Sonntag, 15. September 2024

Keine sorgenfreie Saison für die KTG

Heidelbergs Kunstturner verloren ihren ersten Wettkampf gegen Koblenz mit 24:54

Den Sommer über haben die Verantwortlichen der KTG Heidelberg von einer sorgenfreien Saison 2024 in der 2. Kunstturn-Bundesliga Nord geträumt. Dieser Traum, so ist nach der 24:54-Niederlage im ersten Wettkampf gegen die KTV Koblenz zu befürchten, wird wohl nicht wahr werden. Die Heidelberger waren vor 150 Zuschauern in Kirchheim chancenlos, die Niederlage zeichnete sich bereits beim 4:23-Zwischenstand nach dem zweiten Gerät ab und stand nach dem 9:36 zur Halbzeitpause fest.

„Koblenz zählt nicht zu den Gegnern, die wir unbedingt schlagen müssen. Koblenz ist ein Titelanwärter“, sagte KTG-Trainer Daniel Morres. „Wir werden uns in den nächsten Wettkämpfen steigern. Heute waren wir deutlich unterlegen“, stellte der KTG-Vorsitzende Professor Henning Plessner fest, der das Positive herausstrich: „Mir haben die Übungen von Leon Wendt und Thorben Krebs gefallen.“

Die beiden Turner sind nach mehrjähriger Pause in die Riege zurückgekehrt. Leon Wendt (22) turnte einen Fünfkampf, holte am Boden (2), Sprung (5) und Barren (3) zehn Scorepunkte und war damit bester Heidelberger. 13,20 Punkte am Boden und 13,90 Punkte nach dem Sprung waren die verdienten Noten der Kampfrichter. Thorben Krebs (24) war der einzige Heidelberger, der den Zweikampf mit Vinzenz Haug am Pauschenpferd mit 11,70:11,55 und 1:0-Scorepunkten gewann.

Das Seitpferd, von den Heidelbergern schon immer wenig geliebt, wurde diesmal zum Waterloo. Ricards Plate musste zweimal absteigen, Karl-Ole Gäbler unterlag Louis Heil mit 9,50:11,10 oder 0:4, und der an einer Verletzung an der linken Schulter laborierende Leon Wendt konnte nicht seine vollständige Übung zeigen und wurde von den Kampfrichtern regelkonform mit 0:10 Scorepunkten bestraft. 1:18 Scorepunkte an diesem Gerät warfen die KTG weit zurück, zumal auch das Bodenturnen mit 3:5 verloren gegangen war. Joel Schauwienold (20) turnte sehr nervös und landete während seiner Übung drei Mal auf dem Hosenboden. Die Note 5,05 wäre auch in einem Schulzeugnis bedenklich.

Mit großer Vorfreude sahen die Zuschauer dem Debüt des neue Gastturners Ricards Plate entgegen. Der 21-jährige lettische Nationalturner soll den japanischen Ausnahmeathleten Tomoya Kashiwagi, dessen neuer Verein KTV Ries am nächsten Samstag in die 2. Liga Süd starten wird, ersetzen. Plate, der perfekt Englisch spricht und ein angenehmer Gesprächspartner ist, stellte sich wenige Monate nach einer Schulteroperation zwar mit sicheren, stilistisch überzeugenden und akkurat geturnten Übungen an fünf Geräten vor, wagte allerdings noch nicht alle von ihm beherrschten Höchstschwierigkeiten und erntete durch ein 12,30:12,05 gegen Louis Heil beim Bodenturnen und ein 12,75:12,20 gegen Heil am Barren nur vier Scorepunkte. Ohne Kashiwagis zwischen zehn und 20 Scorepunkten pro Wettkampf wäre die KTG in der letzten Saison sicher abgestiegen…

Zum von Henning Plessner erwähnten Positiven zählten auch die 5:0 Scorepunkte, die Lorenz Steckel gegen Julian Räk an den Ringen erturnte, die gute Leistung von Jan-Ole Fischer (10,70/3 Scorepunkte) am Reck und die Tatsache, dass der frühere deutsche Jugendmeister und neue Trainer Daniel Morres ein erfreuliches Comeback am Königsgerät hatte. Bester Turner des Nachmittags war der Italiener Lorenzo Galli, der mit einem Sechskampf 18 Punkte für Koblenz eroberte.  

Montag, 2. September 2024

Als die Leichtathletik-Welt auf Heidelberg blickte

Zur Erinnerung an Kurt Bendlin, der 1967 im Uni-Stadion einen Zehnkampf-Weltrekord aufstellte

Der Begriff „Klimawandel“ war am 13. und 14. Mai 1967 noch nicht geläufig, doch herrschten im Stadion der Universität Heidelberg im Neuenheimer Feld 33 Grad Celsius im Schatten. Das war den besten deutschen Zehnkämpfern, die Bundestrainer Friedel Schirmer drei Jahre nach dem Olympiasieg Willi Holdorfs (Bayer Leverkusen) in Tokio zu einem Leistungstest eingeladen hatte, gerade Recht. Denn die Hitze verringerte das Verletzungsrisiko, gute Leistungen waren erwartbar, weshalb am ersten Wettkampftag rund 500 Leichtathletik-Freunde und am zweiten Tag gut 1500 Zuschauer auf der neu errichteten Tribüne Platz nahmen – unter ihnen ein Sextaner aus dem Bunsengymnasium, der von seinem jungen Sportlehrer Eberhard Bucke neugierig auf Zehnkampf gemacht worden war.

