Sonntag, 21. Mai 2023

88 Meister aus 16 Sportarten

 Über die Sportlerehrung für 2022 in Heidelberg

Die Sportlerehrung der Stadt und des Sportkreises Heidelberg für das Wettkampfjahr 2022 ähnelte einem rasanten Rugby-Match. Am 12. Mai 2023 war das Casino der Stadtwerke Schauplatz einer kurzweiligen Veranstaltung, die mit dynamischen Ansprachen der Gastgeber begann, von Frank Schuhmacher flott moderiert wurde, 88 Topathletinnen und -athleten präsentierte und bei Lachsröllchen, eingelegtem Kalbfleisch, Spargelgemüse und Zitronen-Tarte eine dritte Halbzeit hatte, die in Erinnerung bleiben wird.

Michael Teigeler, der Marketing-Direktor der Stadtwerke, begrüßte die fast 200 Festgäste. Er hieß alle Sporttreibenden willkommen, die erstmals einen nationalen oder internationalen Meistertitel gewonnen haben, aber auch die Stammgäste der Sportlerehrung, „denn das Verteidigen von Titeln ist eine Kunst“. Teigeler lud auf den 23. Juni ins Sportinstitut ein, wo Freunde und Partner des Sports durch körperliche Leistungen das Deutsche Sportabzeichen erwerben können. Helmut Diehm und Manfred Weckesser vom TSV Wieblingen haben das 50-mal geschafft, ihre Vereinskameradin Erika Titz 35-mal.

Oberbürgermeister Professor Dr. Eckart Würzner und Gerhard Schäfer, seit 1995 Sportkreis-Vorsitzender und kein bisschen amtsmüde, dankten den „Vorbildern für Zehntausende junger Menschen in der Stadt und der Region“, so Würzner, der sich auch über die „tolle Vereins- und Trainerstruktur freute und den zwölf anwesenden Gemeinderätinnen und -räten für die Unterstützung des Sports dankte, „die fast immer einstimmig“ erfolge. „Sich quälen können, immer alles aus sich herausholen“ sei notwendig, um Meisterehren zu erringen, sagte der fleißige Hobby-Läufer Würzner, ehe er „die sportlichen Super-Botschafter Heidelbergs im Namen der Bevölkerung“ auszeichnete.  

Während die Sponsoren Ensinger, Fehser und Heidelberger Brauerei für die Erfrischungen der fröhlichen Corona sorgten, lockerten die Ropeskipping-Jugendlichen des TV Eberbach und die Parcour-Kraftprotze des TB Rohrbach den Abend ebenso auf die die Combo „Ambulant Jazz“ mit den Doktoren Peer Hübel, Thomas Gehmer und Andreas Schwarz sowie ihrem trommelnden Gast Michael Pirner. Das Modehaus Niebel hatte – das ist schon gute Tradition – Geschenke für die Ehrengäste spendiert, die aus 16 Sportarten zusammenfanden.

Erstmals dabei waren die Australian Footballer der RG Heidelberg als Vizeeuropameister. Meisterinnen und Meister aus sechs Sparten stellte der Behindertensport, darunter Judo-Vizeeuropameister Lennart Sass vom JT Heidelberg-Mannheim, der blinde Dieter Riegler von den Schach-Freunden Heidelberg, der wissen ließ, künftig etwas kürzer treten zu wollen (was die Versammlung einstimmig ablehnte), und die Golfer und Schwimmenden des Gehörlosen-Sportvereins Heidelberg, denen lautlos durch begeistertes Winken gratuliert wurde. Die Degen-Senioren der TSG Rohrbach feierten die deutsche Mannschaftsmeisterschaft und Platz zwei bei der EM, während der Inline-Hockeyspieler Kai Dingert von der TSG 78 Heidelberg Vizeweltmeister geworden war. Kanutin Lisa Teichert vom WSC Heidelberg-Neuenheim fügte ihrer Sammlung vier Titel hinzu.

Der Heidelberger Ruderklub mit den Wasserathleten Lisa Gutfleisch, Alina Steffens, Elena Weyers und Berkay Günes sowie den Dreifach-Rugbymeisterinnen stellte die meisten Geehrten, doch auch der SV Nikar Heidelberg mit den Wasserratten um Zoe Vogelmann, der deutsche Siebenerrugby-Meister Sportclub Neuenheim, die Triathleten und Volleyballer erhielten die Sportplakette der Stadt.

