Serena Benavente über Diskriminierung und Rassismus in den USA und in Deutschland
Auf diese Frage zeigt Serena Benavente ihr schönstes Lächeln, und ihre Hände, mit denen sie so viele Emotionen ausdrückt, wirbeln begeistert durch die morgendlich noch kühle Luft. „Ich liebe Heidelberg! Die Altstadt, der Fluss, die Alte Brücke, das Kopfsteinpflaster, die Cafés, der Wald, die Thingstätte fürs Konditionstraining, das Radfahren. Oh, es gibt so viel Schönes hier“, ruft die beinahe übersprudelnde Basketball-Trainerin: „Heidelberg ist wirklich meine zweite Heimat. Aber Heimat ist für mich auch Kalifornien, wo meine Eltern leben und wo ich aufgewachsen bin.“
Serena Benavente wurde vor 35 Jahren in dem 34 000-Einwohner-Städtchen Seaside im Landkreis Monterey geboren. Die Eltern sind als junge Leute aus Guam, der südlichsten Insel des Marianen-Archipels im pazifischen Ozean, eingewandert. Guam hat rund 160 000 Einwohner, ist so breit wie die Strecke von Heidelberg nach Mannheim und so lang wie die Autobahn zwischen Patrick Henry Village und Karlsruhe. Es liegt irgendwo zwischen Japan, den Philippinen und Hawaii und ist ein nicht inkorporiertes Territorium der USA, hat also Seine Peinlichkeit Donald Trump als Staatsoberhaupt, aber keinen Stern auf der US-Flagge. Mutter Millie ging „mit 17, 18 Jahren zum Studium nach San José“ und ist Fitnesstrainerin, Vater Pete – ein guter Baseballspieler – hat auch studiert und wirkt als Techniker an einer Krankenpflegeschule.
Serena Benavente lebt seit elf Jahren in Heidelberg, zunächst als erste Profispielerin im Team der BasCats USC Heidelberg, seit 2017 als Co-Trainerin der Heidelberger Bundesliga-Damen an der Seite von Chefcoach Dennis Czygan und nun auch als Athletiktrainerin der MLP Academics in der 2. Bundesliga der Herren. Man sieht Serena Benavente an, dass sie nicht die Tochter eines Handschuhsheimer Landwirts und seiner Magd ist, sondern „von auswärts“ gekommen ist. Ihr Wesen ist fröhlicher als das der Kurpfälzer Ureinwohner, ihr Lächeln ist ansteckend, ihre Hände schwingen erklärend durch die Luft, sie antwortet auch auf intimere Fragen mit einer Offenheit, die große Selbstsicherheit ausstrahlt.
Wo ist Ihre Heimat?, lautete die Eingangsfrage, die ihr eine Liebeserklärung zu Heidelberg entlockt. Haben Sie in den USA oder in Deutschland jemals Diskriminierung erlebt oder Rassismus erlitten? Serena Benavente muss nur kurz nachdenken: „Von den USA kann ich nicht sprechen, denn ich kenne eigentlich nur Kalifornien richtig gut. Die Vereinigten Staaten sind so groß. Ich war beispielsweise noch nie an der Ostküste und kann mir darüber kein Urteil bilden. Ich sehe natürlich die Fernsehbilder und weiß über die Black Power-Bewegung und #blacklivesmatter Bescheid“, erklärt die 165 Zentimeter große Sportlerin, die im Kampf mit den längsten deutschen Athletinnen als Spielmacherin der BasCats maßgeblich dafür gesorgt hat, dass der einst so starke Heidelberger Basketball gegenwärtig wenigstens eine Erstliga-Mannschaft hat.
„Meine Familie ist von Diskriminierung sicher nicht unberührt – ich persönlich weniger, aber von meinen Brüdern gibt es schon ein paar Geschichten“, deutet Serena Benavente an, dass Einwanderer aus Guam auch Benachteiligungen erfahren können, besonders dann, wenn sie im Leben und Beruf erfolgreich sind. Bruder Chris ist Luftwaffensoldat, Jonathan freiberuflicher Fotograf, dort wie hier ein harter Job. Was die Rassismus-Erfahrungen der Brüder anbelangt, möchte Serena nicht ins Detail gehen.
In Deutschland kann Serena Benavente mit ihrer 32-jährigen Freundin Toni in Ruhe und Frieden leben. Sie weiß natürlich, dass sich hierzulande Rassisten, die jahrzehntelang im Schatten gewirkt haben, mehr und mehr ans Tageslicht trauen und dass es viele rassistische Gruppen und sogar gefährlichen rassistischen Terror gibt, doch war sie von solchen Anfeindungen noch nie persönlich betroffen. Weder aufgrund ihrer Herkunft, noch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. „Anfangs war das natürlich ein bisschen kompliziert, aber wir haben einfach unser Leben gelebt und unser Privates nicht an die große Glocke gehängt. Wir sind nicht jeden Sonntag Händchen haltend durch die Hauptstraße gelaufen“, lacht Serena Benavente und fügt fast ein bisschen trotzig hinzu: „Heute machen wir das aber schon ab und zu, und wer sich daran stört, soll sich eben daran stören. Das trifft mich nicht, denn ich mache vieles mit mir selbst aus und brauche andere nicht dazu. Natürlich pflegen wir einen Lebensstil, der nicht jedem gefällt. Aber das berührt uns nicht.“
Dann lässt Serena Benavente aber wissen, dass sie gute Gespräche mit Freunden, entspannende Stunden mit Kaffee und Kuchen und den Gedankenaustausch mit liberalen Menschen durchaus sehr schätzt und genießen kann: „Ich weiß, dass es in jeder Gesellschaft faule Äpfel gibt. Deshalb versuche ich, das Beste in einem Menschen zu erkennen. Wenn ich aber überhaupt nichts Gutes entdecke, beschäftige ich mich nicht weiter damit. Anfeindungen solcher Leute wären mir egal, doch mit anderen Menschen bin ich stets zur Diskussion bereit.“
Serena Benavente ist Bachelor und Master in Kinesiologie und berät ihre Spielerinnen und Spieler in Fragen der sportlichen Lebensführung und Trainingssteuerung. Wie viel Training ist gut? Wie viel Schlaf brauche ich? Welche Ernährung ist die richtige? Welche Kraftübungen nützen mir? Welche Muskelgruppen benötigen Regeneration? – solche Themen eben. Als sich während des Gesprächs vor der „Cantina“ des Olympiastützpunkts im Neuenheimer Feld ein Rugby-Ass nähert und höflich fragt, ob Serena sich mal ein befreundetes Mädchen nicht aus dem Basketball anschauen könne, die körperliche Probleme habe, erscheint wieder dieses wunderschöne Lächeln in ihrem Gesicht. Sie sagt zu: „Das empfinde ich als Wertschätzung.“
Claus-Peter Bach am 27. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung
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Serena Benavente im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung. Foto: vaf