Die leitenden Kampfrichter Harald Schmidt und Bruno Vogt vom Badischen Leichtathletik-Verband waren nicht so streng, und auch die Organisatoren Roland Vierneisel als Leichtathletik-Abteilungsleiter des USC Heidelberg und Peter Knebel gestatteten den jungen Fans jederzeit, nah bei den Athleten zuzuschauen. So saß der Sextaner fünf Stunden lang an der Barriere zur Stabhochsprung-Anlage und holte sich einen tüchtigen Sonnenbrand. „Du hättest halt eine Kappe aufziehen sollen“, gab Lehrer Bucke montags einen guten Rat – das war zu spät.

Peter Knebel, damals 25 und heute 82 Jahre alt und 1967 erst seit kurzem Dozent am Heidelberger Sportinstitut, wirkte auch als Stadionsprecher und bemühte sein bestes Hochdeutsch, um die Zuschauer mit Zeiten, Höhen, Weiten und Punkten korrekt zu informieren. „Als ich am zweiten Tag sagte, dass es vielleicht eine Weltbestleistung werden könnte, haben mich die älteren Heidelberger arg gelöchert: Warum eine Weltbestleistung und kein Weltrekord?, fragten viele Zuschauer“, erinnert sich Peter Knebel: „Dabei gibt es Weltrekorde doch erst, wenn der Weltverband eine Weltbestleistung offiziell anerkannt hat.“

Von Anfang an zeigte der aus Westpreußen stammende und für Leverkusen startende Kurt Bendlin, der 1965 erstmals deutscher Meister geworden war, starke Leistungen. Der 24-jährige Student der Deutschen Sporthochschule Köln, der 1966 zwei Meniskusoperationen zu verkraften hatte, verbesserte sich über 100 Meter um 0,2 auf 10,6 Sekunden und sprang 7,55 Meter weit, ehe er einer frischen, im Krafttraining erlittenen Schulterverletzung Tribut zollen musste und im Kugelstoßen mit 14,50 Metern um 1,57 Meter unter seinen Möglichkeiten blieb. Außerdem, so sagte Kurt Bendlin 2017 zur RNZ, habe ihn beim Stoßen „das unangenehme Surren einer SWR-Kamera gestört.“ Im Hochsprung schaffte er 1,84 Meter im ersten Versuch, folgte aber wegen des Verletzungsrisikos dem guten Rat von Trainer Bert Sumser und Olympiasieger Willi Holdorf und verzichtete auf weitere Sprünge.

Nach 47,9 Sekunden über 400 Meter und 4214 Punkten nach fünf Disziplinen waren die Fans aufgeregt, und die Medien rochen die Sensation. Auf Sumsers Wunsch brachte Knebel den führenden Athleten in der Gutsschänke im Grenzhof unter, während alle anderen Sportler im Hotel Kurfürst nahe der Stadtbücherei nächtigten, wo auch die neugierigsten Reporter ihr Lager aufgeschlagen hatten. „Der Berichterstatter einer großen Boulevard-Zeitung hat mir 100 Mark geboten, wenn ich ihm verraten würde, wo Kurt Bendlin ist. Aber ich habe dichtgehalten“, lächelt Peter Knebel – 100 Mark wären für einen jungen Familienvater im zweiten Berufsjahr ein leckeres Zubrot gewesen…

So durfte Kurt Bendlin ruhig schlafen und ab fünf Uhr auf dem Dorfplatz seine Gymnastik und ein paar Speerwurfübungen absolvieren, so dass er mit 14,8 Sekunden über 110 Meter Hürden – seiner vierten Bestleistung – ausgeruht und bärenstark in den zweiten Tag starten konnte. Es folgten 46,31 Meter mit dem Diskus und für ihn eher schwache 4,10 Meter im Stabhochsprung. Mit 74,85 Metern im Speerwerfen erwies sich Kurt Bendlin als ebenso nervenstark wie über 60 Jahre später der Mainzer Weltmeister Niklas Kaul, und im 1500-m-Lauf hielt er die Konkurrenten Werner Graf von Moltke und Hans-Joachim Walde sicher in Schach.

8319 Punkten waren neuer Weltrekord und 89 Punkte mehr als die bisherige Bestmarke des US-Amerikaners Russ Hodge. Von weiteren Muskel- und Sehnenverletzungen gebeutelt, erreichte der neue „König der Athleten“ dieses Leistungsniveau nie mehr. Bei den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko-City gewann Kurt Bendlin hinter Bill Toomey (8193 Punkte) und dem Mainzer Hans-Joachim Walde (8111) mit 8064 die Bronzemedaille.