Die von einer Jury gewählten Sportler des Jahres sind Boxerin Asyla Ari, Boxer Magomed Schachidov (beide OSP Rhein-Neckar), Degenfechterin Carolin Marheineke (TSG Rohrbach) und Triathlet Bernd Stegmann (SV Nikar) sowie die Frauen-Schwimmstaffel des SV Nikar. Uwe Hollmichel, Vorsitzender der SG Heidelberg-Kirchheim, Gordon Rapp, Ehrenpräsident des Deutschen Fechterbundes und Richter am Internationalen Sportgerichtshof (CAS), sowie Karin Wandt vom Reit- und Fahrverein Rohrbach wurden nach jahrzehntelanger ehrenamtlicher Arbeit vom Gemeinderat zu „Förderern des Sport“ gewählt und von OB Würzner ernannt.     


La Rochelle: Aufgeben gilt nicht

 Über die europäischen Rugby-Endspiele

Die beiden besten europäischen Rugby-Vereine kommen aus Frankreich. Stade Rochelais-Atlantique, das 2022 in Marseille mit dem European Champions Cup seinen ersten bedeutenden Titel gewonnen hatte, gewann am Samstagabend auch das Endspiel 2023 im Aviva-Stadion von Dublin. Die "Weltauswahl" des irischen Trainers Ronan O'Gara mit dem omnipräsenten Kapitän Gregory Alldritt besiegte - wie im Vorjahr - die gastgebende Fünfzehn der Leinster RFU mit 27:26 (14:23), nachdem die furios beginnenden Iren nach 38 Sekunden den ersten Versuch erzielt und nach zwölf Minuten mit 17:0 geführt hatten.

Die 51 000 Zuschauer an der Lansdowne Road, unter ihnen 10 800 Franzosen, sowie geschätzt 120 000 Fans im Hafen von La Rochelle konnten kaum glauben, wie La Rochelle, das Team des hannoverschen Team-Managers Robert Mohr, der La Rochelle 2014 als Kapitän in die Top 14-Liga geführt hatte, ab der 20. Minute Punkt um Punkt aufholten und durch Frankreichs Innendreiviertel Jonathan Danty, den Fidschi-Star Ulupano Seutini als dessen Nebenmann und den eingewechselten Erste-Reihe-Stürmer George-Henri Colombe drei Versuche erzielten. Da Spielmacher Antoine Hastoy mit fünf Kicks zu den Malstangen (drei Erhöhungen und zwei Straftritten) fünf Treffer und zwölf Punkte erzielte, durften die Maritimen zum zweiten Mal in Folge den Champions Cup in den Nachthimmel stemmen. Die Jugendlichen in La Rochelle entledigten sich ihrer Kleidung und hüpften jubelnd in das Hafenbecken.

Leinster, dessen verletzter Spielmacher Jonathan Sexton, der Rekord-Punktesammler des irischen Rugbys, hilflos zusehen musste, wie der nach den drei Versuchen von Hakler Dan Sheehan (2) und Außendreiviertel Jimmy O'Brien so komfortable Vorsprung hinweg schmolz, erzielte durch Ross Byrne nur elf Kickpunkte durch eine Erhöhung und drei Straftritte. Zweimal prallte der ovale Ball von der linken Malstange ins Feld zurück. Wieder einmal bewahrheitete sich eine Rugby-Weisheit: Jeder Spieler kann Spiele entscheiden, doch die Kicker gewinnen Meisterschaften.

Am Freitagabend im gleichen Stadion: Mit einem 43:19 (21:0)-Sieg über die Glasgow Warriors gewann der RC Toulonnais des Trainer-Trios Franck Azema, Pierre Mignoni und Frédéric Michalak den European Challenge Cup. Der bis zur 51. Minute durch fantastisches Angriffsrugby erzielte 24:0-Vorsprung wurde gegen die hart fightenden Schotten souverän verteidigt. Toulon erzielte sechs Versuche durch Gedrängehalb und Schlitzohr Baptiste Serin (2), Italiens Rugby-Heros Sergio Parisse, Fidschis Olympiasieger Jiuta Wainiqolo und und dessen Landsmann Waisea Nayacalevu sowie Neuseelands All Black Ihaia West. Serin erzielte sechs Kickpunkte, der eingewechselte Benoit Paillaugue sieben. Dem hatte Glasgow nur drei Versuche durch Kyle Steyn (2) und Sebastian Cancelliere sowie zwei Erhöhungen durch George Horne entgegenzusetzen.        

