Mittwoch, 29. August 2018

Die 1. European Championships in Berlin und Glasgow

Die Heimat der Champions

 Nur wenige Wochen nach dem Amtsantritt des neuen Sportministers ist die Welt für die deutschen Athleten, Trainer und Fachverbände fast wieder in Ordnung. Horst Seehofer ist in bayerischen Bierzelten ein bejubelter Kraftmeier, die von ihm geförderten Sportler haben in den Arenen von Berlin und Glasgow sowie im kühlen Nass des Loch Lomond mehr Medaillen gesammelt als sein heillos überforderter Vorgänger Thomas de Maizière je zu erträumen gewagt hatte.

Mit einem schiefen Vergleich an den Olympischen Spielen 2016 in Rio gemessen, haben sich die Beckenschwimmer von null auf acht Plaketten gesteigert, die Leichtathleten haben ihre Bilanz um 633 Prozent (3 auf 19) verbessert. De Maizière hatte durch die Spitzensportreform nur 30 Prozent mehr Medaillen haben wollen, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein. „Was macht der Minister nun mit so viel Edelmetall?“, fragt mein Papagei und glaubt eigentlich kaum, dass Seehofer der Frau Bundeskanzlerin eine glitzernde Kette schmieden lässt.

Edelmetall für die Kurpfalz

Der Samstagabend in Berlin mit Gold für MalaikaMihambo und Mateusz Przybylko, Silber für Nadine Müller und Bronze für ShaniceCraft hat die älteren Leichtathletik-Fans an den Goldenen Sonntag von München 1972 erinnert, als Hildegard Falck über 800 m, Bernd Kannenberg im 50 km Gehen und Klaus Wolfermann im Speerwurf an einem Nachmittag drei Olympiasiege gefeiert hatten. Das Berliner Publikum trug die Athleten zu diesen Erfolgen – wie am Donnerstag, als die Heidelbergerin Bettina Augenstein den Speerwurf-Triumph von Thomas Röhler und Andreas Hofmann miterleben durfte. Die Staffel-Europameisterin von 1994 in Helsinki, die damals mit „Hipp, Zipp, Hurra!“ gefeiert wurde, war einer Einladung des Deutschen Leichathletik-Verbandes (DLV) für die Champions früherer Jahre gefolgt und hat – 24 Jahre danach! – ihre Kameradinnen Melanie Paschke, Silke Knoll und Silke Lichtenhagen, die mit 42,90 Sekunden gewonnen hatten, „sofort wiedererkannt.“

„Bettina ist noch immer auf Zack“, findet mein Papagei, nachdem die Verwaltungsangestellte des Olympiastützpunkts Rhein-Neckar schon am Samstag wieder daheim war, um im Weinheimer Sepp-Herberger-Stadion die SGK Heidelberg mit ihrem Sohn Moritz anzufeuern. Sie tat das temperamentvoll wie immer, aber vergeblich. Kirchheim, ohne Moritz, verlor.

Die Kurpfalz ist wieder – auch dank der guten Leistungen von Hannah Mergenthaler und Nadine Gonska über 4x400 m – eine Hochburg der Leichtathletik, Baden-Württemberg ist es dank Arthur Abele (Gold im Zehnkampf), Marie-Laurence Jungfleisch (Bronze im Hochsprung) und den Topplatzierungen von Alina Reh über 10 000 Meter (5.) und Johannes Vetter im Speerwurf (4.) wieder. Das ist auch das Resultat einer langfristig angelegten und planmäßigen Leistungsförderung nach dem Solidarpakt III zwischen Politik und Sport, von der andere Bundesländer nur träumen können. Im Spitzensport ist es wichtig, dass Verbände, Trainer und Athleten langfristig planen, in Ruhe trainieren und testen und ohne Existenzangst arbeiten können. „Angst lässt Speere nicht weit fliegen“, weiß mein Papagei.

Insofern ist es erfreulich, dass Horst Seehofer im Einklang mit den Haushalts- und Sportausschüssen des Deutschen Bundestages die von seinem Vorgänger verantwortete Blockade der Reform blitzschnell aufgehoben und dem Sport rund 23 Millionen Euro Mehrmittel gewährt hat. Damit können nun die Trainer besser bezahlt, der Kampf gegen das Doping verstärkt und die duale Karriere der Athleten gefördert werden. Für Berlin und Glasgow konnte die bessere Ausstattung zwar noch nichts bewirken, doch im Sport muss sich Seehofer weder als „Totengräber“ noch als „Terrorist“ oder „Rassist“ beschimpfen. Hoffentlich bleibt das so.
 
(Linksaußen am 13. August 2018)

 
 

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