Freitag, 17. Dezember 2021

Ein starker Förderer der Jugend

Zum Tode von Rugby-Ehrenpräsident Theodor Frucht

Theodor Frucht, der am 3. April 1935 in Hannover geboren wurde, hat sich im Alter von elf Jahren dem SV Odin von 1905 angeschlossen und ist nach einem Jahr als Fußballer zur Knaben-Rugbymannschaft gewechselt, in der der kräftige Junge zu einem guten Zweite-Reihe-Stürmer ausgebildet wurde. Dem Rugbysport blieb Theo, wie ihn seine Freunde riefen, ein Leben lang verbunden. „Rugby hat mir mehr entsprochen, hat mich mehr ausgefüllt“, sagte Theo Frucht später.

Mit 18 Jahren spielte er in der ersten Mannschaft des SV Odin, die das deutsche Pokalendspiel gegen den TSV Victoria Linden, die damals überragende deutsche Vereinsmannschaft, mit 3:0 gewann und den erstmals ausgespielten „Ölschinken“, ein großformatiges Gemälde des Brandenburger Tores, eroberte. Theo Frucht war also einer der fünfzehn ersten deutschen Pokalsieger, Auswechslungen waren damals noch nicht erlaubt. Obwohl er schon 1964 zu Odins Jugendwart gewählt wurde und Teams in allen fünf Altersklassen aufbaute, spielte er bis 1971 in der ersten Mannschaft – unterbrochen nur von einer beruflichen Fortbildung. Der Großhandelskaufmann ließ sich nach dem Besuch des Abendgymnasiums zum Maschinenbauingenieur ausbilden und arbeitete von 1995 bis zum Eintritt in den Ruhestand 1997 als Forschungs- und Entwicklungsingenieur bei den Continentalen Reifenwerken in Hannover, die viele Jahre lang den Conti-Cup, die Trophäe für den deutschen U19-Landesverbandsmeister, gesponsert haben. Des Berufes wegen hat Theo Frucht die beiden deutschen Meisterschaften des SV Odin 1961 und 1963, die Endspiele gegen den SC Neuenheim und den TSV Handschuhsheim, versäumt.

Aus privaten Gründen wechselte Theo Frucht 1971 zum TSV Victoria Linden und engagierte sich vorbildhaft in den Verbandsgremien. Im Niedersächsischen Rugby-Verband (NRV) wirkte er als Kassenwart, Sportwart, Jugendwart und Verbandstrainer, in der Deutschen Rugby-Jugend (drj) als Trainer, Technischer Leiter, stellvertretender Jugendwart und in den 1980-er Jahren als Jugendwart, der besondere Leistungen erbrachte: Gemeinsam mit dem Berliner Fritz Feyerherm, Horst Lück aus Wiedenbrück und den Heidelbergern Karl Lachat, Dierk Baumgarten und Peter Schatz baute er die deutschen Nachwuchsmeisterschaften in fünf Altersklassen von der U11 bis zur U19 auf und etablierte deutsche Landesverbandsmeisterschaften für U17- und U19-Teams und mit großer Beteiligung.

An Ostern 1987 fand unter der Leitung von Theo Frucht und mit der Vor-Ort-Arbeit von Fritz Feyerherm, Peter Welsh und Henric Lewkowitz die U19-Weltmeisterschaft mit 16 Teams in West-Berlin statt, die Argentinien gewann und bei der die deutsche Fünfzehn den sagenhaften vierten Platz – das beste Resultat der Rugby-Geschichte – belegte.

Nachdem sich Theodor Frucht als Jugendwart große Meriten verdient und insbesondere die deutsch-französische Freundschaft in Zusammenarbeit mit den französischen Spitzentrainern Jean-Claude Baqué, Serge Dijon und Jean-Claude Rutault ausgebaut hatte – die U19-Teams von Frankreich und Deutschland trainierten damals zwei Mal pro Jahr für eine ganze Woche zusammen in Issoire, Biscarosse, Périgueux, Hannover und Heidelberg – wurde er beim Deutschen Rugby-Tag 1991 in Hannover zum 17. Präsidenten des Deutschen Rugby-Verbandes gewählt.

Er baute eine ABM-Stelle des Jugendsekretärs Karl-Heinrich Barkhof zu einer festen Stelle für Barkhof und später für Carsten Segert, Martin Bahm und Natascha Evers aus, er schuf eine feste Trainerstelle am Landesstützpunkt Potsdam für Frank Langer und er landete 1992 einen besonderen Coup, als er Peter Ianusevici, Rumäniens Trainer bei der WM 1991 in Großbritannien, zum deutschen Bundestrainer machte. Erst betreute Peter Ianusevici die U19, dann auch die Männer und schließlich alle deutschen Auswahlen, wobei er nie vergaß, deutsche Trainer so gut auszubilden, dass sie ihm nachfolgen konnten.

Theo Frucht handelte nach festen Überzeugungen und ließ sich nicht beirren. „Die große Stärke des DRV sind seine Vereine“, sagte er und pflegte zu den Klubs ein freundschaftliches Verhältnis. Auch zu seiner Amtszeit, die 1996 mit der einstimmigen Wahl in das Ehrenpräsidium des DRV endete, gab es Spannungen wegen Terminfestlegungen von Nationalteams und der Bundesliga. Aber es gab gute Gespräche und keinen Hass. Es war sogar Platz im Rahmenspielplan, um gemeinsam mit Keith Rowlands (Wales), dem Generalsekretär des International Rugby Football Board, und den Verbandschefs Belgiens und der Niederlande in Hannover den Nordwest-Europapokal zu gründen.

Theo Frucht sah gerne schöne Siebenerrugby-Turniere und führte die deutsche Siebener-Auswahl 1992 zu den großen Hongkong Sevens mit Spielen gegen Argentinien, die USA, Singapur und Papua-Neuguinea, aber er sagte aus felsenfester Überzeugung: „Siebenerrugby ist gut für die Ausbreitung unseres Sports in Schulen und Universitäten, aber Rugby ist Fünfzehner. Darauf müssen wir uns voll konzentrieren.“ Dass es anders gekommen ist, hat ihm nicht gefallen.

Am 10. Dezember 2021 ist Theodor Frucht an den Folgen eines Herzanfalls im Alter von 86 Jahren in seiner Heimatstadt verstorben. Der deutsche Rugbysport ist ihm zu Dank verpflichtet. Seine Mitstreiter werden ihn nie vergessen. Claus-Peter Bach

Dienstag, 30. November 2021

Er führte 750 Sportstudierende durchs Staatsexamen

Am 24. November 2021 in Roland Vierneisel gestorben

Während seines Wirkens am Institut für Leibesübungen der Universität Heidelberg, das seit langem Institut für Sport und Sportwissenschaften heißt und einen exzellenten Ruf genießt, hat Roland Vierneisel rund 750 Studierende im Staatsexamen geprüft, nachdem sie bei ihm, dem passionierten Leichtathletik-, Fußball- und Skilehrer, die praktische Sportausübung gelernt und in Vorlesungen und Seminaren alles erfahren hatten, was man in Trainingslehre und Sportgeschichte wissen musste.

 

Roland Vierneisel, am 5. März 1929 in Unterschlüpf im Taubertal als Sohn eines Hauptlehrers und dessen Frau geboren, besuchte nach der Volksschule die Oberschule in Wertheim, die wegen der Kriegsschäden 1945 und 1946 geschlossen war, weshalb das Abitur erst 1950 gefeiert wurde. Ab dem Wintersemester 1950/51 studierte er an der Deutschen Sporthochschule in Köln und belegte Geografie und Geschichte an der dortigen Uni. Nachdem er tüchtig Gas gegeben hatte – wie als Fußballer mit frühen Knieproblemen und als Mehrkämpfer mit Platz fünf im Fünfkampf der deutschen Leichtathletik-Meisterschaften im August 1954 im Hamburger Volksparkstadion, wo der „weiße Blitz“ Heinz Fütterer aus Illingen die Sprints und Friedel Schirmer aus Langenhagen den Zehnkampf gewannen –, war Vierneisel schon 1953 Diplomsportlehrer und bewarb sich bei Professor Otto Neumann in Heidelberg als Assistent.

 

„Ich hoffe, dass Sie bestimmt Wege finden werden für eine angemessene Bezahlung, die der Arbeit eines Sportlehrers an einem Institut für Leibesübungen entspricht“, schrieb der selbstbewusste Bewerber. Neumann, Mannheims 4 x 400-m-Olympiazweiter von 1928, förderte den jungen Kollegen, der nach dem Referendariat am Helmholtz-Gymnasium und einer Anstellung als Studienassessor in Heilbronn ab 1962 als Akademischer Rat an der Uni Heidelberg arbeitete und das Sportinstitut 1994 als Akademischer Direktor verließ. Er war Verwaltungschef des Hauses, das er auf kollegiale, ruhige, freundliche, aber zielorientierte Weise führte. „Roland war ein aufrechter und ehrlicher Kerl, uns Jüngeren immer ein guter Freund“, sagt Helmut Zimmer (80), der Fußball- und Turndozent.

 

Volker Heindel (81), der Basketball- und Handball-Meister und -Lehrer, lernte Roland Vierneisel 1955 während eines Zeltlagers anlässlich der Studenten-Weltmeisterschaft in San Sebastian kennen, woraus sich eine lebenslange Freundschaft entwickelte. Gerne erinnert man sich am Sportinstitut an die Entwicklungshilfe-Projekte und viele Reisen nach Ägypten, Malta und Sambia, an die zahllosen Skikurse in Les Arcs 1600 – Sohn Peter hat nachgerechnet, dass der Vater im grünen Skianzug und mit roten Stiefeln insgesamt vier Jahre seines Lebens in diesem Wintersportort verlebt hat – und an die freitäglichen Tennis-Doppel mit Eberhard Bucke (†), Vierneisels Nachfolger Gerhard Hamsen, Klaus Roth und Helmut Zimmer. Mit 90 Jahren war Roland Vierneisel noch auf der Skipiste und konnte einbeinig wedeln.

 

Nachdem Roland Vierneisel 1958 Helga Peter, die Schwester des Hockey-Olympiasiegers „Michi“ Peter (†) geheiratet hatte, erlebte er mit Freude und Stolz, dass die Söhne Peter (62) und Uli (60) gute Sportler und 1982 mit dem HC Heidelberg deutsche Hockey-Meister wurden. Vierneisel engagierte sich im USC Heidelberg 40 Jahre lang als Leichtathletik-Abteilungsleiter und als stellvertretender Vereinsvorsitzender. Der Bau der Tennishalle und die Organisation des Zehnkampfes 1967 mit Kurt Bendlins Weltrekord sowie der Weltspiele der Gelähmten 1972 in Heidelberg sind auch seine Verdienste.

 

Am 24. November ist Roland Vierneisel im Alter von 92 eingeschlafen. Viele Menschen sind ihm dankbar für seinen Rat, seine Freundschaft und seine Güte.

 

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Roland Vierneisel, der Verwaltungsdirektor des Heidelberger Sportinstituts, ist im Alter von 92 Jahren gestorben. Foto: Helmut Pfeifer

Montag, 15. November 2021

Eine 13:3-Halbzeitführung reichte nicht zum Sieg

Über die EM-Niederlage der deutschen Rugby-Fünfzehn in Polen

Die Hoffnungen der deutschen Rugby-Nationalmannschaft auf den zweiten Auswärtssieg im zweiten Spiel der Europameisterschaftssaison 2021/22 sind am Samstagnachmittag nicht in Erfüllung gegangen. Zwei Wochen nach dem glänzend herausgespielten 46:16-Erfolg in Litauen musste sich die blutjunge Fünfzehn von Nationaltrainer Mark Kuhlmann (Heilbronn) in Polen mit 16:21 Punkten geschlagen geben. Auf einen guten ersten Durchgang und eine 3:13-Halbzeitführung folgten zweite vierzig Minuten, in denen die Spieler um Kapitän Jörn Schröder völlig den Faden verloren, Fehler an Fehler reihten und nach dem Schlusspfiff des sicheren georgischen Referees Saba Abu-lashivili mit hängenden Köpfen vom glitschigen Kunstrasen gingen.

 

Mark Kuhlmann erklärte die Niederlage, die die Deutschen die Führung in der EM-Division 2 (Trophy) kostete und die Polen auf Tabellenplatz eins hievte, so: „In der ersten Halbzeit haben wir vieles richtig gemacht und das umgesetzt, was wir vorhatten. Aber nach der Pause haben wir komplett den Zugriff verloren und zu viele kleine, individuelle Fehler gemacht.“ Die Fehler (Abseits, Bodenspiel, Über-den-Ball-Fallen) nutzte Polens famoser Kicker Wojciech Piotrowicz nach der 6:16-Führung der Deutschen in der 46. Minute zu fünf erfolgreichen Straftritten in Folge. Der Spielmacher erzielte mit sieben Penaltys alle 21 polnischen Zähler und brachte die gut 2500 Zuschauer im Narodowy-Stadion von Gdingen zum Rasen.

 

Erschwerend kam in der zweiten Halbzeit hinzu, „dass wir aus unserer Gedränge-Überlegenheit keinen Profit schlagen konnten. Und, ehrlich gesagt, war unser Kickspiel auch nicht gut“, fand Mark Kuhlmann. Nach mehreren Kicks der Deutschen landete der ovale Ball in den Händen der polnischen Rückraumspieler, die diese Aufforderungen zu Konterattacken natürlich gerne annahmen. Der Nationaltrainer war seinen Schützlingen aber nicht gram und sagte: „Ein solcher Spielverlauf ist natürlich auch eine Sache der fehlenden Erfahrung. Unsere Dreiviertelreihe ist so jung, dass alle sieben Spieler zusammen weniger Länderspieleinsätze haben als unser Kapitän Jörn Schröder. Kuhlmann stellte abschließend fest: „Die Jungs sind natürlich geknickt, weil ein Sieg absolut möglich gewesen wäre.“

 

Nachdem die deutsche Mannschaft die Nationalhymne ein wenig dissonant in den trüben Himmel geschmettert hatte, sodass eine Übungssingstunde zu empfehlen ist, lief der Ball im Angriff wie am Schnürchen, und die schwarze Mauer, die Verteidigungslinie der Deutschen, stand felsenfest. Nachdem Kicker Piotrowicz die Polen nach Destruktion im Paket mit 3:0 in Führung gebracht hatte, drehte Debütant Edoardo Stella den Spielstand durch zwei Penaltys auf 3:6. Seinem Frankfurter Vereinskameraden Hassan Rayan, einem Felsen in der zweiten Sturmreihe, gelang der einzige Versuch des Spiels zum 3:11 (36.), Stella erhöhte zum 3:13 und mit einem flinken Straftritt nach dem Wiederanpfiff auf 6:16.

 

Dann aber machten die wütenden Polen Druck, die Deutschen begingen technische Fehler und taktische Irrtümer und ließen auch zwei Versuchschancen im Übereifer ungenutzt. Am Ende stand ein 21:16, das immerhin einen defensiven Bonuspunkt einbrachte.

 

Bemerkenswert ist, dass die zuvor zweimal geschlagenen Litauer in Nyon mit 28:20 gegen die Schweiz gewannen – diese Saison verspricht, spannender denn je zu werden.

 

Deutschland: Edoardo Stella (SC Frankfurt 1880) – Tobias Apelt (RK Heusenstamm), Anton Gleitze (Berliner RC), Leo Wolf (SC Frankfurt 1880), Felix Lammers (SC Neuenheim) – Maximilian Kopp (Hannover 78), Oliver Paine (SCN) – Justin Renc (TSV Handschuhsheim), Timo Vollenkemper (SCN), Robert Lehmann (SCN, 41. Nico Windemuth/Germania List) – Jens Listmann (SC Frankfurt 1880, 64. Matthew Flynn/SCN), Hassan Rayan (SC Frankfurt 1880) – Paul Schüle (TSV Handschusheim), Alexander Biskupek (SCN, 59. Mathis Blume/Berliner RC), Jörn Schröder (Kapitän, Heidelberger RK).

Schiedsrichter: Abulashvili (Georgien); Zuschauer: 2500; Punkte: 3:0 (6.) Straftritt Piotrowicz; 3:3, 3:6 (11., 29.) S Stella; 3:13 (36.) Versuch Rayan + Erhöhung Stella; 6:13 (44.) S Piotrowicz; 6:16 (46.) S Stella; 9:16, 12:16, 15:16, 18:16, 21:16 (51., 57., 65., 70., 78.) S Piotrowicz.



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Freitag, 12. November 2021

Der Liebe Gott darf kandidieren

Über das Anforderungsprofil für die neue DOSB-Präsidentschaft

Am 4. Dezember 2021 – einem Samstag! – ist in Weimar der Tag des Herrn. Wo sich die Dichterfürsten Goethe und Schiller auf dem Theaterplatz seit 1857 allabendlich „gute Nacht“ sagen, soll der dritte Präsident des 2006 aus NOK und DSB gebildeten Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB) gewählt werden.

 

Um die Qualität der bisherigen Sportfürsten Dr. Thomas Bach und Alfons Hörmann zu übertreffen, hat die Interessenvertretung des deutschen Sports eine Findungskommission gebildet, die laut Sportschau.de eine Aufgabenstellung und, weil man schon mal so nett beisammen saß, auch ein Anforderungsprofil formuliert hat.

 

Wir halten fest, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein: Die neue Führungskraft darf männlich, weiblich oder divers sein, was immerhin ein Fortschritt ist, denn Bach und Hörmann waren – zumindest auf den ersten Blick – weder weiblich noch divers. Sie muss die strategische Ausrichtung des deutschen Sports vorgeben und dabei die Ideen und Wünsche aller Mitglieder (Fachverbände, Sportbünde, Sportler (m/w/d) und Sportwissenschaffende) im Leistungs- und Breitensport aufnehmen und diese nach innen – im Haus des Sports mit seinen rund 160 Mitarbeitenden – und nach außen (gegenüber dem Sportministerium, dem Parlament und den politischen Parteien) vertreten. Wörtlich heißt es, sie solle „Ideengeber und Sparringspartner für Politik und Verwaltung“ sein, wobei – „eine Schlamperei!“, meint mein Papagei – nicht explizit ausgeführt ist, ob das Sparring mit oder ohne Boxhandschuhe stattfinden soll.

 

Was die Vorbildung der Führungskraft anbelangt, wird das Papier sehr konkret: Sie möge sich durch ein „strategisch-konzeptionelles General-Management-Verständnis sowie einen internationalen Erfahrungshintergrund mit interkultureller Sensivität“ auszeichnen und einen modernen, motivierenden und fördernden Führungsstil zeigen – und bloß nicht leise vor sich hin mosern, wenn die Angestellten (m/w/d) wieder einmal einen Auftrag gar nicht oder zu spät ausgeführt haben. Auch die Bitte um Unterlassung von Privatgesprächen während einer Videokonferenz des Präsidiums soll unterbleiben, denn die künftige Führungskraft soll dafür sorgen, dass jedermann (m/w/d) sich frei und ungezwungen äußern kann (auch wenn es eigentlich der Situation angemessen wäre, mal für zwei Minuten die Klappe zu halten). Denn die Führungskraft beweist Transparenz, politische Offenheit, Kooperationsbereitschaft in mehreren Sprachen, wobei „fließende Englischkenntnisse“ vorausgesetzt werden, um mit dem Sportminister (m/w/d) oder dem IOC zu verhandeln.

 

„Wahnsinn!“, entfährt es meinem Papagei, der völlig einer Meinung mit Ingo Weiss aus Münster ist. Der 58-Jährige kennt sich im Sport ein bisschen aus, war 14 Jahre lang Vorsitzender der Deutschen Sport-Jugend, führt seit 2006 den Deutschen Basketball-Bund und leitet seit 2018 die Konferenz Spitzenverbände im DOSB. „Wir werden vermutlich niemanden finden, der alles erfüllt“, ahnt Weiss, doch mein Papagei ist optimistischer: „Ich glaube, dass der Liebe Gott ein geeigneter Kandidat wäre. Man müsste ihn halt mal fragen...“

 

Mein Papagei und ich verstehen auch nicht, warum der Vorsitzende der achtköpfigen Findungskommission nicht seinen Hut in den Ring wirft. Christian Wulff ist mit 62 Jahren im richtigen Alter, hat als Bundespräsident von 2010 bis 2012 viele Menschen aus der Politik kennen- und ein paar auch schätzengelernt, und nach einigem Nachdenken ist meinen Papagei eingefallen, dass Wulff ein international erfolgreicher Motorsportler gewesen war. „War er nicht sogar Weltmeister im Bobbycar-Rennen?“, fragt sich mein Papagei, nachdem er bei Wikipedia kaum präzise Angaben über Saisonresultate und Rennverläufe finden konnte.



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Dienstag, 2. November 2021

Ein EM-Auftakt nach Maß

Deutsches Rugby-Nationalteam siegt mit 46:16 in Litauen


Die Nationalmannschaft des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) ist am 30. Oktober 2021 mit einem blitzsauberen und in dieser Deutlichkeit nicht erwarteten 46:16 (19:9)-Sieg in Litauen in die Saison 2021/22 der Europameisterschafts-Division 2 (Trophy) gestartet. Die mit acht Debütanten besetzte Mannschaft von Nationaltrainer Mark Kuhlmann (Heilbronn) zeigte eine kämpferisch überragende und spielerisch sehr ansprechende Leistung und kann der zweiten Bewährungsprobe am 13. November in Polen hoffnungsvoll entgegensehen.

 

Kuhlmann und seine beiden Assistenten und früheren Nationalmannschaftskameraden Lars Eckert und Kehoma Brenner (Heidelberg) werden natürlich noch etliche Monate benötigen, um aus der neuen und mit hoch talentierten Spielern aus Berlin, Frankfurt, Hannover, Heidelberg und München besetzten Gruppe ein Spitzenteam zu formen, das den Wiederaufstieg in die EM-Division 1 (Championship) in Angriff nehmen kann. Für diese Saison ist ein Spitzenplatz und von Match zu Match eine Verbesserung im Zusammenspiel anvisiert.

 

Die ganz in Weiß spielenden „Schwarzen Adler“ waren solide in den Gassen und hoch überlegen im angeordneten Gedränge und kamen somit zu zahlreichen Ballgewinnen. Mit Ausnahme der ersten zehn Minuten, die von Nervosität, Regelfehlern und sechs Straftritt-Gegenpunkten gekennzeichnet waren, bestimmten die coolen „Kuhlmänner“ das Spielgeschehen. Schon in der ersten Halbzeit gelangen vor 1200 Zuschauern im sonnigen Akademie-Stadion von Siauliai drei Versuche durch die Stürmer Jörn Schröder und Justin Renc sowie Verbindungshalb Maximilian Kopp. Der vierte Versuch, der dem Team einen wertvollen offensiven Bonuspunkt einbrachte, gelang Felix Lammers eine Minute nach dem Wiederanpfiff des umsichtigen Niederländers Gert Visser.

 

Stürmer Nico Windemuth (2) und Außendreiviertel Zani Dembélé ließen die Versuche fünf bis sieben folgen. Gedrängehalb Oliver Paine traf mit vier Erhöhungen und einem Straftritt und wurde aufgrund seiner Fähigkeit, das Spiel schnell zu machen, zum „Man of the match“ gewählt.

 

Deutschland: Tobias Apelt (RK Heusenstamm, 71. Leonard Becker/SC Neuenheim) - Felix Lammers (SCN), Anton Gleitze (Berliner RC), Leo Wolf (SC Frankfurt 1880), Zani Dembélé (RC Beauvais) - Maximilian Kopp (Hannover 78), Oliver Paine (SCN, 73. Emil Schäfer/TSV Handschuhsheim) - Justin Renc (TSV Handschuhsheim), Timo Vollenkemper (SCN, 60. Oliver Stein/München RFC), Robert Lehmann (SCN, 60. Tim Schiffers/RG Heidelberg) - Hassan Rayan (SC Frankfurt 1880), Mick Burisch (SCN, 50. Nico Windemuth/Germania List) - Samy Füchsel (SCN, 50. Paul Schüle/TSV Handschuhsheim), Alexander Biskupek (SCN, 57. Mathis Blume/Berliner RC), Jörn Schröder (Heidelberger RK, 78. Felix Martel/TSV Handschuhsheim).

Schiedsrichter: Gert Visser (Niederlande); Zuschauer: 1200; Punkte: 3:0, 6:0 (2., 5.) Straftritte Vilimavicius; 6:7 (19.) Versuch Schröder + Erhöhung Paine; 6:12 (22.) V Renc; 6:19 (29.) V Kopp + E Paine; 9:19 (35.) S Bagarauskas; 9:24 (41.) V Lammers; 9:27 (50.) S Paine; 16:27 (54.) V Tautkus + E Bagarauskas; 16:34 (59.) V Windemuth + E Paine; 16:41 (66.) V Windemuth + E Paine; 16:46 (80.) V Dembélé; Zeitstrafen: Strigunas (47.), Lipnickas (78.)/-.



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Freitag, 15. Oktober 2021

Der DOSB-Präsident sprach in Bad Krozingen Klartext

Böses Foul an Alfons Hörmann

Kaum zwei Monate vor der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes am 4. Dezember in Weimar war der scheidende DOSB-Präsident Alfons Hörmann in Bad Krozingen beim Badischen Sportbund Süd zu Gast und nahm vor den Delegierten der Verbände und Vereine Stellung zu brennenden Themen des Sports – während der abflauenden Coronavirus-Pandemie und nach den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio.

Der 61-jährige Unternehmer aus Sulzberg im Allgäu, um deutliche Stellungnahmen noch nie verlegen und deshalb in den drei baden-württembergischen Sportbünden hoch geschätzt, sprach Klartext, bedankte sich bei BSB-Süd-Präsident Gundolf Fleischer für Loyalität und kritische Freundschaft und verlieh dem 78-Jährigen die Goldene DOSB-Ehrennadel.

Das Coronavirus hat den Sport beschädigt. Hörmann betonte, dass der Sport entschlossen zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen habe, bedauerte aber, dass Politiker und Ministerialbeamte kaum bereit und fähig waren, die Notwendigkeiten des Gesundheitsschutzes in den diversen Sportarten differenziert zu betrachten. Dass die Fußball-Profiligen Vorreiter bei einer schrittweisen Öffnung zur Normalität und damit Vorbild für andere Sparten sein durften, bewertete Hörmann positiv. Doch viele Sportarten mit ebenfalls geringem Ansteckungsrisiko mussten sich benachteiligt fühlen. „Der Schulsport und der Schwimmunterricht waren schon vor der Pandemie in einem erschütternden Zustand“, sagte der DOSB-Präsident an die Adresse der Kultusminister.

Durch die Pandemie und die fehlende Möglichkeit, neue jugendliche Mitglieder für die Vereine zu werben, muss der DOSB einen Mitgliederrückgang verkraften. Während Südbaden mit einem Schwund von 2,1 Prozent und Nordbaden mit 3,14 Prozent (= 24 764 Personen) glimpflich davongekommen sind, liegt der bundesweite Mitgliederverlust 2020 bei zehn bis 15 Prozent. „Schmerzlich ist auch der Verlust an ehrenamtlich Engagierten, den wir auf 20 Prozent beziffern“, sagte Hörmann. Es sei wichtig zu versuchen, diese Mitarbeiter neu zu begeistern. Von der von der Politik zur Verfügung gestellten Pandemiehilfe seien 2020 nur 70 Millionen Euro in Anspruch genommen worden, weil „die überbordende Bürokratie die Vereinsvorstände von einer Antragstellung abgeschreckt hat“.

Dass die Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 im Sommer 2021 in Tokio stattgefunden haben, findet Hörmann gut und vor allem deshalb wichtig, weil das IOC so die Mittelverteilung auf die Weltverbände gewährleisten konnte. „80 Prozent des Weltsports wären ohne die IOC-Zuschüsse nicht lebensfähig“, behauptete der DOSB-Präsident, der Olympia in Tokio als Chef der deutschen Delegation erlebt hat und feststellte: „Es war für uns alle ein Pflichtprogramm, aber es hat keinen Spaß gemacht.“ Er habe zwar etliche Medaillengewinne seiner Schützlinge vor Ort erlebt, aber nicht in den Umkleidekabinen gratuliert, „denn ich bin nicht Angela Merkel!“ Zum sportlichen Ergebnis von Olympia äußerte sich Hörmann glasklar: „Im Spitzensport leuchtet die Alarmstufe Hellrot! Und bei den Winterspielen in Peking wird der Absturz im Medaillenspiegel noch größer sein. Mir fehlt wirklich die Fantasie, wie es gelingen könnte, den Schalter umzulegen.“

Hörmann begrüßte es zwar, dass nach Jahren der Stagnation in der Spitzensportförderung der Mittelaufwuchs um 150 Millionen Euro endlich zur Erfüllung der Bedingungen für die Spitzensportreform von 2015 geführt habe, doch werde die Förderung kaum auf die Bedürfnisse in den Sparten zugeschnitten und die Evaluierung der Leistungsfähigkeit von Verbänden sei „eine bürokratische Zumutung.“ Er prophezeite: „Der deutsche Sport wird in zehn Jahren dort erfolgreich sein, wo der Staat nicht mitmischt, und dort scheitern, wo Beamte die Finger im Spiel haben.“ Und er forderte die Delegierten auf: „Sie müssen entscheiden, ob Sie in Deutschland einen freien Sport oder Staatssport wünschen.“

Durch Medienberichte war bekannt geworden, dass der DOSB-Präsident durch einen anonymen Brief von Mitarbeitenden im „Hause des Sports“ beschuldigt worden ist, dort „ein Klima der Angst“ zu verbreiten und Mitarbeitende zu mobben. Forensische Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei haben, so Hörmann, inzwischen aber ergeben, dass keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter des DOSB diesen Brief geschrieben hat. Vielmehr sei das ein von einem offenbar überehrgeizigen Fachverbandspräsidenten verfasstes und an die Medien durchgestochenes Fake, um Hörmann öffentlich zu diskreditieren. Er habe daraus seine Konsequenzen gezogen und werde sich in Weimar nicht mehr zur Wahl stellen.

Offenbar wird im deutschen Sport gegenwärtig grob gefoult.


Alfons Hörmann (links) verlieh Gundolf Fleischer des Goldene DOSB-Ehrennadel, rechts Ingo Weiss, der Sprecher der Fachverbände im Deutschen Olympischen Sportbund. Foto: Bernhard Thie



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Das große Derby seit 70 Jahren

Am 16. Oktober 2021 spielt der SC Neuenheim gegen den TSV Handschuhsheim


Ganz ehrlich, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, heute ist mein Papagei schon beim Frühstück närrisch. Um seine Nerven zu beruhigen, hat der Ärmste seine Haferflocken und Jod-S11-Körnchen in eine Pfütze Weinbrand getaucht, denn wenn am Nachmittag des 16. Oktober 2021 neben dem Zoo das immergrüne Rugby-Derby zwischen dem Sportclub Neuenheim und dem TSV Handschuhsheim angepfiffen wird, muss er – obwohl „nur“ Zuschauer – in Hochform sein. Die 30 Spieler müssen das auch, das erwarten ihre Fans, denn Derby ist Derby.

 

„Derbys elektrisieren die Zuschauer, obwohl es eigentlich ganz normale Spiele sind“, weiß der Pädagoge Matthias Bechtel (54), Rugby-Abteilungsleiter der TSV-Löwen. In früheren Zeiten mobilisierten die Fußball-Derbys zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860 München oder dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Fürth die Anhänger, heute liegt Spannung über den Metropolen, wenn Hertha BSC gegen Union Berlin in der Bundesliga oder der FC St. Pauli gegen den Hamburger SV in der 2. Liga spielen. Im Rugby haben die Stadtduelle zwischen dem Harlequins FC und dem Saracens RFC in London oder zwischen Stade Français und dem Racing Club 92 in Paris eine besondere Bedeutung. Und im deutschen Rugby lockten Begegnungen von Eintracht Frankfurt und dem SC 1880 in den 1970-er Jahren, Victoria Linden und dem DSV von 1878 Hannover in den 1980-er Jahren sowie des Berliner RC gegen den RK 03 Berlin nach der Wiedervereinigung viele Zuschauer auf die Sportplätze.

 

Und eben SCN gegen TSV oder TSV gegen SCN seit über 70 Jahren und bis heute. „Für uns ist es das wichtigste Spiel der Bundesliga-Vorrunde, denn beide Mannschaften wollen ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft, das nur die besten zwei süddeutschen Klubs erreichen können“, sagt Axel Moser (42), der Sportvorstand des SCN.

 

Gegen den Titelverteidiger Frankfurt haben seine Neuenheimer knapp verloren, eine zweite Niederlage in der Hinrunde täte weh. „Oft wird diesem Spiel eine zu große Bedeutung beigemessen“, findet Matthias Bechtel, der sich allerdings auch darauf freut, dass das bestbesuchte Match der Bundesliga Emotionen freisetzen wird. „Nichts dagegen, aber die Fairness muss im Vordergrund stehen“, fügt er hinzu.

 

Die sportliche Rivalität zwischen den Nachbarn im Heidelberger Norden hat Tradition. In den 1950-er und 1960-er Jahren wechselten sich die Vereine als badische und süddeutsche Meister ab. Als der TSV 1957 durch den Versuch des legendären Eberhard Megerle gegen Elite Hannover zum ersten und einzigen Mal deutscher Meister wurde, feierten Handschuhsheimer und Neuenheimer gemeinsam. Weil Erwin und Kuno Birk und Heiner Baumann wenige Wochen später zum SCN wechselten, war die Aufregung um die Tiefburg erstmals groß. Trotz gründlicher Recherche ist es meinem Papagei nicht gelungen herauszufinden, ob der kühle Wein in Christof Karchs Keller im Runden Eck oder die köstlichen Leberwurst-Brote des Klubhaus-Wirts Fritz Ehhalt d. Ä. ursächlich für den Vereinswechsel der drei Nationalspieler gewesen ist. Dem SCN hat es nicht viel genützt: Das deutsche Endspiel 1958 ging gegen Victoria Linden mit 0:21 verloren.

 

Wer diesmal gewinnt, wird sich zeigen. Die beiden Klubs sind längst nicht mehr verfeindet, sondern pflegen in der Jugendarbeit eine fruchtbare Partnerschaft. Die gemeinsamen U18-Junioren wurden kürzlich deutscher Meister, die U16-Jugend deutscher Vizemeister.

 

Einer, der während seiner 17-jährigen Bundesliga-Laufbahn rund 30 Derbys bestritten und „etwa die Hälfte“ davon gewonnen hat, ist heute nicht unter den Zuschauern. Nationalspieler Alexander Hug (37), der Sportliche Leiter des TSV, weilt mit seiner Tochter am Strand von Cuxhaven. Urlaub muss auch mal sein. „Ebi“ Megerle aber wird zuschauen, 83-jährig und topfit.

 



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Freitag, 24. September 2021

Die Rugby-Nationalmannschaft kehrt auf die Bühne zurück

Nach anderthalbjähriger Spielpause wegen des Coronavirus


Am 29. Februar 2020 hat die deutsche Rugby-Nationalmannschaft ihr letztes Länderspiel bestritten. Das Match in der Division 2 der Europameisterschaft (European Trophy) endete so wie es nicht hätte enden sollen: Mit einer 20:33-Niederlage im Heidelberger Fritz-Grunebaum-Sportpark gegen die Schweiz. Dann kam das Coronavirus herangeschlichen, was dazu führte, dass die ausstehenden Spiele gegen Litauen und in der Ukraine ausfielen und die Saison abgebrochen wurde.

 

Tabellenführer Niederlande, das alle fünf Spiele ausgetragen hatte, gewann auch das Relegationsspiel gegen Belgien, den Letzten der Division 1, und stieg auf. Belgien, die Schweiz, Deutschland, Polen, Litauen und die Ukraine bilden in der Saison 2021/22 die Division 2, deren erste Spiele im Oktober und November ausgetragen werden. Die Deutschen spielen am 30. Oktober in Litauen und am 13. November in Polen, die anderen drei Spiele finden im Frühjahr 2022 statt.

 

Das traditionelle Fünfzehnerrugby wird einer Entscheidung des Bundessportministeriums zufolge noch immer nicht staatlich gefördert, weil die Regierung nur den olympischen Sport und damit das Siebenerrugby im Blick hat. So muss der Deutsche Rugby-Verband (DRV) die Nationalteams im weltumspannenden Rugby mit 15 Spielern aus eigenen Mitteln finanzieren, die begrenzt sind.

 

Immerhin konnte der DRV dem auf Platz 30 der Weltrangliste platzierten Nationalteam, seinem Aushängeschild, nun einen großen Vorbereitungslehrgang in Heidelberg und ein Testspiel am 2. Oktober in Prag gegen Tschechien finanzieren. Das wurde vom neuen Trainerteam mit Nationaltrainer Mark Kuhlmann (Heilbronn) und den beiden Assistenten Lars Eckert (Heidelberg/Dreiviertelreihe) und Kehoma Brenner (Heidelberg/Sturm) positiv aufgenommen, alle Spieler waren beim strapaziösen Lehrgang mit Feuereifer bei der Sache.

 

„Ich bin sehr angetan von der Einstellung und den Leistungen der Spieler“, sagte Mark Kuhlmann (52), der aus dem DRC Hannover stammt, Bundesliga-Trainer beim SC Neuenheim, der Neckarsulmer Sport-Union und dem TSV Handschuhsheim war und als Versicherungskaufmann bei der MLP AG in Wiesloch arbeitet. Kuhlmann, seine Kollegen und alle Spieler sind Amateure. Ob die in Frankreich engagierten Profis für die EM-Spiele zum Nationalteam stoßen dürfen, hängt von der Entscheidung ihrer Vereinstrainer ab. Das ist gegenwärtig völlig offen. „Ich bin mit allen Spielern in Kontakt“, sagt Mark Kuhlmann.