Montag, 8. Mai 2023

Er holte Olympia 2024 nach Paris

Zum Tode von Bernard Lapasset, Präsident des Rugby-Weltverbandes

Die Rugby-Welt trauert um eine ihrer bedeutendsten Persönlichkeiten. In der Nacht zum 2. Mai 2023 verstarb Bernard Lapasset nach langer Krankheit in seiner Heimatgemeinde Louit im Département Hautes-Pyrénées. Der Präsident der Fédération Francaise de Rugby (FFR, 1991 – 2008) und des International Rugby Board (IRB, 2008 – 2016) wurde 75 Jahre alt und hinterlässt seine Ehefrau und drei Kinder. „Bernard war ein Freund des deutschen Rugbys und hat uns oft und kraftvoll unterstützt“, sagte Ian Rawcliffe (Rödermark), der ehemalige Präsident des Deutschen Rugby-Verbandes (1996 – 2004 und 2013/14).

Der Rugby-Stürmer Bernard Lapasset, stattliche 1,91 Meter groß und ein eleganter, freundlicher und humorvoller Mann, wurde am 20. Oktober 1947 im südwestfranzösischen Tarbes geboren und war ein guter Spieler. Er gewann mit der Union Sportive Agen 1967 die Trophée Reichel, die französische Junioren-Meisterschaft. Der Jurist und Zoll-Direktor eroberte mit dem Team von Paris auch die französische Meisterschaft der Zollbeamten, ehe er seine Laufbahn als Rugby-Funktionär begann.

1988 wurde Bernard Lapasset zum Präsidenten des Comité Ile de France gewählt, 1991 als Nachfolger des monumentalen Albert Ferrasse (Agen) zum Präsidenten des Französischen Rugby-Verbandes. Die Equipe Tricolore führte er 1995 zu WM-Platz drei, 1999 zur Vizeweltmeisterschaft und 2003 wieder zu Bronze, ehe er 2007 mit diplomatischem Geschick die Weltmeisterschaft nach Frankreich holte, wo Südafrika gewann und die Gastgeber nach den Niederlagen im Eröffnungsspiel im Stade de France und im „kleinen Finale“ im Prinzenpark, jeweils gegen Argentinien, den vierten Rang belegten.

Es war die am besten organisierte Rugby-WM aller Zeiten und angesichts des riesigen Zuschauer-Interesses, der enormen Einnahmen durch Fernsehgelder und des friedlichen sechswöchigen Turnierverlaufs eine perfekte Werbung für den Rugbysport. Der einzige Zwischenfall ereignete sich nach dem Endspiel zwischen Südafrika und England (15:6) vor dem Stade de France, als ein Polizeibus ein Auto rammte und die zur Métro schlendernden Fans Beifall spendeten.


Nach der WM wurde Bernard Lapasset als Nachfolger des Iren Syd Millar zum Präsidenten des International Rugby Board gewählt (der heute World Rugby heißt). Seinem Geschick ist es zu verdanken, dass Rugby 2009 nach 85 Jahren Pause in den Kreis der olympischen Sportarten 


zurückkehrte und 2016 in Rio de Janeiro mit dem Siebenerrugby sein Comeback als Wettkampfsport feierte. Dem IRB diente Bernard Lapasset zwei Amtszeiten lang, ehe er vom Engländer Bill Beaumont abgelöst wurde.

Bis zu seinem Tode wirkte Bernard Lapasset als Vizepräsident des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele 2024 in Paris, nachdem er als Co-Präsident auch das Bewerbungskomitee geleitet hatte. Er leistete für Frankreich, das ihn zum Offizier der Ehrenlegion ernannte, genau das, was Franz Beckenbauer für die Fußball-WM 2006 in Deutschland getan hatte.

Bernard Lapasset verband seine sportliche Kompetenz und menschliche Wärme mit einer heute eher seltenen Geradlinigkeit, Unbestechlichkeit und Moral. Mit zwei deutschen Rugby-Präsidenten verband ihn eine herzliche Freundschaft und die Bereitschaft, auch außerhalb der Sitzungssäle bei einem Gläschen Rouge komplizierte Themen zu besprechen und Probleme unbürokratisch zu lösen. „Wir haben bei Bernard immer ein offenes Ohr gefunden“, erinnert sich Ian Rawcliffe. Lapassets gute Beziehungen zu Neuseeland wurden von Königin Elizabeth II belohnt, die ihm den Orden „Offizier des Neuseeland-Ordens“ verlieh.



