Über die Macht und die Finanzen des IOC
Das Internationale Olympische Komitee (IOC), das die Olympischen Sommerspiele am 24. März 2020 wegen der Coronavirus-Pandemie vom Juli und August 2020 nach reiflicher Überlegung und massiven Protesten von Athleten und Nationalen Olympischen Komitees (NOKs) aus aller Welt auf 2021 verschoben hat, ist eine ebenso mächtige wie geheimnisvolle Organisation. Das IOC ist wie der FC Basel oder Servette Genf ein Verein nach Schweizer Recht, der am 23. Juni 1894 an der Pariser Sorbonne gegründet wurde und seinen Sitz in Lausanne hat.
Erster Generalsekretär war der französische Pädagoge Pierre Baron de Coubertin, erster Präsident der Grieche Dimitrios Vikelas. Die ersten Olympischen Spiele der Neuzeit fanden 1896 in Athen statt, die Spiele 2021 in Tokio werden die 32. Sommerspiele sein. Eine Olympiade bezeichnet den Zeitraum von vier Jahren zwischen Olympischen Spielen. Seit 1924 werden auch Olympische Winterspiele ausgetragen.
Wem gehören eigentlich die Olympischen Spiele? Mit dieser Frage sowie anderen Großveranstaltungen in Kultur und Sport beschäftigt sich Professor Dr. Michael Dinkel (50/Foto: privat) an der Dualen Hochschule Baden-Württemberg in Mannheim. Dinkel hat sich mit der Struktur und den Finanzen eines Vereins befasst, in den man – anders als bei der TSG Rohrbach oder dem AC Ziegelhausen – nicht einfach eintreten kann. Das IOC hatte 13 Gründungsmitglieder, die allesamt Freunde Coubertins waren und von diesem berufen wurden. Es waren wohlhabende Sportfreunde aus elf Ländern, die so edel waren, dass sie ihre Reise- und Aufenthaltskosten bei Kongressen und Olympischen Spielen selbst trugen.
Auch gegenwärtig kann man nicht einfach zum IOC spazieren, in diesen 2019 eingeweihten 24 000-Quadratmeter-Neubau eines dänischen Architekten-Konsortiums, und die Mitgliedschaft beantragen als wäre das IOC ein Verein wie die TSG Eintracht Plankstadt. Bis heute werden neue Mitglieder von der Vollversammlung der bisherigen Mitglieder berufen. Die Zahl der IOC-Mitglieder ist auf 115 begrenzt. Auch heutzutage hat das IOC etliche Mitglieder aus dem Hochadel, manche haben gleichwohl in ihrer Jugend Sport getrieben und an Olympischen Spielen teilgenommen: Prinzessin Anne, die Herzogin von Edinburgh, 1976 im Reiten oder Fürst Albert II von Monaco, der die Konkurrenten in der Bobbahn bei fünf Olympischen Spielen zwischen 1988 und 2002 in Angst und Schrecken versetzt hatte. Fürstin Nora von Liechtenstein, Prinz Frederik von Dänemark oder Großherzog Henri von Luxemburg verleihen dem Klub der fünf Ringe ebenfalls fürstlichen Glanz.
Ehemalige Sportler bürgerlichen Geblüts sind der ukrainische Sprinter Waleri Borsow, dessen Stabhochsprung-Kollege Sergej Bubka, der französische Hürdensprinter Guy Drut, der namibische Sprinter Franky Fredericks, der kenianische Langstreckler Paul Tergat oder die kanadische Eishockeyspielerin Hayley Wickenheiser, die als einzige Kritikerin des deutschen Präsidenten Dr. Thomas Bach, einem Team-Olympiasieger von 1976 im Fechten, gilt.
Der IOC-Präsident, vier Vizepräsidenten und zehn Mitglieder werden von der Vollversammlung durch geheime Wahl in das Exekutivkomitee befördert, beim SV Waldhof heißt das Vorstand. Thomas Bach wurde 2013 für acht Jahre in das Präsidentenamt gewählt, und es besteht die Möglichkeit, dass der 66-jährige Jurist 2021 für weitere vier Jahre in seine letzte Amtszeit gehen könnte.