 

„Wir haben zwar lange nicht gespielt und werden erst in Prag erfahren, welche Leistungskraft wir haben, aber wir wollen in der EM schon eine gewichtige Rolle spielen. Ich halte die Belgier für favorisiert und sehe die anderen Mannschaften auf unserem Niveau“, sagt Kuhlmann, der deshalb am Saisonende unter den ersten Dreien landen möchte. Testspielpartner Tschechien steht auf Weltranglistenplatz 37, Litauen auf Platz 43, Polen auf Platz 33.

 

Diese 34 Spieler nahmen am Lehrgang in Heidelberg teil: Tim Schiffers, Gogo Jordan, Paul Pfisterer, Louis Biniak, Tim Biniak, Wolfram Hacker (RG Heidelberg), Benjamin Polheim, Tobias Apelt (RK Heusenstamm), Paul Schüle, Antony Dickinson, Felix Martel, Emil Schäfer, Tyrell Williams, Justin Renc (TSV Handschuhsheim), Alexander Biskupek, Mick Burisch, Robert Lehmann, Felix Lammers, Leonard Becker, Luke Wakefield, Nikolai Klewinghaus (SC Neuenheim), Nico Windemuth, Henrik Meyer (Germania List), Jan Piosik, Rene Winkler (Hannover 78), Mathis Blume, Anton Gleitze, Philipp Gleitze (Berliner RC), Mthunzi Moloi (BSC Offenbach), Hassan Rayan (SC Frankfurt 1880), Jörn Schröder, Pierre Mathurin, Falk Fleisch (Heidelberger RK), Aaron Thomson (Darlington Mowden).


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Freitag, 17. September 2021

Mit Feuereifer beim 25. SAS Sommercamp

60 Rugby-Nachwuchsspieler bereiteten sich auf internationale Aufgaben vor

 Sechzig Kaderspielerinnen und Kaderspieler der Altersklassen U14 bis U18 nahmen in der letzten Woche der Sommerferien am Leistungssport-Sommercamp des Rugby-Verbandes Baden-Württemberg (RBW) teil, das unter der Leitung von Landestrainer Jan Ceselka und der Verbandsjugendwartin Caroline Trost im Landesleistungszentrum beim Heidelberger Ruderklub in Heidelberg-Kirchheim stattfand.

 

Die Jugendlichen, die im Oktober in Hamburg und Hannover ihre Titel als deutsche Meister der Landesauswahlen in den Altersklassen U16 und U18 der Jungen sowie U15 und U18 der Mädchen erfolgreich verteidigen möchten, absolvierten mit OSP-Trainer Max Pietrek vom Deutschen Rugby-Verband und den Landeshonorartrainern Dasch Barber, Matthias Bechtel, Mick Burisch, Felix Martel und Senzo Ngubane sieben anspruchsvolle Trainingseinheiten und übten sich unter der Anleitung von Rugby-Nationalspieler und Ringer-Champion Paul Schüle vom AC Germania Ziegelhausen auch auf kräftezehrende Weise im Zweikampfverhalten. Die Teammanager Elmar Menold und Ben Merdes kümmerten sich um die Organisation des viertägigen Trainingslagers und um die Verpflegung der hungrigen Athleten.

 

Das Sommercamp des RBW, das seit 1995 von über 100 späteren Nationalspielerinnen und Nationalspielern durchlaufen wurde, dient der Vorbereitung auf die internationalen Aufgaben der Landesauswahlen und wird seit 1995 von dem im Heidelberger „Haarlass“ ansässigen US-amerikanischen Analytics- und KI-Marktführer SAS gefördert. „SAS setzt auf starke, nachhaltige Partnerschaften – mit seinen Kunden, aber auch mit der Region, in der wir verwurzelt sind. Das zeigt die langjährige Förderung von kulturellen Eckpfeilern wie dem Heidelberger Frühling und Enjoy Jazz und sportlichen Events wie dem SAS Halbmarathon“, erklärt Thomas Maier, der Manager für Kommunikation bei SAS: „Aber ein volles Vierteljahrhundert Zusammenarbeit mit dem Rugby-Verband Baden-Württemberg ist wohl einmalig – und trotz der schwierigen letzten Monate ein Grund zum Feiern!“

 

Es waren 18 schwierige Monate, die die Rugby-Athleten wegen des Coronavirus ohne Spielbetrieb, aber mit zahllosen Trainings unter den vorgeschriebenen Hygienebedingungen durchleben mussten. Umso größer war die Freude der Spielerinnen und Spieler, endlich wieder „richtiges Rugby“ trainieren zu dürfen. Nachdem das SAS Sommercamp 2020 der Pandemie zum Opfer gefallen war, wurde das 25. Jubiläum der Partnerschaft nun nachgeholt. Leider konnten die drei Trainer des RBW-Partnerlandes Wales wegen der Quarantänevorschriften in ihrer Heimat nicht nach Heidelberg reisen, doch 2022 sind sie wieder dabei. SAS unterstützt auch die Schülermeisterschaften und das Schulrugby mit jährlich 250 Rugbybällen für den Unterricht und für die Lehrkräfte-Fortbildung.

 


Thomas Maier von SAS (hinten, 4. von rechts) begrüßte Baden-Württembergs Rugby-Kaderathleten beim SAS Sommercamp in Heidelberg. Foto: F&S


Dienstag, 31. August 2021

Eine starke moralische Kraft

Zur Erinnerung an IOC-Präsident Jacques Graf Rogge

Jacques Rogge ist tot. Der neunte Präsident in der 125-jährigen Geschichte des Internationalen Olympischen Komitees (IOC), der in zwei Wahlperioden von 2001 bis 2013 amtierte, ist am 29. August 79-jährig verstorben.

 

In der Reihe seiner Vorgänger und seines Nachfolgers sticht der belgische Arzt Jacques Rogge, ein gebildeter, feinsinniger, bescheidener und liebenswürdiger Mann, deutlich heraus. Er verkörperte einen Anführer des Weltsports, der sich ebenso wie der zweite IOC-Präsident Pierre Baron de Coubertin für Anstand und Fairness einsetzte. Der moralisch felsenfeste Schüler eines Genter Jesuitenkollegs hat die Seuche des Sportbetrugs durch Doping härter bekämpft als jeder andere Sportfunktionär, die Weltantidopingagentur (Wada) hat er finanziell und vor allem dadurch unterstützt, dass er sie ihre Arbeit tun ließ, ohne sich ungefragt einzumischen. Für seine Haltung wurde er schon 2002 von König Albert II zum Grafen ernannt.


 

Bei einer Begegnung im Mai 2010 an der Technischen Universität Darmstadt machte Jacques Rogge deutlich, dass das IOC aufgrund der gesellschaftlichen Bedeutung des Sports und seines unermesslichen Reichtums nicht nur die Aufgabe habe, alle zwei Jahre Olympische Sommer- und Winterspiele zu organisieren und den Besten Medaillen um den Hals zu hängen: „Wir haben außersportliche Ziele: Die Beseitigung von Armut und Hunger, die Förderung der Gleichheit von Mann und Frau, die Bekämpfung von Aids, die Förderung von Bildung für alle und die nachhaltige Umweltverträglichkeit des Sports.“ Dass das IOC zu einer Gelddruckmaschine verkommen ist, hat ihm nicht gefallen, obwohl das viele Geld half, sich seinen Zielen zu nähern.

 

Jacques Rogge, 1964, 1968 und 1972 Olympiateilnehmer im Segeln und Rugby-Nationalspieler, hat als junger Arzt drei Monate zur Fortbildung bei Professor Horst Cotta an der Orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg-Schlierbach verbracht. „Das war eine wunderbare Zeit, die ich sehr genossen habe. Ich habe neue Operationstechniken gelernt“, erinnerte sich Jacques Rogge.

 

Nachdem er im Oktober 1964 in Hürth ein Rugby-Länderspiel gegen Deutschland mit 3:11 verloren hatte, wusste er, dass es seinen Sport auch in Heidelberg gibt. Ein anderer junger Arzt namens Gisbert Schumacher – der Vater der Meistertriathletin Katja – kümmerte sich um den hageren Stürmer aus Belgien und nahm ihn mehrfach mit zum Training beim Sportclub Neuenheim. 2010 in Darmstadt sprach er die Hoffnung aus, dass sich die Deutschen im Siebenerrugby für Olympia in Rio qualifizieren würden. Das ist leider nicht geglückt, für Tokio 2021 auch nicht.

 

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IOC-Präsident Jacques Graf Rogge (1942 – 2021). Foto: dpa



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Sonntag, 29. August 2021

Michael Volle ist der beste Hans Sachs der Welt

Ein Fazit nach den 109. Bayreuther Festspielen


Bei den 109. Richard-Wagner-Festspielen in Bayreuth, die am 25. August zu Ende gegangen sind, haben drei Frauen Ovationen des Publikums erfahren. Die ukrainische Dirigentin Oksana Lyniv, die als erste Frau überhaupt eine Oper im Festspielhaus dirigieren durfte und den „Fliegenden Holländer“ ebenso flott wie feinfühlig anbot, die litauische Sopranistin Asmik Grigorian, die sich mit ihrer Interpretation der Senta in die Reihe der ganz großen Wagner-Sängerinnen einreihte, und Lise Davidsen aus Norwegen, die in der konzertant dargebotenen „Walküre“ eine Sieglinde verkörperte, die man nie vergessen wird. Beide Sängerinnen stehen am Anfang einer Weltkarriere: Grigorian wurde bei den International Opera Awards 2019 als „Sängerin des Jahres“ ausgezeichnet, Davidsen wurde diese Ehre 2021 zuteil.

 

Künstlerinnen und Künstler, die während ihrer prägenden Engagements an nordbadischen Bühnen bleibende Eindrücke hinterlassen hatten, wurden von den pandemiebedingt nur 911 Besuchern im Festspielhaus gefeiert. Der 61-jährige Freudenstädter Michael Volle ist – das darf man nach Bayreuth 2021 feststellen – gegenwärtig der beste Hans Sachs der Welt. Ausgebildet von Kammersänger Josef Metternich in Köln und Professor Rudolf Piernay an der Musikhochschule Mannheim, hatte Michael Volle sein erstes Engagement am Nationaltheater Mannheim, wo er sich in den 1990-er Jahren die großen Bariton-Rollen der Wagner-Welt erarbeitet hat. In Bayreuth zählt Michael Volle seit 2007 zu den „Meistersinger“-Solisten, zunächst als Stadtschreiber Sixtus Beckmesser und seit 2017 als Schustermeister Sachs.

 

Der aus Trento in Südtirol stammende Bariton Armin Kolarczik, der sich nach dem ersten Staatsexamen auch Magister Juris nennen darf, ist seit 2007 am Badischen Staatstheater Karlsruhe engagiert und feierte dort als Wolfram von Eschenbach im „Tannhäuser“, Beckmesser in den „Meistersingern“ und Kurwenal in „Tristan und Isolde“ Erfolge. In Bayreuth ist er seit 2017 als Spenglermeister Konrad Nachtigal zu erleben – musikalisch und komödiantisch ein Vergnügen.

 

Der im polnischen Lodz geborene Bariton Tomasz Konieczny, dessen Stammhaus seit 2009 die Wiener Staatsoper ist und der im Bayreuther „Lohengrin“ von 2018 den Friedrich von Telramund gab, musste Ende Juli eine ganz schwierige Aufgabe meistern. Nachdem Walküren-Wotan Günther Groissböck in der Generalprobe Stimm- und Textprobleme hatte, sprang Konieczny ein und erntete reichen Dank des Publikums. Tomasz Konieczny war von 2002 bis 2005 Ensemblemitglied des Nationaltheaters Mannheim und hatte als bester Nachwuchssänger den vom Intendanten ausgelobten Arnold-Petersen-Preis erhalten.

 

Anfang der 2000-er Jahre war Mannheim ein Sprungbrett für Talente, zu denen von 2001 bis 2007 auch der 52-jährige Bariton Markus Eiche aus St. Georgen zählte, der neben seinem Engagement in Wien und seinen Gastspielen in aller Welt seither auch immer wieder in Bayreuth singt. Seit 2019 verkörpert er den Wolfram von Eschenbach im „Tannhäuser“ – man darf von einer Idealbesetzung sprechen.

 

Die Sopranistin Daniela Köhler wurde während ihres Studiums bei Professor Ingrid Haubold an der Musikhochschule Karlsruhe vom Zonta Club Karlsruhe und dem Lions Club Durlach gefördert und gab nun die Walküre Helmwige. Am Nationaltheater Mannheim wird sie in der neuen Spielzeit als Senta im „Holländer“ zu erleben sein.

 

Die Sopranistinnen Nelly Palmer aus Ludwigshafen und Tatjana Petersen aus Mannheim, die Altistin He Mi Kwon aus Karlsruhe, Tenor Gimoon Cho aus Mannheim und Bass Oliver Pürckhauer aus Ludwigshafen sangen im fabelhaften Festspielchor, und im Festspielorchester trugen die beiden Nationaltheater-Musiker Orlando Fellows in den 2. Violinen und Alexander Michael Petersen mit der Viola zum großartigen Klang bei.

 

Der Richard-Wagner-Verband Heidelberg, der den Sopran Felicity Förster aus Frankfurt/Main, den südkoreanischen Bariton Joonyeop Kim von der Musikhochschule Mannheim und die aus Peru stammenden Brüder Lorenzo Costa (Violine) und Leonardo Costa (Cello) mit Stipendien zur Festspiel-Teilnahme ausgestattet hatte, feiert am 19. September im Palais Prinz Carl sein 100-jähriges Bestehen mit Musik und Festvorträgen – man darf sich vorfreuen.



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Sonntag, 8. August 2021

Die Hoffnung stirbt zuletzt

Kritisch ferngesehen (V)

Die XXXII. Olympischen Sommerspiele 2020 in 2021 in Tokio sind Geschichte. Sie waren – da nehmen wir dem IOC-Präsidenten Dr. Thomas Bach die Lobesworte frech von der Zunge – die besten Coronavirus-Spiele aller Zeiten. Die deutschen Athletinnen und Athleten haben ihre Wettkämpfe tapfer durchgestanden, ihre Siege in würdiger Bescheidenheit gefeiert und ihre Enttäuschungen (wie der Skuller Oliver Zeidler, der Zehnkampf-Weltmeister Niklas Kaul und die Speerwurf-Asse Christin Hussong und Johannes Vetter) geschickt hinter den Hoffnungen auf Paris 2024 verborgen. Die Kampfrichtenden sind so gut wie nie unangenehm aufgefallen, und die Funktionierenden haben erwartungsgemäß funktioniert und wurden nur dann vorzeitig nach Hause geschickt, wenn sie sich rassistisch geäußert oder ein fremdes Pferd, das eselhafte Sturheit an den Tag legte, mit einem Fausthieb auf den Popo bestraft hatten.

Die Angehörigen der vom scheidenden DOSB-Präsidenten Alfons Hörmann umsichtig angeführten deutschen Equipe haben sich stark bemüht, Platz fünf im Medaillenspiegel von 2016 in Rio de Janeiro aber nicht halten können. Rang neun wurde in einem Kopf-an-Kopf-Rennen mit den Niederlanden, Italien und Frankreich auf den Plätzen sieben, acht und zehn belegt. 17 Goldmedaillen gab es in Rio, diesmal nur zehn. Elfmal glitzerte das Edelmetall diesmal silbern, das ist ebenso besser als an der Copa Cabana (10) wie die Ausbeute der Bronzemedaillen: Rio 15, Tokio 16 – insgesamt gab es 42 Plaketten in Brasilien und 37 in Japan.

Man kann also nicht behaupten, dass die 2015 eingeleitete Spitzensportreform schon sichtbare Verbesserungen gezeitigt hätte. Das mag aber auch daran liegen, dass der ehemalige Bundessportminister Thomas de Maizière (CDU) und seine überforderten BMI-Beamten dem Sport den dringend benötigten Mittelaufwuchs zu lange verweigert haben und erst der gegenwärtige Sportminister Horst Seehofer (CSU) die zwischen Politik und Sport vereinbarten Fördergelder gewährt hat. Ihm war bewusst, dass der, der Medaillen und persönliche Bestleistungen fordert, auch wirksam fördern muss. In drei Jahren in Paris sollte sich der neue Geldsegen aus der Staatskasse aber positiv auswirken – die Hoffnung stirbt zuletzt.

Interessant am Rande: Nicht weniger als 93 Nationen haben in Tokio Edelmetall gewonnen, Botswana, Burkina Faso, die Elfenbeinküste, Ghana, Grenada, Kuwait, Moldawien und das vom Krieg zerstörte Syrien haben jeweils eine Bronzemedaille erkämpft. Olympiasieger 2021 wurden die USA mit 39 Gold-, 41 Silber- und 33 Bronzemedaillen (= 113 Plaketten) vor China (38/32/18 = 88) und Gastgeber Japan (27/14/17 = 58). Den Ausschlag im erbitterten Zweikampf an der Spitze gaben die Siege der US-amerikanischen Basketball- und Volleyball-Frauen. Die wenigen russischen Sporttreibenden, die in den letzten drei Jahren nicht beim Doping erwischt wurden, sind Vierte (20/26/23 = 69).

Die drei Dressur-Damen und Jessica von Bredow-Werndl in der Einzelwertung, Vielseitigkeitsreiterin Julia Krajewski, Wildwasserkanutin Ricarda Funk, Ringerin Aline Rotter-Fokken, die Frauen des Bahnrad-Vierers und Weitspringerin Malaika Mihambo eroberten sieben der zehn Goldmedaillen für den DOSB. Dem stehen die Olympiasiege von Alexander Zverev im Tennis, von Florian Wellbrock im Freiwasserschwimmen und der Männer des Kajak-Vierers gegenüber. Wollte man nun behaupten, Frauen in Deutschland seien stärker als Männer, so wäre dies, lieber Leser, liebe Leserin und liebes Leserlein, ausnahmsweise mal nicht sexistisch und politisch völlig korrekt. Die Äußerung der ZDF-Expertin Christina Vogel, die unter Wert geschlagenen deutschen Keirin-Frauen bräuchten jetzt halt mal ein paar Eier, hat nicht nur meinen Papagei verwirrt. „So sagt man bei uns Radfahrern“, erläuterte Vogel. „Aha!“, sagte mein Papagei.

Über das Abschneiden der deutschen Spielsportmannschaften ist mein Papagei sprachlos. Die Fußballer, Basketballer und Handballer, beide Hockeyteams und die Beachvolleyballer haben keine Medaillen gewonnen. Die Frauen im Basketball, Fußball, Handball, Siebenerrugby, Volleyball und Wasserball und die Männer im Siebenerrugby, Volleyball und Wasserball hatten sich nicht für Tokio qualifiziert.