Bildtext

Bernard Lapasset und Madame Lapasset am 12. Oktober 2007 im Pavillon Elysée in Paris anlässlich der Eröffnung der Rugby-WM mit dem deutschen Rugby-Präsidenten Claus-Peter Bach (links). Foto: Gerard Kemps

Sonntag, 7. Mai 2023

Fünf verschiedene Stadtschulmeister

Über die Titelkämpfe der Heidelberger Rugby-Schulen

Fünf verschiedene Schulen haben gegen Ende des Schuljahres 2022/23 die fünf Meistertitel bei den Heidelberger Stadtschulmeisterschaften im englischen Schulsport Rugby gewonnen, die unter der Leitung von Elke Bayer auf den drei Rugbyplätzen neben dem Zoo ausgetragen wurden. Auffällig und bemerkenswert war das starke Engagement von Mitgliedern des TSV Handschuhsheim in der Organisation.

Die Sportart wurde 1823 mehr zufällig auf dem Internatsrasen der Rugby School in der mittelenglischen Grafschaft Warwickshire durch den Schüler und späteren Pfarrer William Web Ellis „erfunden“, der sich im Laufe eines Fußballspiels zwischen den Schülern und der Dorfjugend, an dem über hundert junge Burschen teilnahmen, darüber ärgerte, dass er nie den Ball bekam. Er nahm die mit Lumpen gefüllte Schweinsblase schließlich in die Hände nahm und legte sie nach einem Sprint im gegnerischen Tor ab. Das fanden seine Mitschüler cool und spielten fortan dieses nach der Kleinstadt benannte Spiel, ab 1850 auch in englischen Vereinen und in zwei Colleges in Baden-Württemberg: Dem Neuenheim College in Heidelberg und einer Privatschule in Bad Cannstatt.

Es ist erfreulich, dass 173 Jahre nachdem der Lehrer Edward Hill Ullrich die Rugbyregeln am Neuenheim College bekannt gemacht und ovale Bälle von einer England-Reise mitgebracht hatte, die Mannschaft des Heidelberg College aus Neuenheim in der Altersklasse U12 an den Stadtschulmeisterschaften teilnahm und von Lehrerin Antje Sarna und Lehrer Tom Luca Hoffmann auf den zweiten Platz hinter dem Bunsen-Gymnasium und vor dem Elisabeth-von-Thadden-Gymnasium geführt wurde.

Schulrugby hat in Heidelberg eine lange Tradition: In den 1970-er Jahren veranstaltete die Schulrugby-Vereinigung unter der Leitung ihrer Gründer Karl Lachat, Günter Friedel, Heinz Albers, Herbert Klix und Dierk Baumgarten große Turniere auf der Neckarwiese, und ab 1992 beschäftigte der Rugby-Verband Baden-Württemberg (RBW) mit dem vormaligen jugoslawischen Nationaltrainer Marko Protega einen hauptberuflichen Schulrugby-Koordinator, der den Stadtschulmeisterschaften gemeinsam mit den RBW-Jugendwarten Manfred Hofmann und Peter Bews zu prächtiger Blüte verhalf.

Nach der durch das Coronavirus verursachten Schulsport-Pause ist aller Wiederbeginn schwer. Elke Bayer freute sich über die Teilnahme von 15 Mannschaften aus sieben Heidelberger Schulen. Da man im Rugby den Gedanken der Metropolregion lebt, durften auch das Lieselotte-Gymnasium Mannheim mit Lehrer Matthias Bechtel und die Kurpfalz-Realschule Schriesheim mit Eva Zerweck das Turnier beleben. Diese Lehrerin möchte künftig das Schulrugby-Team des RBW verstärken.

Die Stadtschulmeister 2023, die wie die Vizemeister am Landesfinale des Wettbewerbs „Jugend trainiert für Olympia“ am 13. Juli in Pforzheim-Eutingen teilnehmen dürfen, sind die Kurpfalzschule Kirchheim vor der Fröbelschule Wieblingen in der Wettkampfklasse U8, die Tiefburgschule Handschuhsheim vor der Fröbelschule in der WK U10, das Bunsen-Gymnasium vor dem Heidelberg College in der WK U12, das Englische Institut vor dem Bunsen-Gymnasium in der WK U14 sowie das Elisabeth-von Thaden-Gymnasium vor dem Englischen Institut in der WK U16. Die siegreichen und platzierten Mannschaften erhielten silberne Pokale und wurden von den Jungen und Mädchen ihrer Konkurrenten fair gefeiert. Alle Spielerinnen und Spieler wurden mit goldenen Medaillen für ihre Teilnahme, ihre guten Leistungen, ihren Kampfgeist und ihre Fairness belohnt. Wie die beiden Ersthelferinnen des Deutschen Roten Kreuzes berichteten, gab es außer einer Muskelzerrung und zwei blaue Flecken am Schienbein keine Verletzungen.

