Montag, 6. Juni 2022

Sportdirektor Robert Mohr auf dem Gipfel Europas

Über den Sieg von La Rochelle im Rugby Champions Cup 2022

 Stade Rochelais-Atlantique heißt der neue Champions Cup-Sieger im europäischen Rugby. Die Mannschaft des irischen Trainers Ronan O’Gara (45), des deutschen Sportdirektors Robert Mohr (44) und des Kapitäns Gregory Alldritt gewann am 28. Mai 2022 das Endspiel im Vélodrome von Marseille gegen den viermaligen Cupsieger Leinster RFU mit 24:21 (7:12) Punkten und sicherte sich den ersten Meistertitel überhau

Der 1898 gegründete Verein aus der 75 000 Einwohner zählenden Hafenstadt am Atlantik ist erst 2010 mit dem hannoverschen Kapitän Robert Mohr in die französische Top-14-Liga aufgestiegen und eroberte nun seinen ersten großen Titel. Am letzten Spieltag der Saison 2021/22 siegte La Rochelle bei Lyon Olympique mit 26:29 und hat sich mit 71 Punkten als Tabellenfünfter für das Viertelfinale der französischen Meisterschaft qualifiziert, in dem Titelverteidiger Stade Toulousain (ebenfalls 71 Punkte) der mächtige Kontrahent sein wird.

Ich sprach mit dem 33-maligen deutschen Nationalstürmer Robert Mohr, der aus dem VfR Döhren und DSV von 1878 Hannover hervorgegangen ist und seine aktive Laufbahn nach sehr erfolgreichen Jahren in Frankreich 2016 als mehrfacher deutscher Meister beim Heidelberger Ruderklub ausklingen ließ. Mohr war Sportdirektor der Wild Rugby Academy, Teamchef der deutschen Nationalmannschaft in der Division 1 der Europameisterschaft und Leiter der Talentschmiede bei Stade Français Paris, ehe er nach La Rochelle zurückkehrte und nun seine dritte Saison als Sportchef mit dem Europapokal krönte. Seine Ehefrau Karina und die beiden Kinder lebten bis 2021 in Dossenheim, ehe sie ebenfalls an den Atlantik übersiedelten.

Herr Mohr, können Sie schon wieder sprechen?

Ich werde mir Mühe geben, denn die Feier war hart, wirklich hart.

La Rochelle ist als Außenseiter nach Marseille gereist, nachdem Leinster den Titelverteidiger Toulouse im Halbfinale mit 40:17 abgefertigt hatte. Nun sind Ihrem Team 3:0 Versuche gelungen. Hat Sie das überrascht?

Nein, wir wussten, dass wir gut sind. Wir haben uns nie als Außenseiter gefühlt und uns über diese eindeutige Einschätzung der Fachleute gewundert. Wir hatten die Iren schon einmal deutlich besiegt. Wenn man deren Ergebnisse dieser Saison betrachtet, fällt auf, dass sie nur in Dublin großartig aufspielen konnten. Wir waren sicher, dass Ronan O’Gara einen guten Plan haben würde, sie zu schlagen.

Ihre Mannschaft hat keinen Versuch zugelassen. Alle 21 Punkte Leinsters resultierten aus Straftritten von Jonathan Sexton (6) und Ross Byrne (1).

Ja, unsere Verteidigung war der Schlüssel zum Sieg. Wir haben alle Attacken abgewehrt und selbst drei Versuche gelegt. Viele Experten hatten behauptet, La Rochelle habe einen Supersturm und sonst nichts. Doch im Endspiel haben unsere Außendreiviertel Raymond Rhule und Arthur Retière, dann auf der Position des Gedrängehalbs, zwei Versuche gelegt, Retière gelang in der vorletzten Minute die Entscheidung.

Sie sind am Sonntag nach La Rochelle zurückgekehrt...

Das ist unvergesslich. Wir wurden in einem offenen Bus in den Hafen eskortiert, wo wir von 35 000 Fans empfangen wurden. Unsere Familien und alle Mitarbeitenden des Vereins haben uns auf einem Schiff erwartet, wo wir die größte Partie gefeiert haben, die die Region Charentes-Maritime je erlebt hat. Ich hatte ja schon zwei dieser Empfänge erlebt: 2010 nach dem ersten Aufstieg in die Top 14, als ich Mannschaftskapitän war, und 2014 nach dem Wiederaufstieg. Schon damals war die Begeisterung der Fans groß, aber diesmal war die halbe Stadt aus dem Häuschen.

Beschreiben Sie mal Ihre Sieger?

Ronan und ich haben die Mannschaft im letzten Sommer deutlich verändert. Es ist nun eine ideale Mischung aus Eigengewächsen und Weltklassespielern, es sind 42 Mann voller Ehrgeiz. Jede Position haben wir doppelt sehr gut besetzt. Bei Einwechslungen wird unser Team jedenfalls nicht schwächer. Im Finale mussten wir leider die verletzten neuseeländischen All Blacks Victor Vito als Flankenstürmer und Tewara Kerr-Barlow als Gedrängehalb ersetzen, das war kein Problem. Ich finde, dass die von Anfang an eingesetzten Matthias Haddad und Thomas Berjon ausgezeichnet gespielt haben. Matthias ist 21 und in La Rochelle geboren, Thomas erst 24. Beide haben sich mit dieser Leistung den Erfolg verdient.

Ein Teil Ihrer Europapokalsieger wird La Rochelle im Sommer verlassen: Dany Priso, Jéremy Sinzelle, Arthur Retière, Ihaia West, Wiaan Liebenberg, Facundo Bosch und Victor Vito, auch Jules Plisson und Ramiro Herrera, suchen neue Herausforderungen. Wie geht es dann weiter?

Zunächst wollen wir ins Viertelfinale der Top 14 kommen und dann Meister werden. Das ist doch klar! Ronan und ich arbeiten aber schon am neuen Kader, der genauso groß sein und mit der gleichen Philosophie gebildet sein wird: Junge Kräfte aus unserer Akademie spielen mit Weltklassespielern zusammen. Das ist La Rochelle 2022/23.

Das Team hinter den Siegern: Sportdirektor Robert Mohr (Mitte), Vorstandsvorsitzender Pierre Venayre (links), Sturmtrainer Romain Carmignani (rechts), der 2016 Deutschland betreut hatte, und Dreivierteltrainer Sébastien Boboul (unten). Foto: Braus

 

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