Mein Papagei ist außerordentlich froh, am vorletzten Wettkampftag endlich, endlich den IOC-Präsidenten im Fernsehen entdeckt zu haben. Thomas Bach hatte den streng bewachten Hotelturm seines edlen Clubs verlassen und sich, eskortiert von seinem wahrscheinlichen Nachfolger Lord Sebastian Coe, unter das Volk begeben, um den Marathonläuferinnen beim Zieleinlauf zu applaudieren. Der oberste Sportler der Welt trug vorschriftsgemäß eine Mund-Nasen-Bedeckung, um sich vor dem Virus zu schützen und von den wenigen Menschen an der Strecke nicht erkannt zu werden.

Bach hatte sich im Vorfeld der Spiele, obwohl er Abitur und studiert hat, gegenüber den Gastgebern ziemlich ungeschickt geäußert und zu schlechterletzt die Bitte der japanischen Regierung ignoriert, die Wettkämpfe am Jahrestag des Atombombenaufwurfs auf Hiroshima für eine Gedenkminute zu unterbrechen. Thomas Hahn, der für die Süddeutsche Zeitung sehr kluge Artikel schreibt, hat in Tokio eine Bevölkerungsbefragung durchgeführt und ermittelt, dass der IOC-Präsident im Land der aufgehenden Sonne so beliebt sei wie Auric Goldfinger. Ältere Zeitgenossen werden wissen, dass dieser von Gert Fröbe verkörperte Bösewicht 1964 in der ersten James-Bond-Verfilmung der Gegenspieler von 007 Sean Connery gewesen ist.

Freitag, 6. August 2021

Die Bahnen werden immer schneller

Kritisch ferngesehen (IV)

Wer bei den Fernsehübertragungen von den Olympischen Spielen 2020 in 2021 so aufmerksam zuschaut wie mein Papagei, entdeckt Erstaunliches. Weil sich auch in Tokio das Coronavirus hartnäckig gegen alle möglichen Desinfektionsmittel wehrt und selbst Meister Proper ziemlich machtlos ist, tragen die Sporttreibenden und ihre Betreuenden ebenso wie die Kampfrichtenden, Zuschauenden und Reportierenden die vorgeschriebenen Mund-Nasen-Bedeckungen, und zwar ganz unabhängig davon, ob sie weiblich, männlich oder divers sind. Mein Papagei, das muss ich Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, ganz unverblümt berichten, war geradezu entsetzt, dass Dalera, Bella Rose und Showtime sämtliche Hygienevorschriften missachtet haben und die Goldmedaille in der Dressur ohne Coronamaske gewonnen haben. „Diese stolzen Rösser können sich wohl alles leisten“, schimpfte mein Papagei.

Mit Mund-Nasen-Bedeckung und damit vollkommen regelgerecht kommentierte Carsten Sostmeier die Reitwettbewerbe für die ARD und hat sich – wie 2016 in Rio – auch bei diesen Olympischen Spielen den Medienpreis meines Papageis verdient. Der 62-jährige gelernte Bankkaufmann aus Bad Soden-Salmünster gilt als der Poet unter den Sportreportern. Den Ritt der deutschen Dressurreiterin Dorothee Schneider auf Showtime kommentierte er - leise näselnd – sinngemäß so: „Die Schenkel der Reiterin umfangen gefühlvoll den Leib des Pferdes, so dass dieses gehorsam die Ohren spitzt und mit dem Schweif wedelt…“ Honi soit qui mal y pense – uns ist es jedenfalls ein Vergnügen, aus Sostmeiers Werken zu rezitieren.

Im Turnen hat sich viel verändert. Turnerinnen nehmen sich das Recht heraus, mit langen Hosen zu performen und haben dafür ebenso unseren Beifall verdient wie die US-Amerikanerin Simone Biles. Die beste Turnerin aller Zeiten spürte unangemessenen Erfolgsdruck und eine innere Schwäche und nahm sich die Freiheit, das Mannschaftsfinale abzubrechen und zum Mehrkampffinale nicht anzutreten. „Respekt!“, klatschte mein Papagei mit den Flügeln, der natürlich weiß, dass alle Amerikaner und insbesondere die Sponsoren der Athletin Gold, Gold und nichts anderes als Gold erwartet hatten. Zum Abschluss der Gerätefinals gewann sie Bronze am Schwebebalken – die siebte Olympiamedaille der 24-Jährigen ist für sie und für uns Gold wert.

„Turnküken“ gibt es bei Olympischen Spielen übrigens nicht mehr, seit der Weltverband entschieden hat, dass man 16 Jahre alt sein muss, um teilnehmen zu dürfen. Dass man auch als ausgewachsene Frau beste Leistungen zeigen kann, bewies die vor 27 Jahren im Heidelberger St. Elisabeth-Krankenhaus gesund zur Welt gekommene Eli Seitz, die für Stuttgart turnt und in Tokio mit Platz fünf am Stufenbarren überzeugte.

Ein bisschen älter als Seitz ist Oksana Chusovitina, die in Tokio – nach ihren achten Olympischen Spielen und im Alter von 46 Jahren – entschieden hat, ihre erfolgreiche Laufbahn zu beenden. Die 1,53 Meter große und 44 Kilogramm schwere Turnerin war 1991 Weltmeisterin am Boden und mit dem Team und 2003 Weltmeisterin im Sprung und feierte 1992 in Barcelona den Olympiasieg mit dem Team. Oksana Chusovitina startete, weil die Weltpolitik es so wollte, bei Olympia für vier Nationen: Zunächst für die Sowjetunion, dann für die GUS, später für Usbekistan, von 2006 bis 2013 für Deutschland und nun wieder für Usbekistan. Nach Deutschland kam sie ihres damals dreijährigen Sohnes wegen, der in der Uniklinik Köln wegen einer lebensgefährlichen Krankheit behandelt werden musste. Damals turnte die Mama in der Bundesliga für Toyota Köln.

In Zeiten strenger Dopingkontrollen, die freilich während der Pandemie nicht überall durchführt werden konnten, sind Weltrekorde seltener geworden. Wohlmeinende Kommentatoren führen Bestzeiten im Radsport, im Schwimmen und in der Leichtathletik hauptsächlich auf schnelle Bahnen, weiches Wasser und technische Verbesserungen an den Schuhen, Rädern, Badekappen und Helmen zurück, denn im Hochleistungssport besteht die Grundüberzeugung, dass alle Akteure hundertprozentig gut und edel sind.

Ältere Menschen werden sich daran erinnern, dass bei den Olympischen Spielen 1972 in München der deutsche Bahnrad-Vierer mit Jürgen Colombo (Stuttgart), Günter Haritz (Leimen-St. Ilgen), Udo Hempel (Düsseldorf) und Günther Schumacher (Rostock) die Goldmedaille gewonnen haben. 4:22,14 war die Siegerzeit, und Silbermedaillengewinner DDR kam nach 4:25,25 Minuten ins Ziel. 2021 in Tokio schlug sich der deutsche Bahnvierer ebenfalls prächtig und stellte mit 3:48,86 Minuten einen neuen deutschen Rekord auf. Diese Fabelzeit reichte für Domenic Weinstein (Villingen), Leon Rohde (Hamburg), Theo Reinhardt (Berlin) und Felix Groß (Feuchtwangen) aber nur zu Platz sechs. So schnell ist die – diesmal von einer deutschen Schreinerei gebaute - Fichtenholz-Bahn inzwischen geworden. Sollte Annalena Baerbock Bundeskanzlerin werden, ist allerdings – mindestens europaweit – mit einem Tempolimit zu rechnen. 

Sonntag, 1. August 2021

Kamelrennen bei Olympia 2024?

Kritisch ferngesehen (III)

 

Was haben Daniel Jasinski, Clemens Prüfer und mein Papagei gemeinsam? Ja, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, sie haben beim Finale im Diskuswerfen zugeschaut.

 

Bis zur Halbzeit in Tokio haben uns die Wildwasserkanuten, die Wasserspringer, die Judoka (jeweils m/w) und die Dressurreiter und ihre Pferde (w/d) in Entzücken versetzt, und als Alexander Zverev (m) den weltbesten Tennisspieler Novak Djokovic besiegt hatte, wurde es auf unserem Sofa nass, denn auch meinem Papagei perlten Freudentränen übers Gefieder.

 

Bei anderen Sportarten muss man bezweifeln, ob die Reform des deutschen Spitzensports, die zu einer rasanten Vermehrung teurer Sportdirektoren und Leistungssportreferenten geführt hat, während Trainer (m/w/d) noch immer schlecht bezahlt werden, schon Wirkung entfaltet hat. Die Ruderer und Schwimmer (m/w) warfen Fragen auf, weil sie – sofern überhaupt qualifiziert – in den Vorläufen schneller waren als in den Finals. Und über das Abschneiden der Fechter (m/w) und Fußballer (m) schweigt des Sängers Höflichkeit. Der DFB, größter Sportverband der Welt, schickte einen unvollständigen Kader nach Japan, weil Topklubs Olympia für Quatsch halten. Das müssen Politiker wissen, wenn der DFB wieder Sonderrechte reklamiert, für die es sportlich keine Berechtigung mehr gibt.

 

Für die neueren olympischen Sportarten – BMX, Baseball, 3 x 3-Basketball, Siebenerrugby, Skateboard, Wellenreiten – haben sich deutsche Athletinnen und Athleten entweder nicht qualifiziert oder sie nahmen unter „ferner liefen“ teil. Mein Papagei, an Neuem immer interessiert und total begeistert, wenn Menschen mit Tieren so gut harmonieren wie die Dressurreiterinnen, hat einen Brief an IOC-Präsident Thomas Bach geschrieben und für die nächsten Olympischen Spiele die Aufnahme zweier neuer Wettbewerbe in das Programm vorgeschlagen: Windhunderennen (damit die Mitglieder des IOC selbst ein bisschen Sport treiben können statt sich in einem Hotelturm zu verschanzen) und Kamelrennen, wodurch man die uralten Disziplinen Straßenrennen und Einzelzeitfahren elegant ersetzen könnte. „Dabei können unsere Radprofis sowieso nicht mithalten“, findet mein Papagei.

