Donnerstag, 24. März 2022

Grand Slam für Frankreich

Über den Endstand im Sechs-Nationen-Turnier 2022

Eineinhalb Jahre vor der Rugby-Weltmeisterschaft im eigenen Land (8. September - 28. Oktober 2023) hat sich Frankreichs Rugby-Nationalmannschaft einen Traum erfüllt. Mit 25:13 (18:6) gegen Vizeweltmeister England haben die Franzosen am Samstagabend auch das fünfte und letzte Spiel im Sechs-Nationen-Turnier 2022 gewonnen. Fünf Spiele – fünf Siege. Das ist der Grand Slam, der der XV de France zum zehnten Mal seit 1968 und zum ersten Mal seit 2010 gelungen ist. Eigentlich ist es sogar ein Golden Slam, denn die drei Weltranglistenspiele zuvor hatte die Mannschaft von Trainer Fabien Galthié auch gewonnen: Gegen Argentinien mit 29:20, gegen Europameister Georgien mit 41:15 und gegen Neuseeland mit 40:25. Können die Franzosen auch Weltmeister werden?

 

In diesem Sechs-Nationen-Turnier haben sie jedenfalls ihre Fans begeistert. Jean-Claude Baqué (Toulouse), der langjährige Präsident des Europäischen Rugby-Verbandes, sprach am späten Samstagabend gegenüber der RNZ von „einer reifen, großartigen Leistung“ und einem „durch das ganze Turnier hindurch verdienten Sieg“.

 

Die siegreichen Spieler um den erneut fantastischen Kapitän und Gedrängehalb Antoine Dupont suchten im überschäumenden Glück eher nach Worten und wehrten alle Gedanken an 2023 ab. Dupont legte in einem lange hart umkämpften Spiel beim Stande von 18:13 in der 61. Minute den entscheidenden Versuch zum 23:13 und war erneut „Man of the match“. Die Franzosen gewannen zu Recht, weil sie durch Gael Fickou, François Cros und Dupont drei Versuche erzielten, England durch Freddie Stewart nur einen.

 

Irland eroberte durch einen 26:5 (14:5)-Sieg über Schottland den zweiten Platz im Abschlussklassement und hatte sich im Turnierverlauf nur im Stade de France mit 24:30 geschlagen geben müssen. Irland hat viele gute junge Spieler entwickelt und hat Chancen auf das WM-Viertelfinale.

 

Wochenlang haben sich die sieglosen, aber von Spiel zu Spiel besser gewordenen Italiener anhören müssen, dass man sie aus dem Turnier entfernen und stattdessen Weltmeister Südafrika einladen solle. Nach Italiens 22:21-Sieg in Cardiff gegen Wales sind diese Stimmen leiser geworden.

Eine blitzsaubere Leistung

Über den 34:25-Sieg der deutschen Rugby-Nationalmannschaft gegen die Schweiz

Die deutsche Rugby-Nationalmannschaft hat am Samstag im vierten Spiel der Europameisterschafts-Division 2 (Trophy) ihren zweiten Sieg errungen und wird die Saison – wann auch immer – in der oberen Tabellenhälfte beenden. Gegen die kampfstarke, aber spieltechnisch unterlegene Mannschaft der Schweiz revanchierte sich die deutsche Fünfzehn für die bittere 20:33-Niederlage vom Februar 2020 in Heidelberg und feierte vor rund 1000 Zuschauern im Sportzentrum Martinsee in Heusenstamm einen – zeitweise glanzvoll – herausgespielten 34:25 (19:15)-Sieg. Wann das ausstehende Heimspiel in Neckarsulm gegen die Ukraine stattfinden kann, ist völlig ungewiss. In Heusenstamm solidarisierten sich beide Mannschaften mit ihren vom Krieg geschädigten Kameraden. Während sie die Nationalhymnen sangen, trugen die Schweizer gelbe und die Deutschen hellblaue T-Shirts.

 

„Ich habe mich über diese Leistung sehr gefreut“, sagte Nationaltrainer Mark Kuhlmann (Heilbronn) nach einer eindrucksvollen Demonstration unbändigen Angriffsschwungs und nach sechs zwingend herausgespielten Versuchen, die mit Szenenapplaus belohnt wurden. Kuhlmanns Spieler befolgten den Rat ihres Trainers, das Spiel mit jedem eroberten Ball schnell zu machen, um die Schweizer zu ermüden und Punkte zu sammeln. Das gelang besser als erhofft. Schon in der ersten Halbzeit waren nach weiten Passangriffen drei blitzschnell herausgelaufene Versuche durch Leo Wolf, Edoardo Stella und Luke Wakefield, Kuhlmanns „Man of the match“, notiert wurden, von denen Schlussmann Stella im eiskalten, böigen Wind zwei erhöhen konnte.

