Donnerstag, 16. August 2018

Über die Transfersummen im Fußball

Fast so teuer wie ein Stadion

Wer in Paddington Station den Intercitybesteigt und London gen Westenverlässt, kann in zwei Stunden im Cardydd Canolog sein. Der Zug fährt nicht über Mainz und hält nur selten, zum Beispiel in Reading, wo kürzlich Daniel Williams hinausgehüpftist. Der Karlsruher Bub hat das Paradies in Zuzenhausen verlassen und sucht sein Fußballer-Glück nun in der Kleinstadtan der Bahnlinie nach Cymru.

Cymru ist gälisch und heißt in der Sprache der dort ungeliebten Engländer Wales. Früher gab’s dort nur Bergwerke, Schafe und Rugby, heute bietet zumindest die Hauptstadt Cardydd (Cardiff) mehr. Vom Canolog (Hauptbahnhof) bummelt man durchmalerische Straßen, das Auge erfreut sich an gepflegten Parks, wie Heidelberg sie früher auch hatte, und die alte englische Mär, dass in Wales die Schafe hübscher seien als die Mädchen, hat meinen Papagei schon immer empört. Das Opernhaus hat Weltstars wie den hochdramatischen Sopran Dame Gwyneth Jones aus Pontnewynyddund den mächtigen Bariton Bryn Terfel aus Pant Glas im County Gwyneddhervorgebracht. Vor der Markthalle,die an die alten Pariser Hallenerinnert, ist das Bronzestandbild des Sir Gareth Edwards ein beliebtes Fotomotiv. Edwards hatte die „Roten Drachen“, das Rugby-Nationalteam, in den 1970-er Jahren zum Hattrick im Fünf-Nationen-Turnier geführt und war Spielmacher der British and Irish Lions, einer Nationalspieler Auswahl mit den Stars aus England, Schottland, Cymru und Gesamt-Irland.

 Gareth Bale aus Cymru
 
Das Schärfste an Cymru sind aber seine Prinzen! Der gegenwärtige Regent Charles ist bekannt geworden, weil er die liebliche Diana verschmähthat und in seiner Freizeit mit Blumen und Sträuchern plaudert. Thronfolger William ist, wenn man das Lächeln seiner Gattin Kate richtig interpretiert, in jeder Hinsicht perfekt.

 Wir fassen zusammen: Wales ist eingepflegter Landstrich mit einer hübschen Hauptstadt, lustigen Prinzen, einem Castle, das weniger zusammengerumpeltist als das Heidelberger Schloss (weil es der Franzmann nie bis dorthin geschafft hat), Mädchen, die auf jeden Fall viel hübscher sindals Schafe, und einem Rugbyteam, das bei der WM 2011 im Halbfinale war.
Und Fußball? Diese Frage, lieber Leser, darf man in Cymru niemandem stellen, man würde ausgelacht. Das Nationalteam steht in der Weltrangliste auf Platz 46. Natürlich gab es vor vielen, vielen Jahren mal diesen Ian Rush aus Flint, der – Sie werden sich erinnern, liebe Leserin – ganz genauso aussah wie „James Bond“ Daniel Craig, aber im Dienste des FC Liverpool229 Tore erzielte. Zur gleichen Zeit hütete Neville Southall aus Llandudno 578-mal das Tor des FCEverton, erzielte aber kein Tor. Daswar’s dann aber schon mit der Fußball-Herrlichkeit Cymrus, das nureinmal (1958) an einer WM teilnehmen durfte und im Viertelfinale an PelesBrasilianern scheiterte (0:1).

 Und nun das! Wie aus dem Nichtsschoss Gareth Bale in die Schlagzeilen,wofür er selber freilich wenigkann. Denn die 100 Millionen Euro, diedie Tottenham Hotspurs für seinen Abschied kassiert haben, zahlt ja nichtder 24-jährige Renner aus Cardiff,sondern Real Madrid. Die „Königlichen“haben eine gewisse Erfahrungdarin, besonders viel Geld auszugeben,wenn sie besonders wenig haben.

Das Millennium Stadium in Cardiffmit seinem wundervollen Schiebedachhat 1999 knapp 150 MillionenEuro gekostet. Nur ein Drittel davonhat die Nationale Lotterie übernommen.
100 Millionen, den Wert des FußballersBale, hat die Welsh Rugby Unionvon Privatleuten und Firmen ausaller Welt erbettelt, weshalb es dortzum Beispiel einen Dankstein für den keineswegs wohlhabenden HeidelbergerMarko Protega gibt.

 In Wales versteht niemand, warumjemand für einen Fußballer 100 Millionenbezahlt. Es ist so verrückt, „dasswir es auch nicht verstehen müssen“, findet mein Papagei.

(Linksaußen am 9. September 2013)

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