Sonntag, 27. Februar 2022

Zauberhafte Franzosen

Über den dritten Spieltag im Sechs-Nationen-Turnier

 

Drei Spiele, drei Siege. Das ist die Zwischenbilanz der französischen Rugby-Nationalmannschaft im Sechs-Nationen-Turnier der führenden europäischen Teams. Bei ihrem in dieser Klarheit unerwarteten 36:17 (19:10)-Sieg in Schottland zeigte die Mannschaft von Trainer Fabien Galthié eine fantastische Leistung.

 

Die „XV de France“ war im Angriff mit sechs Versuchen kaum zu bremsen, überzeugte aber auch durch eine ausgeklügelte Team-Verteidigung, die den von ihrer Schirmherrin Prinzessin Anne unterstützten Brave Hearts nur zwei Versuche durch den debütierenden 22-jährigen Flankenstürmer Rory Darge von den Glasgow Warriors und den aus Südafrika stammenden 26-jährigen Außendreiviertel Duhan van der Merwe gestattete, der im englischen Worcester ebenfalls ein Warrior ist.

 

Die Franzosen, die am 20. November 2021 beim 40:25-Heimsieg über Neuseeland schon einmal dieses Niveau erreicht hatten, erinnern mit ihrer Handlungsschnelligkeit, ihrem Spielwitz und ihrer technischen Brillanz an die Vizeweltmeister von 1987 und begeistern ihre Fans wie damals Serge Blanco, Philippe Sella, Denis Charvet oder Didier Cambérabéro – sie trauen sich etwas zu, und weil sie etwas wagen, gelingt ihnen auch (fast) alles. Sie haben keine Schwachpunkte im Team und beherrschen das Mouvement Général in Perfektion – jeder Spieler ist technisch und taktisch in der Lage, sich in jeder Position wohlzufühlen.

 

Nach acht Minuten startete Kapitän Antoine Dupont (Toulouse) einen Konterangriff, der zum ersten Versuch durch Zweite-Reihe-Stürmer Paul Willemse aus Heidelbergs Partnerstadt Montpellier führte. Die fünf weiteren Versuche legten Außendreiviertel Yoram Moefana (Bordeaux), Innendreiviertel Gael Fickou (Racing 92 Paris), dessen Nebenmann Jonathan Danty (Stade Français Paris) und Außendreiviertel Damien Penaud (2/Clermont-Ferrand).

 

In Twickenham hatte sich der königliche Nachwuchs mit Kate, William und George eingefunden, um Frankreichs nächste Gegner Wales (am 11. März in Cardiff) und England (am 19. März im Stade de France) zu begutachten. Die Engländer legten nur einen Versuch durch Sturmführer Alex Dombrandt (Harlequins London), hatten in dessen Vereinskameraden Marcus Smith aber einen perfekten Kicker: Sechs Straftritte ergaben 18 Punkte. Wales erzielte drei Versuche durch Außen Josh Adams (Cardiff), Innen Nick Tompkins (Saracens London) und Gedrängehalb Kieran Hardy (Llanelly), schaffte durch Dan Biggar (Northampton) aber nur vier Kickpunkte. So siegte England mit 23:19.

 

Irland eroberte mit einem 57:6 (24:6)-Sieg über Italien den zweiten Tabellenplatz und profitierte dabei von der frühen Verletzung des Azzurri-Haklers Gianmarco Lucchesi (9. Minute) und einer Roten Karte für dessen Ersatzmann Hame Favia (19.). Einer außerordentlich merkwürdigen Regel zufolge mussten die Italiener mit 13 gegen 15 Mann spielen, was zu einem langweiligen Spiel führte. Irland erzielte neun Versuche, sechs wurden erhöht. Mit fairem Sport hatte das nichts mehr zu tun. 