 


Allerdings passierte auch, was einem jungen und hin und wieder zu übermütigen Team im Überschwang des Erfolges passieren kann: Mancher waghasig-weite Pass wurde von einer Bö erfasst oder unpräzise abgefeuert, so dass die aufmerksamen Eidgenossen mit zwei Versuchen ihres flinken Eckdreiviertels Hugo Malyon konterten, der diese Bälle aus den Angriffen herausfing und freie Bahn ins deutsche Malfeld hatte. Der 19:15-Pausenstand war viel knapper als der Spielverkauf, der von den „Schwarzen Adlern“ gekonnt diktiert wurde.

 

Nach dem Seitenwechsel packten die Deutschen drei weitere Versuche durch Sturmpfeiler Paul Schüle und die beiden eingewechselten Stürmer Tyrell Williams und Nicolas Rinklin drauf, gegen die die Schweizer machtlos waren. Das Team des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV), das das Zeug hat, in der Saison 2022/23 den Spitzenplatz anzusteuern, spielte nun weniger wild, sondern sicherte seinen Sieg durch eine kampfstarke, kontrollierte und dennoch sehr ansehnliche Leistung. Schön ist für das Trainerteam mit den beiden Heidelberger Assistenten Lars Eckert und Kehoma Brenner, dass alle acht eingewechselten Akteure sofort im Bilde waren und kein Bruch im Spiel entstand. Die Aufbauarbeit trägt Früchte.

 

Deutschland: Edoardo Stella (SC Frankfurt 1880) - Felix Lammers (SC Neuenheim), Leo Wolf (SC Frankfurt 1880), Luke Wakefield (SC Neuenheim, 78. Lukas Deichmann/SC Frankfurt 1880), Zinzan Hees (RK Heusenstamm) - Niklas Hohl (München RFC, 52. Tobias Apelt/RK Heusenstamm), Oliver Paine (SC Neuenheim, 60. Jan Piosik/Hannover 78) - Justin Renc (TSV Handschuhsheim), Oliver Stein (München RFC, 60. Nicolas Rinklin/SC Neuenheim), Robert Lehmann (SC Neuenheim) - Timo Vollenkemper (SC Neuenheim), Hassan Rayan (SC Frankfurt 1880, 25. Tyrell Williams/TSV Handschuhsheim) - Paul Schüle (TSV Handschuhsheim, 68. Felix Martel/TSV Handschuhsheim), Alexander Biskupek (SC Neuenheim, 41. Mathis Blume/Berliner RC), Jörn Schröder (Kapitän/Heidelberger RK, 75. Daniel Wolf/SC Frankfurt 1880).

 

Schweiz: Vincent - Malyon, Cariat, Hirsch (79. O’Grady), Meyer - Porcher, Perrod - Kane, Lin (Kapitän), Vögtli - Fabbri, Rohrig - Vial (78. Xhemaili), Pelsy (78. Ronza), Gorman (70. Ducommun).

 

Schiedsrichter: Visser; Seitenrichter: Wright, van Faasen (alle Niederlande); Delegierter: De Mascarenhas Gaivao (Luxemburg); Zuschauer: 1000; Punkte: 0:3 (13.) Straftritt Perrod; 5:3 (17.) Versuch Leo Wolf; 12:3 (20.) Versuch + Erhöhung Stella; 12:8 (23.) Versuch Malyon; 19:8 (29.) Versuch Wakefield + Erhöhung Stella; 19:15 (34.) Versuch Malyon + Erhöhung Perrod; 24:15 (50.) Versuch Schüle; 24:18 (54.) Straftritt Perrod; 29:18 (74.) Versuch Williams; 34:18 (76.) Versuch Rinklin; 34:25 (80.) Versuch Meyer + Erhöhung Perrod; Zeitstrafe: -/Hirsch (49.).

