Mittwoch, 23. Dezember 2020

Kommt der vom Titicacasee?

 Über Fußball im ZDF 

Mein Papagei, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, gehört nicht zu jenen Geschöpfen, für die früher alles besser war. Er hat sich am Freitagabend neugierig auf die Couch gekuschelt, um die „Eiserne Union“ in ihrem Kampf gegen Dortmund zu beobachten. Das ZDF, eine mit satten Zuschauergebühren unterstützte öffentlich-rechtliche Anstalt, hatte sich dazu durchgerungen, ein Bundesligaspiel live zu übertragen. Das ist selten, nachdem der Volkssport Fußball mit Bezahlsendern paktiert und auf sein ganz großes Publikum des Geldes wegen verzichtet.

 

Mein Papagei war entzückt, dass Béla „Rauchzart“ Réthy am Mikrofon Platz nahm, er ist beim ZDF-Fußball die Nummer eins im Stall und beherrscht etwas, wofür die jüngeren Kolleginnen und Kollegen den 64-Jährigen beneiden sollten: Er weiß, dass Fernsehen nicht Radio ist und kann den Sport auch mal zwei Minuten lang schweigend genießen. Nachdem Réthy gefühlt 15-mal angemerkt hatte, dass der BVB-Torjäger Erling Haaland (20) wegen Verletzung nicht mitwurschteln könne, schwieg er eine Weile und nannte Haalands Vertreter (16) in der 56. Minute erstmals beim richtigen Namen: Ja, Youssoufa Moukoko heißt der Kleine, nicht Moukaku und auch nicht Moukaka, und er stammt auch nicht vom Titicacasee, wie mein südamerikanischer Papagei vermutet hatte, sondern aus Yaoundé. Das liegt in Kamerun.

 

In der zweiten Halbzeit, als der Nationalstürmer Marco Reus nach nur einem Schuss aufs Tor und wenigen Ballkontakten beleidigt vom Feld schritt, wurden auf unserem Sofa doch Erinnerungen an die Reporter früherer Jahre wach. Die mussten zwar nicht Youssoufa Moukoko sagen, waren aber trotzdem Koryphäen.

 

Zum Beispiel Harry Valérien († 2012 mit 88) oder Joachim Sniegocki (84), die Trainern live im ZDF auch mal kritische Fragen zu stellen wagten. Oder Hartmann von der Tann (77) aus Villingen, der außer jedem Kicker auch jedes Pferd im Lande kannte und nach Bundestagswahlen amtierende Bundeskanzler in der „Elefantenrunde“ darum bat, sich in der Öffentlichkeit anständig zu benehmen. Oder Adolf Furler († 2000 mit 67 nach einer missglückten Bandscheiben-Operation) und der Luxemburger Ernest Rodolphe Huberty (93). Huberty wurde „Mister Sportschau“ genannt und erfand, stets selig lächelnd, das „Tor des Monats“, Furler den „Traber des Jahres“; Reus hätte gute Siegchancen.

 

Der Regensburger „Domspatz“ Manfred Vorderwülbecke (80) genießt seinen Lebensabend in Südafrika, wo seine Tochter als Meeresbiologin wirkt, und Hans-Joachim Rauschenbach († 2010 mit 87) ist auch deshalb in Erinnerung, weil er in einer Sportschau-Moderation behauptet hatte, auf zehn schlechte Schiedsrichter käme ein guter und weil er sich auch im Eiskunstlaufen auskannte. Über die Schweizer Läuferin Karin Iten hatte er gesagt: „Wer als Zwiebel geboren ist, kann nicht wie eine Rose blühen.“

 

So unmöglich würde sich Béla Réthy nie äußern. Da schweigt er lieber.

 

Claus-Peter Bach am 21. Dezember 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Sonntag, 20. Dezember 2020

Abschied von Dieter Schröder

Nachruf auf einen Rugby-Nationalspieler

Abschied von Dieter Schröder

 

Dieter Schröder ist tot. Der 10-malige Rugby-Nationalspieler des TSV Handschuhsheim verstarb am 4. Dezember nach kurzer schwerer Krankheit im Alter von 79 Jahren. Der gebürtige Handschuhsheimer lebte seit vielen Jahren mit seiner Familie in Eberbach, wo er mit seiner Ehefrau Ruth die Bahnhofsbuchhandlung führte.

 

Dieter Schröder genoss in der TSG 78 Heidelberg eine gründliche Ausbildung als Leichtathlet und war badischer Jugendmeister über 800 und 1000 Meter. Beim Blick über den Sportplatzzaun entdeckte er das Rugbyspiel und schloss sich den TSV-Löwen an, mit denen er drei Mal ins Endspiel der deutschen Meisterschaft einzog. Beim 0:17 gegen 08 Ricklingen 1960, beim 3:11 gegen Odin Hannover 1963 und beim 6:8 gegen Hannover 78 im Frühling 1968 in Stuttgart gelang allerdings kein Titelgewinn – der Norden war damals einfach zu stark.

 

Mit 17 Jahren bestritt Dieter Schröder, ein Flankenstürmer, der weite Wege rennen und hart verteidigen konnte, und ein ebenso kampfstarker wie eleganter Innendreiviertel, ein Junioren-Länderspiel in Newport gegen Wales (0:8), ehe er in vier Spielzeiten in die deutsche Männer-Nationalmannschaft berufen wurde. Wertvollstes Ergebnis war am 15. April 1962 in Hannover ein 14:6-Sieg gegen Spanien, als Schröder neben Martin Ritter von der Rudergesellschaft einziger Heidelberger im Nationalteam war. Bemerkenswert gute Ergebnisse erzielten Schröder und seine Teamkameraden auch 1962 in Berlin mit 11:13 gegen Italien und 1963 in Frankfurt/Main mit 9:16 gegen Frankreich. Auch ein 42:6-Sieg in den Niederlanden, errungen 1961 in Breukelen, würde der Nationalmannschaft unserer Tage gut schmecken.

 

Mit seinen drei vorzüglichen Länderspielen gegen Italien hatte Dieter Schröder internationales Interesse geweckt, ein Angebot, als Profi in das Land zu wechseln, in dem Zitronen blühen, lag vor. Weil Dieter Schröder in einem Spiel der badischen Oberliga gegen den Heidelberger Ruderklub einen Schienbeinbruch erlitt, blieb er als Amateur in der Heimat.

 

Nach seiner Rugby-Laufbahn spielte Dieter Schröder begeistert Tennis in Eberbach und gründete eine Rugby-Familie. Sohn Roman spielte ebenfalls für den TSV Handschuhsheim, Tochter Nicole heiratete den TSV-Auswahlspieler Alexander Bung.

 

Claus-Peter Bach am 15. Dezember 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung