugby ist gut für die Ausbreitung unseres Sports in Schulen und Universitäten, aber Rugby ist Fünfzehner. Darauf müssen wir uns voll konzentrieren.“ Dass es anders gekommen ist, hat ihm nicht gefallen.

Am 10. Dezember 2021 ist Theodor Frucht an den Folgen eines Herzanfalls im Alter von 86 Jahren in seiner Heimatstadt verstorben. Der deutsche Rugbysport ist ihm zu Dank verpflichtet. Seine Mitstreiter werden ihn nie vergessen. Claus-Peter Bach