Samstag, 12. Februar 2022

Medaillen aus dem IAT

 Über die olympischen Erfolge der deutschen Schlittenfahrenden

Wir Nordbadener dürfen auf unsere Erfinder und Ingenieure stolz sein. Nein, liebe Waldhof-Buben, Carl Benz hat nicht Euer Stadion entworfen, sondern das erste Automobil gebaut. Seine Mannheimer Kollegen Karl von Drais und Heinrich Lanz sind die Erfinder des Fahrrads und des Traktors – vieles, was die Menschen flott voranbringt, haben Kurpfälzer geschaffen.

 

Das Sportgerät, auf dem deutsche Olympioniken in Peking besonders erfolgreich sind, ist wohl keine deutsche Erfindung. Schlitten wurden in waldreichen Gegenden der nördlichen Hemisphäre schon im Mittelalter zum Transport von Brenn- und Bauholz und erjagten Tieren verwendet, in Nordeuropa sind Hundeschlitten als Fortbewegungsmittel bis heute beliebt. Der aus hellem Holz gezimmerte und mit eisenbeschlagenen Kufen versehene Schlitten, mit dem Kinder bis in die 1970-er Jahre hinein das „Bückele“ auf der Heidelberger Neckarwiese hinunterrutschten und vor Begeisterung kreischten, wird in der Fachwelt als „Davoser Rodel“ bezeichnet, hat aber mit den Flitzern, auf denen die Deutschen schon vier Mal Gold gewonnen haben, nicht viel gemein.

 

Die Olympia-Schlitten, die auch beim Bauchplatscher-Rodeln (Skeleton) und in anderer Bauweise beim Bobfahren benutzt werden und weiteres Gold, Silber und Bronze bringen könnten, stammen auch nicht aus der Schweiz, sondern wurden von Ingenieuren, die mindestens so findig wie Benz, Drais und Lanz sind, im IAT entwickelt. Das Institut für Angewandte Trainingswissenschaft der Universität Leipzig treibt Forschung für den Leistungssport, ist Partner des Deutschen Olympischen Sportbundes und wird vom Bundesministerium des Innern großzügig gesponsert. Es wäre also nur anständig, wenn die siegreichen Athleten eine Kopie ihrer Medaille zu den Forschern nach Sachsen schicken würden, die ihnen den Erfolg ermöglicht haben.

 

Die deutschen Schlittenfahrenden sind seit Jahrzehnten die erfolgreichsten Olympiasporttreibenden. Das ist sehr erfreulich – allerdings ist auch die Konkurrenz kleiner. Denn gerodelt wird nicht in arg vielen Ländern. Die 35 Teilnehmer im Einsitzer-Wettbewerb der Männer kamen aus 21 Nationen, im Teamwettbewerb Mixed waren 14 Schlitten am Start.

 

Wie man ganz ohne Ingenieurshilfe, aber mit Lust am Laufen, ungeheurem Speed und purer Lebensfreude, Medaillen sammelt, hat eine namhafte Italienerin bewiesen: Die römische Eisschnellläuferin Francesca Lollobrigida (31), die in Peking Silber über 3000 Meter holte, war schon fünfmal Weltmeisterin und zehnmal Weltbeste im Inline-Skating auf der Straße und begeisterte Millionen Fernsehzuschauer ebenso wie ihre 94-jährige Großtante Gina in jüngeren Jahren.

 

Die berühmte Schauspielerin, die unseren Vorfahren als „Sexsymbol des italienischen Kinos“ galt, hatte 1956 für die Hauptrolle in „Die schönste Frau der Welt“ einen Golden Globe erhalten. Heute schaut man nicht mehr auf Äußerlichkeiten, das wäre politisch unkorrekt. Doch Francesca ist nicht nur schnell, sondern auch hübsch. Und das ist nicht sexistisch gemeint, sondern ein Kompliment!


