Über den Rugby-Trainer Johannes Augspurger, der Neues wagt
Als vor wenigen Tagen diese Meldung um die Welt sauste, traute mein Papagei seinen Augen nicht: „Johannes Augspurger wird Trainer bei Odin Hannover“ stand in einem Fachportal geschrieben. Da man nicht alles glauben soll, was im Internet zu lesen ist, zog mein Papagei den Regenmantel über und flog in die niedersächsische Landeshauptstadt, um sich davon zu überzeugen, dass Johannes Augspurger aus Heidelberg-Handschuhsheim tatsächlich der erste süddeutsche Rugbytrainer ist, der die Verantwortung für einen Klub in der norddeutschen Hochburg übernommen hat. Kein Zweifel. Es stimmt. Und es regnet auch dort.
Der 30-jährige Johannes Augspurger ist neuer sportlicher Leiter des sechsfachen deutschen Rugbymeisters und hat auf den drei Spielfeldern in unmittelbarer Nachbarschaft des Welfen-Schlosses Herrenhausen das Sagen.
Augspurger ist der Sohn der ehemaligen stellvertretenden Ruder-Landeschefin Monika Kienzle-Augspurger und des 2013 im Alter von 72 Jahren verstorbenen Erfolgsruderers, Rugbyspielers, Trainers mit vier deutschen Meistertiteln und Landesvorstandsmitgliedes Günter Augspurger, der Meister in drei Handwerksberufen (Dachdecker, Kfz-Mechaniker und Ofensetzer), lange Jahre die gute Seele im Fritz-Grunebaum-Sportpark, treues Mitglied der Rudergesellschaft Heidelberg und begeisterter Sammler von Kunstwerken des in Neuenheim sesshaft gewordenen Malers Heinrich Hoffmann war.
Seit Kindesbeinen gehört Johannes Augspurger der RGH an, für die er in den Jugendmannschaften in der Dreiviertelreihe und als junger Mann in der ersten Sturmreihe spielte und früh begann, sich als Nachwuchstrainer und Schiedsrichter einzusetzen. Mit 18 schon hat er Spiele der Regionalliga Baden-Württemberg und der 2. Liga Süd geleitet, er war bei etlichen deutschen Jugendmeisterschaften in Berlin, Hannover und Heidelberg im Einsatz und hatte 2016 als Höhepunkt seines Pfeifens sogar drei Bundesliga-Einsätze.
Die Trainerlaufbahn des blonden Lockenkopfs mit dem sympathischen Wesen begann in der Sportschule Schöneck mit dem Erwerb der Leistungssport-Lizenz C und mit der Betreuung der U14 der RGH, deren Spieler er auch in die U16 begleitete. 2015 wurde Johannes Augspurger von Landestrainer Jan Ceselka (Heidelberg) in den Kreis der baden-württembergischen Auswahltrainer aufgenommen – neben guten Leistungen als Vereinscoach muss man dazu etliche Fortbildungen absolvieren (auch die Lizenz World Rugby Level 1) und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen; der Rugby-Verband Baden-Württemberg (RBW) nimmt die Prävention vor sexualisierter Gewalt nicht nur in den Sonntagsreden der Funktionäre ernst.
Johannes Augspurger, gelernter Industriekaufmann und seit einiger Zeit als Garten- und Landschaftsbauer im Betrieb seines Trainerkollegen Alexander Wiedemann bei Wind und Wetter an der frischen Luft, hatte „in den letzten Monaten das Gefühl, dass eine Luftveränderung nicht schlecht wäre.“ Er heuerte bei einem Gartenbaubetrieb an der Leine an, dessen Chef zwar kein Rugbyspieler war, „aber weiß, was Rugby ist“ – weil das in Hannover, wo es vor dem Zweiten Weltkrieg zwanzig Rugbyvereine gegeben hatte, auch in Zeiten der Nachrichten-Überflutung durch die 96-Fußballer noch viele Menschen wissen. Augspurger lebt gegenwärtig „in einer Zweier-WG mit meinem Schiedsrichter-Kollegen Luis Schmidt vom SC Germania List. Das ist in der Stadt und nicht weit zur Arbeit und zum Sportplatz.“
Die großen Jahre des SV Odin von 1905 sind lange vorüber. Die deutschen Titelgewinne datieren aus den Jahren 1914, 1920, 1930, 1931 (mit dem 12-fachen Nationalspieler Willy Dünhaupt, später Hannover 78) sowie 1961 und 1963, als Friedhelm (20 Länderspiele) und Herbert Regenhardt (10), Wolfgang Austein (20) und „Matzi“ Sander (3) Stützen des Nationalteams waren. Letzter großer „Odiner“ war der 15-malige Nationalstürmer Harald Lecht in den 1990-er Jahren.
Während der letzten 13 Spielzeiten bildete der SV Odin eine Spielgemeinschaft mit dem dreimaligen deutschen Meister VfR Döhren (1933, 1934 und 1959 mit den namhaften Nationalspielern Franz Vietgen und Friedel Bukowski). Die SG Odin/VfR rangierte beim Coronavirus-bedingten Saisonabbruch nach dem achten Spieltag mit nur fünf Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga Nord/Ost. Der VfR Döhren, der im Februar dieses Jahres den irischen Trainer Daniel Kerr nach Hannover-Ost geholt hatte, beendete daraufhin die Gemeinsamkeit und beansprucht – da es nach dem Saisonabbruch keine Auf- und Absteiger geben wird – den freien Bundesliga-Platz.
Der SV Odin in Hannover-West möchte hingegen zunächst kleinere Brötchen backen und hat sich unter der Leitung Johannes Augspurgers und seines Assistenten Matthias Pöschl zum Neustart in der Verbandsliga Nord entschieden, in der Victoria Linden II, der SV 08 Ricklingen, die junge SG Schaumburg/Ilsede, Union 60 Bremen, die Bremen Lions und eine Spielgemeinschaft aus Karlshöfen und Bremerhaven aktiv sind, die unter dem lustigen Namen „SG Teufelskraken“ firmiert. Darüber ist mein Papagei, der kleine Krabben und Oktopusse mag, begeistert. Augspurger sagt: „Wir haben ein paar gute Jungs und wollen versuchen, jedes Spiel mutig anzugehen und zu gewinnen. Wir müssen zusammenwachsen und wollen schauen, wie weit wir in der ersten Saison kommen.“
Ein wichtiges Ziel der Rugby-Abteilung sei es, die frühere Geltung in diesem Vier-Sparten-Verein zurückzuerobern und mit den Vereinskameraden vom Fußball, Korbball und Pétanque ein freundschaftliches Verhältnis zu pflegen. Für gemeinsame Siegesfeiern ist auf dem weitläufigen Gelände, früher oft Schauplatz deutscher Endspiele und großer Schülerturniere, jede Menge Platz.
Johannes Augspurger weiß, dass Mutter Monika seinen mutigen Schritt nicht so toll findet. Demnächst kommt er nach Heidelberg, um zu berichten, dass alles gut begonnen hat. „Das wird sie überzeugen“, sagt er und wünscht seinen Freunden in der Kurpfalz, dass sie gesund und munter bleiben.
Claus-Peter Bach am 8. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung
Bildtext
Trainer Johannes Augspurger (hintere Reihe Mitte) inmitten einer baden-württembergischen Nachwuchsauswahl. Foto: privat
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