Über die Bekämpfung des Coronavirus
Anfang Dezember 2020, Sie erinnern sich sicherlich an diese wagemutige Tat, hat der bayerische Ministerpräsident den Katastrophenfall ausgerufen. Das, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, hat meinen Papagei schwer beeindruckt: „Eine so ehrliche Selbstkritik hätte ich ihm überhaupt nicht zugetraut“, lobte mein gefiederter Freund, der soeben von einer Amerika-Reise zurückgeflattert war und es deshalb zu schätzen weiß, wenn Politiker mit ihrem Volk, also mit uns, ehrlich umgehen.
In den Monaten zuvor war uns Markus Söder ein bisschen auf die Nerven gegangen. Denn kaum hatte die Frau Bundeskanzlerin mit den Ministerpräsidentinnen, Ministerpräsidenten, Regierenden und Ersten Bürgermeistern eine Schutzmaßnahme gegen das tückische Coronavirus beschlossen und verkündet, betonte der Nürnberger in München die Bedeutung seines Freistaates im Süden der Republik, verkündete abweichende Maßnahmen und untergrub damit – wie einige andere Länderchefs, die im Laufe der nächsten Monate etwas bleiben oder etwas werden wollen – Frau Merkels Autorität.
Hätte Herr Söder auf seinen vom öffentlich-rechtlichen Fernsehen servil verkündeten Sonderproblemlösungen Erfolg gehabt, würde mein Papagei brav schweigend an seinen Körnchen knabbern und Söder zu Merkels Nachfolger vorschlagen. Doch von Anfang an war Bayern ein Hotspot der Pandemie, und daran hat sich von März 2020 bis Januar 2021 überhaupt nichts geändert, obwohl in den letzten Monaten kaum noch besoffene Skisportler aus Ischgl nach Bayern eingereist sind. Auch der Zustrom eventuell infizierter Flüchtender aus dem Orient hat sich signifikant verringert – diese Menschen müssen nun in Griechenland und auf dem Balkan erfrieren und verhungern.
Wenn man der seriösen und in virologischen Fragen höchst kompetent beratenen Rhein-Neckar-Zeitung vom 16. Januar 2021 Glauben schenkt, so liegt Bayern mit 370.031 Covid-19-Infizierten unangefochten auf Platz zwei der bundesdeutschen Schlechten-Liste, schon 8515 Bayern dürfen Markus Söder nicht zum Bundeskanzler wählen, weil sie an oder mit dem Coronavirus verstorben sind. Natürlich, ganz klar: Außerhalb des Freistaates sieht es noch schlechter aus. In Nordrhein-Westfalen sind bereits 444.159 Menschen erkrankt, in den USA (wo auch ein Besserwisser regiert, aber nicht mehr lange!) sind schon 388.804 Menschen an diesem tückischen Virus gestorben. Dieses stammt mit ziemlicher Sicherheit nicht aus China, den USA, Österreich oder Bayern, denn die weltweit erste Patientin soll schon 2019 in Italien getestet worden sein – dass es sich bei dem Testbefund um das Coronavirus handelte, konnten die Virologen dort nicht erkennen – schließlich war das winzige Teufelsding neu.
Nun weiß man über das Virus aber schon recht viel, und Frau Merkel reagiert mit zunehmender Verärgerung auf die Sonderwege der in den Bundesländern Regierenden, was besonders in Bezug auf Markus Söder zu verstehen ist – schließlich ist sie Wissenschaftlerin und er nicht. Meinem Papagei sind während der Pandemie zwei Fragen aus dem Schnabel gehuscht, auf die er sich von der Politik kompetente Antworten erhofft:
Erstens: Wie kann es sein, dass es fast ein Jahr nach Beginn einer lebensbedrohenden Pandemie noch immer offenbar zahlreiche Gesundheitsämter gibt, die nicht in der Lage sind, Fallzahlen tagtäglich, an allen sieben Tagen der Woche, an das Robert-Koch-Institut zu melden? Ist es den dort arbeitenden gut bezahlten und bestens versorgten Beamten und Angestellten nicht zuzumuten, zum Schutz der bedrohten Bevölkerung Überstunden zu machen und einen funktionierenden Wochenenddienst einzurichten?