Sonntag, 6. Februar 2022

Der Calcutta Cup bleibt in Schottland

 Über den ersten Spieltag des Sechs-Nationen-Turniers 2022

Bundee Aki, der im neuseeländischen Auckland geborene 31-jährige erste Innendreiviertel der irischen Rugby-Nationalmannschaft, hat am Samstag in der dritten Spielminute den ersten Versuch im Sechs-Nationen-Turnier 2022 gelegt. Die Iren zeigten zum Auftakt des seit 1883 ausgetragenen Turniers eine fantastische Leistung, bezwangen den Titelverteidiger Wales im mit knapp 52 000 Zuschauern ausverkauften Aviva-Stadion in Dublin mit 29:7 (10:0) Punkten und verdienten sich mit insgesamt vier Versuchen auch den offensiven Bonuspunkt.

 

Außer Aki legten Rechtsaußen Andrew Conway (2) und Innendreiviertel Garry Ringrose Versuche für die Grünen von Trainer Andy Farrell, Spielmacher Johnny Sexton buchte mit drei Erhöhungen und einem Straftritt neun Punkte, hatte bei böigem Seitenwind aber auch drei Fehlkicks. Vier Minuten vor Schluss erzielten die mit vielfachem Ersatz angetretenen Waliser durch Flankenstürmer Taine Batham ihren Ehrenversuch, den Callum Sheedy erhöhte. Schon in den Champions Cup-Spielen der letzten Wochen hatten die walisischen Teams Schwächen gezeigt und Verletzungen beklagt. Sie haben alle zwölf Spiele verloren.

 

Der Einstand von Kate, der Herzogin von Cambridge, als Schirmherrin der Rugby Football Union ist misslungen. Denn Vizeweltmeister England verlor auf dem Murrayfield in Edinburgh vor 67 500 Zuschauern den kämpferisch begeisternden Schotten mit 22:17 (10:6). Schottlands Fünfzehn, im Stadion von ihrer Patronin Anne, der Herzogin von Edinburgh, unterstützt, gewann damit zum zweiten Mal in Folge den Calcutta Cup, der alljährlich zwischen diesen beiden Teams ausgespielt wird.

 

Bei ausgeglichenem Spielverlauf und englischer Feldüberlegenheit fiel eine Vorentscheidung beim Stande von 10:17 in der 66. Minute, als der in starke Bedrängnis geratene englische Hakler Luke Cowan-Dickie (28) den ovalen Ball mit den Fingerspitzen beider Hände absichtlich ins Seitenaus beförderte, was im Rugby eine so schwerwiegende Verfehlung ist wie die Mattenflucht im Ringen. Der neuseeländische Schiedsrichter Ben O’Keeffe verhängte eine Zehn-Minute-Strafe gegen Cowan-Dickie und erkannte auf Strafversuch für Schottland – diese sieben Punkte bedeuteten den Ausgleich in der 66. Minute. Es war eine harte, aber regelkonforme Entscheidung.

 

Und als Spielmacher Finn Russell in der 72. Minute mit einem Straftritt das 20:17 herstellte, hatte er seinen achten Punkt erzielt und das Spiel gegen die in Unterzahl agierenden Engländer entschieden. Die hatten in dem in Manila auf den Philippinen geborenen Spielmacher Marcus Smith (22) ihren einzigen Punktesammler. Der kleine Flinke von den Londoner Harlequins legte einen Versuch, traf mit der Erhöhung und verwandelte vier Straftritte. Das war großartig, gejubelt haben aber Anne und ihre Brave Hearts.

 

Erster Tabellenführer ist der Vorjahreszweite Frankreich, der mit dem 37:10 (18:10)-Sieg über Italien im gut gefüllten Stade de France ebenfalls einen offensiven Bonuspunkt eroberte. Die fünf Versuche erzielten Linksaußen-Leichtgewicht Gabin Villière (3/RC Toulon), Flankenstürmer Anthony Jelonch (Stade Toulousain) und Rechtsaußen Damien Penaud (AS Montferrand-Auvergne). Schlussmann Melvyn Jaminet (USA Perpignan) buchte mit zwei Erhöhungen und zwei Straftritten zehn Punkte. Romain N’Tamack, der wie zehn andere Franzosen Corona-negativ getestet worden war, brachte eine Erhöhung ins Ziel. Italien kämpfte gut und kam zu einem Versuch durch Außen Tommaso Menoncello (Benetton Treviso) und zu fünf Kickpunkten durch Paolo Garbisi (RC Montpellier).