Den Meistern und Vizemeistern aus Heidelberg ist zuzutrauen, sich sogar für das Bundesfinale in Berlin zu qualifizieren.

Donnerstag, 4. Mai 2023

Warum Klaus Kreutz vom großen Kunstturnen träumt

Über den japanischen Jugend-Olympiasieger Kenya Yuasa

Der Saisonbeginn in der 2. Kunstturn-Bundesliga 2022 war der KTG Heidelberg misslungen. Danach wurde die Riege von Trainer Michael Wilhelm von Wettkampf zu Wettkampf stärker und beendete die Saison hinter Kirchheim/Teck und Ries auf dem dritten Tabellenplatz und weit entfernt von jeglicher Abstiegsgefahr. Ein Erfolgsgarant der Heidelberger war der Japaner Tomoya Kashiwagi (25), der im letzten Wettkampf gegen die TG Allgäu mit der international wertvollen Note von 83,55 Punkten aufwartete und das Publikum zum Rasen brachte. Kashiwagi, der nach anderthalb Jahren in Heidelberg passabel Deutsch spricht, ist nicht nur ein Spitzenturner, sondern trainiert auch mit großem Geschick die begeisterten KTG-Kinder.

In der am 23. September mit einem Wettkampf bei der KTV Koblenz beginnenden Saison 2023 soll das KTG-Team noch stärker sein und mit vereinten Kräften an die Tür zur Bundesliga klopfen. Das jedenfalls wünscht sich KTG-Präsidiumsmitglied Klaus Kreutz, der in seinem Verein für Programme und Projekte zuständig ist und keine Mühen scheut, die Voraussetzungen zu schaffen, um Turnen in Heidelberg noch attraktiver zu machen und deutlich mehr Fans in die Kirchheimer Sporthalle Süd zu locken.

Das jüngste „Projekt“ des 63-jährigen Sportpädagogen, der von 2001 bis 2004 als Mitarbeiter des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit in der Mongolei gelebt hatte und Asien sehr gut kennt, heißt Kenya Yuasa. Dieser 24-jährige Japaner ist ein Freund von Tomoya Kashiwagi und hält sich seit sechs Wochen in Heidelberg auf, um beim Kindertraining zu helfen, Deutsch zu lernen und die administrativen Voraussetzungen zu schaffen, um dauerhaft in Heidelberg turnen zu können. Dabei ist die Hilfe der Leistungssport-Stadt Heidelberg, der für die Integration zuständigen Behörden und Persönlichkeiten der Stadt und des Sportkreises und selbstverständlich der KTG-Mitglieder nötig. Denn Kenya Yuasa ist nicht irgendwer, sondern für Vereine aus ganz Mitteleuropa interessant.

Kenya Yuasa, mit dem man sich auf Englisch prima verständigen kann, ein ebenso höflicher wie fröhlicher und ehrgeiziger Mensch ist und seine tiefschwarzen Kopfhaare der japanischen Jugendmode entsprechend orange gefärbt hat, ist in Kanagawa im Südwesten der 38-Millionen-Hauptstadt Tokio bei seiner Familie mit zwei älteren Brüdern aufgewachsen. Die Brüder waren im Turnen auch nicht schlecht, aber längst nicht so begabt wie der jüngste Spross der Familie, der schon im Alter von zwölf Jahren in die Nationalmannschaft berufen wurde. Da er auch um Mitternacht und mit verbundenen Augen im Sechskampf mehr als 85 Punkte turnen kann, gehörte er dem „Team Nippon“ mit Ausnahme der Coronavirus-Jahre 2019 bis 2022 permanent an. Seinen wertvollsten Erfolg feierte er 2014 mit 16 Jahren, als die Heidelberger Kampfrichterin Linda Müller im chinesischen Nanjing mit eigenen Augen sehen konnte, wie Kenya Yuasa Jugend-Olympiasieger wurde.

