Samstag, 5. Juni 2021

Die Körpersprache ist schon titelreif

Über die Fußball-Nationalmannschaft kurz vor der EM

Besser, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, geht es nicht! Das erste und vorletzte Vorbereitungsspiel auf die Fußball-EM hat meinem Papagei und mir so gut gefallen, dass wir den Vorrundenprüfungen gegen die Franzosen, Portugiesen und Ungarn nun ebenso gelassen entgegensehen wie die deutschen Spieler, die 13 Tage vor dem Match gegen den Weltmeister alles zeigten, was im modernen Fußball wichtig ist.

 

Da wäre die Körpersprache: Kimmich, Gnabry, Hummels, Süle und ihre Spielkameraden zeigten über 90 Minuten so breite Brüste, dass sie an das Orang Utan-Männchen Kembali erinnerten, das der Frankfurter Zoo aus Frankreich importiert hat und das meinem Papagei und mir von „Giraffe, Erdmännchen & Co.“ vorgestellt wurde. Mehr Selbstbewusstsein geht nicht, weshalb sich die Dänen während der ersten Halbzeit kaum über die Mittellinie trauten.

 

Auch für das Spielelement Kommunikation gab’s eine glatte Eins. Natürlich hat sich die Mitwirkung von „Radio Müller“ sofort positiv ausgewirkt, doch auch die anderen Spieler riefen sich ständig so viele Informationen zu, dass Joachim Löw sich überhaupt nicht einmischen musste. Da jeder viel zu sagen hatte, fragte mein Papagei in der Halbzeitpause: „Wer ist da eigentlich der Chef?“ Es ist der eher stille Torwart Manuel Neuer, der auch das Kopfballspiel beherrscht.

 

Großartig war die Harmonie im deutschen Team, zu dem man außer den Spielern auch die Trainer und das Kommentatoren-Duo von RTL zählen darf. Der neue Verhaltenskodex des DFB schreibt offenbar vor, dass niemand – auch nicht die Leute vom Fernsehen – schlecht über das DFB-Personal reden darf. Als sich während der zweiten Halbzeit die sinnfreien Flanken auf den dänischen Torwart häuften und Joachim Löw seinem Assistenten Marcus Sorg ein paar Worte zum Mitschreiben ins Ohr flüsterte, raffte sich der RTL-Experte Steffen Freund zu einer ganz und gar unbotmäßigen Frage auf: „Ist das jetzt eigentlich ein gutes Spiel?“ – „Was der sich traut! Wie renitent!“, schimpfte mein Papagei und befürchtet, dass Löw, wenn er das Spiel überdacht und sich frisch eingecremt hat, diesen frechen „Experten“ aus dem EM-Aufgebot streichen wird.

 

Das Match war schon ziemlich alt, als sich die deutschen Spieler endlich, endlich daran erinnerten, dass Sport allen Beteiligten Spaß und Freude bereiten soll. Deshalb ließen die Abwehrspieler flugs mal einen Ball zu Yussuf Poulsen durchflitzen, der mit dem 1:1 dafür sorgte, dass auch die Dänen einen herrlichen Abend erlebten. Joachim Löw machte im Interview einen gelösten Eindruck und hatte allen Grund dazu. Seine Elf hat besser gespielt als beim 0:6 gegen Spanien – das ist doch was, 13 Tage vor der ersten EM-Mutprobe.

 

Dass das Toreschießen noch nicht so gut klappt, ist nicht weiter tragisch, schließlich kommt es beim Fußball unserer Tage auf andere Dinge an: Auf die Körpersprache, die Kommunikation, die Harmonie und den Spaß an der Freude.

 

Mein Papagei und ich freuen uns sehr auf die EM-Generalprobe gegen Lettland, finden es aber echt blöd, dass Bayerns Ministerpräsident Markus Söder es vor lauter Corona-Interviews ganz vergessen hat, Robert Lewandowski einzubürgern. Der wüsste, wie man Tore schießt, wird das aber leider weiterhin für Polen tun. Da hat der „Kanzlerkandidat der Herzen“ wirklich krass versagt.

 

Claus-Peter Bach am 5. Juni 2021 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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