 

Bildtext

 

Im Fluge passt der deutsche Kapitän Jörn Schröder den Rugbyball an den omnipräsenten Flankenstürmer Justin Renc, der nur knapp vor der Mallinie gestoppt wurde. Foto: Jürgen Keßler

Montag, 14. März 2022

Nun hält Frankreich alle Trümpfe in der Hand

Nach dem vierten Spieltag des Sechs-Nationen-Turniers

Frankreich oder Irland? Nur diese beiden Mannschaften können das Sechs-Nationen-Turnier der führenden europäischen Rugbyteams nach dem vierten und vorletzten Spieltag noch gewinnen. Die Entscheidung wird am 19. März 2022 um 21 Uhr im Stade de France fallen, wenn Tabellenführer Frankreich (18 Punkte) den abgeschlagenen Vizeweltmeister England (10) empfängt. Die Franzosen können zwar beobachten, wie ihr schärfster Verfolger Irland (16) um 17.45 Uhr in Dublin gegen Schottland (10) spielt, doch zählt für die „XV de France“ von Cheftrainer Fabien Galthié nun nicht nur der Turniersieg. Das Team von Kapitän Antoine Dupont möchte auch das fünfte Match und damit den Grand Slam gewinnen.

 

Nach den drei Spielen der vierten Runde darf man den Franzosen zutrauen, auch England zu schlagen. Bei ihrem 13:9 (10:9)-Erfolg am Freitagabend in Wales haben die Franzosen aufgrund der ungeheuren Kampfkraft der „Roten Drachen“ zwar nicht so brillant aufspielen können wie in den drei Spielen zuvor, als ihnen 13 Versuche gelungen waren. Diesmal sah man auch Vorwürfe, ein paar Fehlpässe und Ballverluste in Kontaktsituationen, doch spielentscheidend waren zwei Faktoren: Der einzige Versuch des Spiels gelang dem Toulouser Flankenstürmer Anthony Jelonch nach einem Superangriff in der neunten Minute, und danach ließ die Defensive der Franzosen außer drei Straftritten von Dan Biggar überhaupt nichts Schädliches zu. Genau jene Akteure, die sonst für brillanten Angriffswirbel sorgen, warfen sich diesmal den anstürmenden Walisern entgegen und verteidigten ihr Malfeld unerschrocken – auch mit ein bisschen Glück, das den Tüchtigen zusteht: Allen voran der kleine Dupont, aber auch Romain N’Tamack, Gael Fickou, Yoram Moefana und Gabin Villiere rissen die größten Waliser zu Boden. So reichten eine Erhöhung und zwei Straftritte von Melvyn Jaminet (Perpignan) zum Sieg.

 

In Irland hat der St. Patrick’s Day (17. März), das alljährliche gewaltige landesweite Besäufnis, schon am Samstag begonnen, als die Mannschaft des englischen Trainers Andy Farrell im „Home of Rugby“ in Twickenham mit 32:15 (15:9) gewann und die Engländer in der letzten Viertelstunde uralt aussehen ließ. 15:15 stand es bis zur 66. Minute, ehe die Grünen um den 36-jährigen Spielmacher Johnny Sexton einen Angriffsorkan entfachten.

 

Klar, dass England seinen Zweite-Reihe-Stürmer Charlie Ewels nach einer Minute und 22 Sekunden durch Platzverweis wegen Kopfstoßens verlor, spielte eine Rolle. Aber zum wiederholten Male ist den Erfindern des Rugbyspiels auch kein Versuch gelungen, denn alle Punkte buchte Marcus Smith, der in Manila geborene 22-jährige schmale Verbindungshalb der Londoner Harlequins. Irland aber erzielte mit vier Versuchen durch Außen James Lowe, Schlussmann Hugo Keenan und die Stürmer Jack Conan und Finlay Bealham sogar den offensiven Bonuspunkt. Sextons zwölf Kickpunkte sicherten den Sieg ab.

 

Italien machte bei seiner 22:33 (10:19)-Niederlage in Rom gegen Schottland das beste Spiel seit Jahren. Der 22-jährige aus Grenoble stammende Außendreiviertel Ange Capuozzo wurde 20 Minuten vor Schluss eingewechselt und legte bei seinem Debüt in der 67. und 80. Minute mal hurtig zwei Versuche. Da hatte Italiens neuseeländischer Trainer Kieran Crowley, als Schlussmann All Black Nummer 848, ein Juwel entdeckt.

 

Tabelle nach dem 4. Spieltag: 1. Frankreich 18 Punkte; 2. Irland 16; 3. England 10 (+17); 4. Schottland 10 (-12); 5. Wales 6; 6. Italien 0.

