Sonntag, 6. Februar 2022

Brücken werden keine gebaut

 Claus-Peter Bach schreibt an Thomas Bach

Lieber Thomas,

bitte gestatten Sie, dass ich Sie in nordbadischer Verbundenheit mit dem Vornamen anrede. Vielleicht erinnern Sie sich, dass das früher unter Sportsleuten üblich war. Ich bin glücklich, dass wir Sie am Freitagmittag wieder einmal im deutschen Fernsehen bewundern durften. Viel zu lange hatte ich Sie vermisst und sogar schon um Ihre Gesundheit gebangt!

 

Wir waren gerührt, als Sie uns als Ihre „lieben olympischen Freundinnen und Freunde“ begrüßten, und mein Papagei hüpfte freudig in seinem Käfig herum, als Sie uns sogar mit „Exzellenzen“ angeredet haben: „Das wäre nicht nötig gewesen“, krächzte er und schwieg ergriffen, als Sie sich an die Chinesinnen und Chinesen wandten, die Ihnen – ich zitiere Sie jetzt wörtlich – „einen warmen Empfang bereitet“ und dazu dicke Winterjacken angezogen haben. Sie sagten, sie hätten „das Gefühl, hier zu Hause zu sein“, nicht mehr in Tauberbischofsheim oder der steuerlich günstigeren Schweiz, nein, in Peking, wo Ihnen Ihre Freunde Ji, Recep und Wladi herzlich applaudierten.

 

Winterspiele in Peking, wo es höchst selten schneit, sind etwas Besonderes. Auch deshalb, weil Ihre Geschäftspartner ein paar hundert Schneekanonen dorthin liefern durften, obwohl es eigentlich verboten ist, Waffen in Diktaturen zu exportieren. Mein Papagei vermutet, dass Sie mit Ihren friedliebenden Freunden von der FDP abgesprochen haben, dass die auf laute Proteste verzichten; sie sind ja ein Anhänger der stillen Diplomatie und freuen sich auf ein Kaffeekränzchen mit Frau Peng Shuai.

 

Dass Sie in Ihrer Eröffnungsrede, tadellos ohne jedes „äh“ und „ähm“ vorgetragen, kein Wort über Frau Peng, die eingesperrten Uiguren und so abstrakte Begriffe wie Menschenrechte und Medienfreiheit verloren haben, mussten wir Ihnen angesichts Ihrer knappen Redezeit nachsehen. Da in ein paar Jahren 300 Millionen Menschen in Peking Wintersport treiben sollen, war es sinnvoller, die Schönheit und Völker verbindende Kraft Olympias zu rühmen, an die außer Ihnen leider nicht mehr viele Menschen glauben. Ein Herr von Human Rights Watch nannte Sie einen „Lügner“. Das war eindeutig zu grob.

 

Einige Ihrer schönsten Hoffnungen werden kaum in Erfüllung gehen: An den Wettkampfstätten werden keine 100 Millionen die Athleten anfeuern, nicht einmal 100 Millionen Schneeflocken gibt es dort. Brücken zwischen den Gastgebern und den Gästen werden keine gebaut, denn sie dürfen sich nicht begegnen. Und die Freiheit der Medien konnte Ihr IOC nur einen halben Tag lang garantieren, ehe ein niederländischer Journalist bei der Arbeit behindert wurde.

 

Arg enttäuscht ist mein Papagei, dass keine Nordkoreaner teilnehmen. Nachdem Sie vor vier Jahren so liebevoll um Ihren Freund Kim und dessen Schwester herumscharwenzelt waren, hätten wir das schon erwartet.

 

Genießen Sie dennoch den Frieden während der Spiele. Er wird halten. Ganz gewiss! 2014 hatte Wladi die Krim erst geraubt, als das Olympische Feuer in Sotschi erloschen war.

 

Ich grüße Sie herzlich!

Ihr Namensvetter aus Nordbaden (nicht verwandt oder verschwägert).

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