Klaus Kreutz träumt gerne vom ganz großen Kunstturnen in Heidelberg, nachdem es schon ein paar Jahre her ist, dass die KTG in der Bundesliga überzeugte und in Eppelheim sogar das DTL-Finale erreicht hatte. Er sagt: „Mit Tomoya und Kenya und unseren Stammturnern um Eigengewächs Shimon Aoki in einer Riege könnten wir in der Bundesliga gut mithalten. Das wäre eine Attraktion für den Heidelberger Sport.“ Wo er Recht hat, hat er Recht…  


Bildtext

Der japanische Spitzenturner Kenya Yuasa freut sich über die Unterstützung durch seinen Mentor Klaus Kreutz. Foto: Helmut Pfeifer

Marathon war seine Leidenschaft

Der siebenmalige Paralympics-Sieger Heini Köberle ist mit 76 Jahren gestorben Heidelberg. 

Die Rollstuhlsportler trauern um einen ihrer Besten. Am 15. April ist Heinrich Köberle im Alter von 76 Jahren in Bad Schönborn im Beisein seiner lieben Ehefrau Gudrun verstorben, die über Jahrzehnte auch seine Managerin und Begleiterin bei zahllosen Sportreisen war.

Heinrich Köberle, den alle „Heini“ riefen, erlitt bei einem Autounfall eine Halswirbelsäulen-Verletzung und war fortan Tetraplegiker – er konnte nur noch Kopf und Arme bewegen. Der in Obermaiselstein im Oberallgäu am Fuße des Nebelhorns geborene Sportler, Bergführer und Skilehrer wollte sich mit der schweren Verletzung nicht abfinden und näherte sich im Umschulungsheim der Stiftung Rehabilitation in Heidelberg-Schlierbach dem Rollstuhlsport. Dort lernte er auch den nach einem Badeunfall gelähmten Hennes Lübbering und Christel Wittmann von der RSG Schlierbach kennen. Lübbering nennt Heini „meinen Zwillingsbruder“, während die auch im Deutschen Rollstuhl-Sportverband (DRS) unermüdlich tätige Christel Wittmann die beiden Sportler betreute und sie zu internationalen Wettkämpfen begleitete.

Nachdem sie fleißig trainiert und sich 1980 für den Leistungssport entschieden hatten, wurde das Schnellfahren im Rollstuhl nach Bogenschießen, Schwimmen und Tischtennis ihre Spezialität. Lübbering konzentrierte sich auf den Sprint, Heini Köberle auf den Rollstuhl-Marathon, den er 1982 in Berlin als erster Tetraplegiker der Welt über die volle Distanz von 42,195 Kilometern absolvierte. In einem Nachruf nennt der DRS Heini Köberle „einen Pionier, der zusammen mit seinem Heidelberger Weggefährten Errol Marklein den Einsatz von speziell konstruierten Rennrollstühlen vorangetrieben hat“.

Heini Köberle ist der erfolgreichste Rollstuhl-Marathoni der Welt. Er nahm an fünf Paralympischen Spielen teil: 1984 in New York und Stoke Mandeville, dem „Geburtsort“ des Behindertensports. 1988 in Seoul, 1992 in Barcelona, 1996 in Atlanta und 2000 in Sydney. Dabei gewann er 14 Medaillen, darunter sieben Goldmedaillen. In New York gewann er nach 3:41,47 Stunden, in Atlanta war er mit 2:49,11 fast eine Stunde schneller.

Mit Gudrun Köberle, die er 1972 lieben lernte und später in Las Vegas heiratete, ist Heini Köberle viel gereist, hat für den Rollstuhlsport geworben und bei Seminaren in den USA und Japan Vorträge über Motivation trotz Behinderung und über Nachwuchsgewinnung im Sport gehalten. Der Nachwuchs lag ihm am Herzen. Sprint-Weltmeister Marc Schuh vom Team des Olympiastützpunkts Metropolregion Rhein-Neckar ist einer seiner Schützlinge.

Heini hat die ganze Welt kennengelernt und ansonsten ein ganz normales und erfülltes Leben geführt“, weiß Hennes Lübbering, der allerdings auch miterleben musste, wie sehr der fröhliche, lebens- und unternehmungslustige „Freund Heini“ in den letzten fünf Jahren unter den Folgen der Parkinsonschen Krankheit leiden musste.

Heini Köberle wird am heutigen Samstag um 10 Uhr auf dem alten Friedhof in Ziegelhausen verabschiedet.