Am 29. August ist Kurt Bendlin, Deutschlands zweiter Zehnkampf-Weltrekordler nach Heinrich Sievers (Eutin, 1934, 7900 Punkte), im Alter von 81 Jahren in Paderborn gestorben.

Neue Athleten haben sich beworben

Die Rugby-Nationalmannschaft schlägt die Bohemia Warriors mit 43:21 – SCN besiegt die U20-Auswahl

Nach einer vermeidbaren 26:30-Niederlage vor sechs Wochen bei den Vancouver Highlanders feierte die deutsche Rugby-Auswahl im zweiten ihrer vier Vorbereitungsspiele auf die Europameisterschaft 2025 gegen das im europäischen Super-Cup beheimatete tschechische Profiteam der Bohemia Warriors einen ungefährdeten 43:21 (33:0)-Sieg. Gut 300 Zuschauer im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark genossen eine Woche vor dem Beginn der Bundesligen das schwungvolle Spiel der gut aufgelegten Auswahl, mit der die beiden Nationaltrainer Mark Kuhlmann (Heilbronn) und Lars Eckert (Heidelberg) zufrieden waren.  

Die deutsche Auswahl spielte ohne die im Ausland tätigen Profis – Zweitligist Provence mit dem Schriesheimer Julius Nostadt gewann zum Saisonauftakt mit 21:18 gegen Agen – und ohne die Akteure des deutschen Meisters SC Frankfurt 1880, der an einem Turnier im niederländischen Haag teilnahm und dafür Kuhlmanns Erlaubnis erhalten hatte. „Wir haben bekommen, was wir wollten: Spielpraxis und die Möglichkeit, viel auszuprobieren. Wir haben einige Spieler gesehen, die künftig eine Alternative für unser Nationalteam sein könnten“, sagte der 55-jährige Kuhlmann.

Seine Nationalspieler werden in den nächsten Monaten an jedem Bundesliga-freien Sonntag im Landesleistungszentrum Heidelberg zusammen trainieren und am 6. November im englischen Gloucester gegen die Auswahl der British Army sowie am 16. November in Dubai gegen das Nationalteam der Vereinigten Arabischen Emirate weitere schwere Testspiele bestreiten. In der Europameisterschaft spielen die Deutschen im Februar und März erneut in der Division 1 und treffen in der Vorrunde auf Belgien, Rumänien und Portugal. Man muss mindestens ein Match gewinnen, um eine Chance auf den Klassenverbleib zu haben.

Gegen die Bohemia Warriors zeigte die deutsche Auswahl eine tadellose erste Halbzeit. Die fünf Versuche durch die Flankenstürmer Robert Lehmann (5. Minute/SC Neuenheim) und Tim Frauenfeld (20./TSV Handschuhsheim), den Hakler Andrew Reintges (28./Heidelberger RK), den Schlussmann Alexander Brosowski (37./Hannover 78) und Außendreiviertel Wolfram Hacker (40./RG Heidelberg) sowie Brosowskis vier Erhöhungskicks ergaben den 33:0-Halbzeitstand.


Erst in der zweiten Halbzeit zeigten die vom langjährigen tschechischen Nationaltrainer Antonin Brabec betreuten Warriors gute Leistungen und erzielten 21 Punkte durch zwei Versuche des in Prag arbeitenden deutschen Gedrängehalbs Nicolas Hoyer (49., 80.), eine Erhöhung durch Schlussmann Adam Martinek und drei Straftritte durch Martin Aschenbrenner (42., 58.) sowie Lukas Braga (61.). Dem setzten die nun häufig hin und her wechselnden Deutschen noch zwei Versuche durch Wolfram Hacker und Andrew Reintges entgegen. Nach dem Schlusspfiff der sehr guten deutschen Olympia-Schiedsrichterin Maria Latos (35, Hamburg) gab es lang anhaltenden Beifall für beide Teams.

Die völlig neu zusammengestellte U20-Nationalmannschaft verlor ihr Testspiel gegen den acht Nationalspieler abstellenden deutschen Vizemeister SC Neuenheim mit 12:35 (0:21), doch machten Erste-Reihe-Stürmer David Jahn vom HRK, Innendreiviertel Lennox Wiese aus Aachen und Schlussmann Alex Lott von Hannover 78 nachhaltig auf sich aufmerksam. Jahn und Lott legten zwei Versuche, Lott erhöhte einmal.

Dem SCN gelangen fünf Versuche durch Hakler Valentin Heuser (4., 38.), die Innendreiviertel Conor Arnold (32.) und Luke Wakefield (57.) und Außendreiviertel Cieran Anderson (44.), die von Spielmacher Finn Schwager allesamt erhöht wurden. „Mit einer so guten Frühform habe ich nicht gerechnet“, gratulierte SCN-Vorsitzender Marcus Trick dem neuen Trainer Jac Benger (25.).