Zweitens: Wie kann es sein, dass der bedauernswert machtlose RKI-Präsident Lothar Wieler in der zweiten Jahreswoche öffentlich bedauern muss, dass wegen der Feiertage noch immer keine verlässlichen Infektionszahlen vorliegen? Gab es in den Gesundheitsbehörden auf dem Höhepunkt der Pandemie etwa Weihnachtsferien und freie Tage? Mein Papagei fragt in diesem Zusammenhang: „Wozu zahlen wir, das Volk, eigentlich Steuern, wenn der Staat uns derartig im Stich lässt?“ Als ich ihn bitte, nicht so streng zu sein, keckert er vor sich hin: „Staatsversagen!“, höre ich heraus.
Es freut uns sehr, dass die Frau Bundeskanzlerin im „Wettrennen mit dem Virus“ (Merkel) dem etwas schwächelnden Herrn Gesundheitsminister Jens Spahn zu Hilfe geeilt ist und ihre beiden schnellsten Windhunde Helge Braun und Peter Altmaier zusätzlich in den Kampf gegen Covid-19 eingespannt hat. Beide hecheln seit Tagen dem Virus hinterher und sind deshalb in den Talk Shows nicht mehr zu finden.
Kürzlich hat mein Papagei sein Gefieder gespreizt, denn er hat Herrn Söder – Sie wissen schon, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, das ist der Kühne aus dem Freistaat – bei einem klugen Gedanken erwischt. „Hört, hört!“, krächzte mein Papagei, als der Ministerpräsident im Fernsehen mit ernster Stimme eine Impfpflicht für die Werktätigen in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen vorgeschlagen hat. Ganz ehrlich, weder meinem Papagei noch mir wäre es je in den Sinn gekommen, dass es in diesem unserem Lande tatsächlich Menschen gibt, die ungeimpft morgens ihre Arbeitsplätze aufsuchen, um kranke und alte Mitmenschen zu behandeln, zu pflegen und zu versorgen. Seit Monaten wundern wir uns, warum in diesen Einrichtungen immer wieder Schutz-bedüftige Menschen erkranken, obwohl sie dort alleine sind und nicht einmal an Weihnachten von ihren Angehörigen besucht werden durften.
Wie gelangt das Virus in die Alten- und Pflegeheime? Diese Frage muss schnellstens geklärt werden. Nach Auffassung des Deutschen Ethikrates könne man niemanden zwingen, sich gegen das Virus impfen zu lassen. Ärztinnen und Ärzte, Krankenschwestern und Krankenpfleger und die all wertvollen und unersetzlichen Menschen in der Altenpflege sollten allerdings der Vernunft folgen, zwei kleine Spritzen akzeptieren und damit die Pandemie wirksamer bekämpfen als jeder denkbare Lockdown.
Zurück zu Markus Söder: Der will demnächst gemeinsam mit dem neuen CDU-Vorsitzenden Armin Laschet besprechen, welcher Unionist Kanzlerkandidat werden soll. Es ist unwahrscheinlich, dass der forsche Franke in diese Rolle schlüpfen darf. Zum einen hat er in den letzten Jahren zu oft die Sonderrolle der Bajuwaren in unserer Republik betont, weshalb man ihn nördlich des Mains eher nicht so sehr schätzt. Zum anderen hat die CDU schon zwei Mal der kleinen Schwester die Führung im Bundestagswahlkampf überlassen: 1980 gewann Helmut Schmidt (SPD) gemeinsam mit der FDP gegen Franz Josef Strauß, 2002 Gerhard Schröder (SPD) mit den Grünen gegen Edmund Stoiber. Strauß und Stoiber waren schlauere Füchse als der vergleichsweise junge Söder.
Claus-Peter Bach am 17. Januar 2021
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