Brücken werden keine gebaut

 Claus-Peter Bach schreibt an Thomas Bach

Lieber Thomas,

bitte gestatten Sie, dass ich Sie in nordbadischer Verbundenheit mit dem Vornamen anrede. Vielleicht erinnern Sie sich, dass das früher unter Sportsleuten üblich war. Ich bin glücklich, dass wir Sie am Freitagmittag wieder einmal im deutschen Fernsehen bewundern durften. Viel zu lange hatte ich Sie vermisst und sogar schon um Ihre Gesundheit gebangt!

 

Wir waren gerührt, als Sie uns als Ihre „lieben olympischen Freundinnen und Freunde“ begrüßten, und mein Papagei hüpfte freudig in seinem Käfig herum, als Sie uns sogar mit „Exzellenzen“ angeredet haben: „Das wäre nicht nötig gewesen“, krächzte er und schwieg ergriffen, als Sie sich an die Chinesinnen und Chinesen wandten, die Ihnen – ich zitiere Sie jetzt wörtlich – „einen warmen Empfang bereitet“ und dazu dicke Winterjacken angezogen haben. Sie sagten, sie hätten „das Gefühl, hier zu Hause zu sein“, nicht mehr in Tauberbischofsheim oder der steuerlich günstigeren Schweiz, nein, in Peking, wo Ihnen Ihre Freunde Ji, Recep und Wladi herzlich applaudierten.

 

Winterspiele in Peking, wo es höchst selten schneit, sind etwas Besonderes. Auch deshalb, weil Ihre Geschäftspartner ein paar hundert Schneekanonen dorthin liefern durften, obwohl es eigentlich verboten ist, Waffen in Diktaturen zu exportieren. Mein Papagei vermutet, dass Sie mit Ihren friedliebenden Freunden von der FDP abgesprochen haben, dass die auf laute Proteste verzichten; sie sind ja ein Anhänger der stillen Diplomatie und freuen sich auf ein Kaffeekränzchen mit Frau Peng Shuai.

 

Dass Sie in Ihrer Eröffnungsrede, tadellos ohne jedes „äh“ und „ähm“ vorgetragen, kein Wort über Frau Peng, die eingesperrten Uiguren und so abstrakte Begriffe wie Menschenrechte und Medienfreiheit verloren haben, mussten wir Ihnen angesichts Ihrer knappen Redezeit nachsehen. Da in ein paar Jahren 300 Millionen Menschen in Peking Wintersport treiben sollen, war es sinnvoller, die Schönheit und Völker verbindende Kraft Olympias zu rühmen, an die außer Ihnen leider nicht mehr viele Menschen glauben. Ein Herr von Human Rights Watch nannte Sie einen „Lügner“. Das war eindeutig zu grob.

 

Einige Ihrer schönsten Hoffnungen werden kaum in Erfüllung gehen: An den Wettkampfstätten werden keine 100 Millionen die Athleten anfeuern, nicht einmal 100 Millionen Schneeflocken gibt es dort. Brücken zwischen den Gastgebern und den Gästen werden keine gebaut, denn sie dürfen sich nicht begegnen. Und die Freiheit der Medien konnte Ihr IOC nur einen halben Tag lang garantieren, ehe ein niederländischer Journalist bei der Arbeit behindert wurde.

 

Arg enttäuscht ist mein Papagei, dass keine Nordkoreaner teilnehmen. Nachdem Sie vor vier Jahren so liebevoll um Ihren Freund Kim und dessen Schwester herumscharwenzelt waren, hätten wir das schon erwartet.

 

Genießen Sie dennoch den Frieden während der Spiele. Er wird halten. Ganz gewiss! 2014 hatte Wladi die Krim erst geraubt, als das Olympische Feuer in Sotschi erloschen war.

 

Ich grüße Sie herzlich!

Ihr Namensvetter aus Nordbaden (nicht verwandt oder verschwägert).