Freitag, 11. März 2022

Die „Häfler“ mit den stärkeren Nerven

 Über das deutsche Volleyball-Pokalfinale 2022

Der VfB Friedrichshafen beherrscht eine Sache sehr gut. Die „Häfler“ gewannen am Abend des 6. März 2022 zum 17. Mal das Endspiel des deutschen Volleyball-Pokals und haben sich damit für den europäischen CEV-Cup qualifiziert. In der Mannheimer SAP Arena siegten die Männer vom Bodensee in einem spannenden Match gegen ihren Dauerherausforderer SV Gellersen Lüneburg mit 3:1 (25:20, 17:25, 26:24, 25:23) Sätzen und feierten einen „glücklichen Sieg“, wie ihr montenegrinischer Außenangreifer Vojin Cacic einräumte.

 

Denn die „Lünehünen“, die zum dritten Mal nach 2018 und 2019 gegen Friedrichshafen verloren und den 8,5 Kilogramm schweren dunkelgrau-goldenen DVV-Pokal aus Aluminiumguss noch nie berühren durften, waren gleichwertig und haben den vierten Satz mit dem zweiten Matchball der Baden-Württemberger nur deshalb verloren, weil ihnen nach einer 17:12-Führung die Herrschaft über ihre Nerven entglitt und eine Reihe Eigenfehler passierten, die das Spiel nach zwei Stunden und 20 Minuten entschieden.

 

Als DVV-Präsident René Hecht, der den Verzicht seiner Nationalmannschaft auf die Teilnahme an der Weltmeisterschaft im August und September 2022 in Russland verkündet hatte, und Thomas Weikert, der Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB), die Siegerehrung gemeinsam durchführten, war die Arena in gelbes und hellblaues Licht getaucht, und wie vor dem Endspiel erhoben sich die 3425 Zuschauer von den Sitzen, um ihre Sympathie mit dem ukrainischen Volk zu bekunden. „Stop it, Putin! Wir gegen Krieg“ stand auf einem Transparent, das junge Organisatorinnen telegen vor der Sponsorenwand enthüllten – leider wird der russische Diktator gestern den Livestream aus Mannheim nicht verfolgt haben.

 

Bei dieser Siegerehrung war Mark Lebedew, der 54-jährige australische Trainer des VfB Friedrichshafen, ein froher Mann. Denn seine Mannschaft hat den Titel gewonnen, obwohl ihr ungewöhnlich viele Fehler von der Grundlinie unterliefen, womit Lüneburgs deutlich kleineres Team immer wieder aufgebaut wurde. Vojin Cacic und Simon Hirsch donnerten fast jeden Aufschlag ins Netz, und hätten nicht Andri Aganits, Dejan Vincic und Lucas van Berkel überragend geschmettert und geblockt, hätte der Außenseiter gewonnen. Friedrichshafen – das sind 13 Spieler, von denen nur vier für Deutschland spielen dürfen, das sind acht Mann mit über zwei Metern Länge.

 

Bei Lüneburg, das den zweiten Satz mit begeisternden Angriffsvariationen klar gewann und in den Durchgängen drei und vier nicht schlechter war, begeisterte der 22-jährige brasilianische Außenangreifer Arthur Nahm seinen Trainer Stefan Hübner (46), doch die erfahreneren Teamkameraden patzten in der entscheidenden Phase zu oft.

 

Wo großer Lärm ist und mitreißende Stimmung herrscht, ist Frank Schuhmacher am Werk. Der ehemalige Stadionsprecher des SV Sandhausen und Moderator des LBS-Cups auf der Neckarwiese ist seit zwölf Jahren Hallensprecher beim MTV Stuttgart und heizte gemeinsam mit dem Mainzer Paul Becker die Fans in der Arena an. Das schwäbische Damenteam gewann ein Bundesliga-Nachholspiel gegen den VC Wiesbaden mit 3:1 (18:25, 25:13, 25:16, 25:20) und vergrößerte den Vorsprung auf Dresden auf elf Zähler. Wegen zu vieler Coronavirus-Erkrankungen in Dresdens Team war das Pokalfinale der Frauen abgesetzt worden.

 

Der Finale wurde zum siebten Mal in Mannheim ausgetragen, erneut ganz vorzüglich von rund 50 Volleyballern des Heidelberger Turnvereins organisiert. „Wir waren seit Freitag im Einsatz, haben zehn Ballkinder zwischen 13 und 16 Jahren und viele Aktive als Helfer gestellt“, berichtete Dr. Christian Urbanek (44) vom HTV, der im richtigen Leben als Oberarzt für Neurologie am Ludwigshafener Klinikum wirkt und nach getaner Arbeit völlig entspannt war.