Das Exco koordiniert die 204 nationalen olympischen Komitees, also auch den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) und wählt die 35 internationalen Sportverbände aus, die sich zur olympischen Familie zählen dürfen.
Da die 15 Exco-Mitglieder keine Ehren-, sondern Wahlämtler sind, werden sie für ihre Mühen entlohnt. Der IOC-Präsident erhält eine Jahrespauschale in Höhe von 225 000 Euro, während die anderen Exco-Mitglieder aufgrund geringerer Verantwortung mit 6500 Euro pro Jahr zufrieden sein müssen; gewöhnliche IOC-Mitglieder werden mit 3250 Euro abgespeist. Außerdem erhalten alle IOC-Mitglieder für Sitzungen, Inspektionsreisen und den Besuch von Olympia eine Tagespauschale, wobei der An- und Abreisetag auch abgerechnet werden darf. Der Tagessatz für Exco-Mitglieder liegt bei 836 Euro, einfache IOC-Mitglieder kriegen 418 Euro – das reicht auch bei Sitzungen in der Schweiz für zwei, drei Tassen Kaffee und ein Geschnetzeltes.
Nun muss man nicht befürchten, dass das IOC, das sich als Besitzer der Olympischen Spiele fühlt und das Symbol der Ringe geschickt vermarktet, die Wettkämpfe selbst aber von den Fachverbänden und den ausrichtenden Staaten und Städten organisieren lässt, an den Reisespesen seiner Mitglieder und rund 500 Mitarbeiter zugrunde gehen könnte.
Wie Michael Dinkel aufgezeigt hat, hatte das IOC zwischen 2013 und 2016, also für die Winterspiele in Sotschi und die Sommerspiele in Rio de Janeiro, Einnahmen aus Fernsehrechten in Höhe von 4,157 Milliarden US-Dollar und aus dem Sponsorenpool Einnahmen in Höhe von 1,003 Milliarden USD. Daneben nehmen sich die Einnahmen der beiden Organisationskomitees für nationale Lizenzen (74 Millionen USD), den Verkauf von Eintrittskarten (527 Millionen USD) und eigenes Sponsoring (2,037 Milliarden USD) beinahe bescheiden aus.
Das IOC kassierte 66 Prozent der Einnahmen durch diese beiden Olympischen Spiele, behielt aber nur zehn Prozent für eigene Zwecke. „Wir stecken 90 Prozent unserer Einnahmen in die weltweite Entwicklung des Sports“, behauptet Thomas Bach. Michael Dinkel hat herausgefunden, dass das IOC aus seinen Einnahmen von Rio 1,531 Milliarden USD an das lokale Organisationskomitee und jeweils 540 Millionen USD an die 204 NOKs und die 35 Fachverbände ausgeschüttet hat.
Seit Sebastian Lord Coe dem Leichtathletik-Weltverband (World Athletics) vorsteht, wurde der IOC-Zuschuss in Höhe von 44 Millionen USD hälftig aufgeteilt. 22 Millionen USD blieben bei WA, 22 Millionen wurden an die nationalen Verbände ausgeschüttet. Der Deutsche Leichtathletik-Verband (DLV) erhält jährlich 25 000 Euro. Auch der DOSB profitiert vom IOC. Für Rio gab es einen Zuschuss in Höhe von 815 000 Euro für die Entsendung der Olympiamannschaft.
Lord Coe, der 2012 Olympia in London als OK-Chef verantwortet hatte, legte seine Bilanzzahlen bereitwillig vor. Sein OK hatte Einnahmen durch nationale Sponsoren (1,32 Milliarden Euro), Zuschauereinnahmen (413 Mio. Euro), Lizenzgebühren (82 Mio. Euro) und den IOC-Zuschuss in Höhe von 1,374 Milliarden Euro. Dem standen Organisationskosten in Höhe von 3,1 Milliarden Euro gegenüber plus 15,1 Milliarden Euro an Infrastrukturkosten, die die britischen Steuerzahler draufgelegt haben. Darunter sind natürlich auch die Sanierungskosten für die Hafen-City, die zunächst als Olympisches Dorf diente und nun in superschicken Eigentumswohnungen die Schönen und Reichen des Vereinigten Königreiches beherbergen.
Claus-Peter Bach am 30. März 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung
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