 

Dass man heutzutage, also bei Olympia 2020 in 2021, Worte, die einem am Stammtisch über die Lippen flitzen, nicht laut sagen und schon gar nicht brüllen darf, weiß nun auch der Rad-Sportdirektor Patrick Moster, der unter den Konkurrenten seiner Looser „Kameltreiber“ wähnte, obwohl Kamele überhaupt nicht radfahren können. In Zeiten des Respekts ist man auch gut beraten ist, Menschen nicht mit Tieren zu vergleichen. Turnflöhe, Wasserratten, Sandvipern oder Fußballmäuse sind mindestens unmodern, wenngleich Mexikos Fußballer arg an Speedy Gonzales erinnern.



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Dienstag, 27. Juli 2021

Donnergrollen im Taubertal

Kritisch ferngesehen (II)

 

Mein Papagei ist ein vernünftiger Vogel. Obwohl er klimafreundlich fliegt, hat er auf eine Reise nach Tokio verzichtet. Als Fernsehzuschauer traf er Bekannte, Stimmungen fing er bei spritfreien innerdeutschen Flügen ein.

 

Im ZDF-Sendezentrum in Mainz empfing ihn Carlos Soteras Merz (30), der Kapitän der deutschen Siebenerrugby-Nationalmannschaft, der als Experte gemeinsam mit Reporter Oliver Schmidt das olympische Turnier kommentiert. Der Wirtschaftsingenieur stammt aus Stuttgart, war mit Pforzheim 2015 deutscher Meister und wirkt seit zwei Jahren für die Rudergesellschaft Heidelberg und seinen Arbeitgeber, die Bundeswehr-Sportfördergruppe in Todtnau. „Ich bin meinen Vorgesetzten dankbar, dass sie mir das Engagement beim ZDF erlaubt haben“, ließ Soteras Merz, dessen chilenischer Vater Jorge seit Menschengedenken Kapitän der baden-württembergischen Oldies-Auswahl ist, meinen Papagei wissen.

 

Gemeinsam sahen sie das Match zwischen Titelverteidiger Fidschi und Kanada (28:14) und trafen mit dem Flügelflitzer Theo Sauder (25) einen Bekannten. Der Schlussmann der Toronto Arrows in der Major League gastierte 2012 mit den Dog River Howlers aus Saskatchewan bei den SAS Institute Heidelberg Juniors Sevens. Im November 2018 spielte Sauder bei der WM-Qualifikation in Marseille gegen Hongkong und Deutschland, und beim 65:19-Sieg Kanadas gegen Kenia legte er zwei Versuche.

 

Vorgestern schaute mein Papagei im lieblichen Taubertal vorbei und vernahm am Friedhof ein Donnergrollen, das nichts mit dem Klimawandel zu tun hat. Der dort seit 2006 ruhende Friseur- und Fechtmeister Emil Beck reagierte auf das Olympia-Aus der Würzburgerin Leonie Ebert (21) im Achtelfinale des Florett-Einzelwettbewerbs. Die vierfache deutsche Meisterin hatte sechs Jahre lang für Becks FC Tauberbischofsheim gefochten, war aber 2018 mit Carolin Golubytskyi und Anne Sauer zum sechs Kilometer entfernten Future Fencing Werbach gewechselt, „weil wir in einem vertrauensvollen Umfeld fechten wollen.“ 1988 hatte der FC TBB sein bestes Jahr: Anja Fichtel holte Gold, Sabine Bau Silber, Zita Funkenhauser Bronze. In Tokio war Ebert die einzige deutsche Fechterin überhaupt.

 

Mein Papagei ist nicht nur vernünftig, sondern auch neugierig. „Was treiben die eigentlich den lieben langen Tag in ihrem Bundesstützpunkt?“, stellte er eine kluge Frage in den Raum.

 

Claus-Peter Bach am 28. Juli 2021 in der Rhein-Neckar-Zeitung



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Samstag, 24. Juli 2021

Die Grinsekatze ist in Hochform

Kritisch ferngesehen (I)

Schon Oma wusste, dass man auf dem heimischen Sofa die schönsten Erlebnisse haben kann. „Dass ich das noch erleben darf!“, seufzte die 90-Jährige, als Hans-Joachim Kulenkampff in „Einer wird gewinnen“ seine Spielkameradinnen aus acht Ländern auf die Schippe nahm. Mein Papagei und ich haben uns, obwohl der Sommer ausgebrochen ist, auch auf das Kanapee gekuschelt, denn es ist Olympia.

 

Dass die Spiele in Tokio begonnen haben, sehen Sie, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, daran, dass Ihnen Jessy Wellmer schon vormittags begegnet. Die forsche Grinsekatze der ARD startete furios durch und hatte schon am Tag vor der Eröffnungsfeier die sechsfache Olympiasiegerin Isabell Werth (mit Pferdeschwanz, aber ohne Ross) als Studiogast. Die erfolgreichste Dressurreiterin aller Zeiten hörte sich die fünf, sechs Fragen der Moderatorin höflich an, beschied aber immer wieder, dass sich „diese Frage nicht stellt“ oder „so nicht stellt“. Olympia ohne Zuschauer: „Wäre es da nicht besser gewesen, zu Hause zu bleiben?“ Das hat sich Isabell Werth natürlich nicht gefragt, denn sie ist Profisportlerin, und Olympia ist der wichtigste Wettkampf des Jahres. Ob es denn nicht schwierig sei, am frühen Morgen aufzustehen und die Pferde zu füttern, um sodann den ganzen Tag lang auf den Grand Prix oder Grand Prix Spécial warten zu müssen? Nein, das sei sie gewohnt, so sei das immer, Tag für Tag, jahrein, jahraus.

 

Erst gegen Ende der Unterhaltung merkte mein Papagei auf. Man habe, verriet die Rittmeisterin, die edlen Vierbeiner paarweise miteinander bekannt gemacht, „sie konnten sich beschnuppern“. Die frisch verliebten Pferdepärchen wurden dann in gemeinsame Boxen gelockt, in denen sie den 18-stündigen Flug nach Japan allesamt gut überstanden hätten. „Sieh mal einer an!“, freute sich mein Papagei über so viel Menschlichkeit in der olympischen Fauna. Damit er die vielstündigen Übertragungen aus Tokio gut durchhalten kann, hat mein Papagei übrigens den Jod S11-Körnchen abgeschworen. Er knabbert jetzt Kürbiskerne, das ist knackiger und gut für die Prostata.

 

Kaum hatte Jessy Wellmer die zuversichtliche Isabell Werth mit einer Plüsch-Grinsekatze, dem Maskottchen dieser Spiele, in den olympischen Ernst entlassen, machte sie sich gemeinsam mit Frank Busemann und Julius Brink auf die Suche nach dem olympischen Geist. Der war dem Zehnkampf-Zweiten 1996 in Atlanta kurz begegnet, und der Beachvolleyball-Olympiasieger von 2012 in London erlebte das Phänomen auf dem Paradeplatz der königlichen Reiterei, als 12 000 Fans seine Goldmedaille feierten. Doch kann es Geisterstunden ohne Zuschauer in den Sportstätten geben?

 

Mit detektivischen Spürsinn erkundete Jessy Wellmer, warum in der ersten Spielhälfte von Mexiko gegen Frankreich und Neuseeland gegen Südkorea keine Tore gefallen waren. „Ob es an der Hitze liegt?“, stellte sie eine weitere kühne Frage in den Raum. Doch Brink und Busemann waren sich einig: Hitze ist für Sportler eher gut.

 

Claus-Peter Bach am 24. Juli 2021 in der Rhein-Neckar-Zeitung



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Dienstag, 20. Juli 2021

„Alle deutschen Athleten sollen gesund nach Deutschland zurückkehren“

DOSB-Präsident Alfons Hörmann zu Olympia in Tokio


Alfons Hörmann (60) aus Sulzberg im Oberallgäu ist seit Dezember 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Der frühere Chef des Deutschen Ski-Verbandes führt die deutsche Equipe zu den Olympischen Spielen nach Tokio, wird aber nach verbandsinternen Angriffen Ende des Jahres nicht für eine dritte Amtszeit kandidieren. Claus-Peter Bach blickte mit Alfons Hörmann nach Tokio.

 

Herr Präsident Hörmann, der deutsche Sport geht in Tokio mit einer großen Olympiamannschaft in die Wettkämpfe. Was trauen Sie Ihren Sportlerinnen und Sportlern zu?

 

Wir erhoffen uns einfach, dass die Athletinnen und Athleten des Teams Deutschland ihre bestmöglichen Leistungen zeigen und erneut wertvolle Botschafter unseres Landes sein werden. Aufgrund der Pandemie werden das ganz besondere Spiele, für die Voraussagen noch schwieriger sind als normalerweise. Doch die Athletinnen und Athleten werden wieder einmal ihr Bestes geben.

 

Sie hoffen darauf, dass die deutschen Olympiateilnehmenden beim Wettkampf ihres Lebens Bestleistungen erreichen können. Ist das nach so langer Wettkampfpause überhaupt möglich?

 

Die Athletinnen und Athleten haben sich aus meiner Sicht nach der zeitlichen Verschiebung um ein Jahr hervorragend auf die neuen Bedingungen eingestellt, so dass wir sicher sind, dass sie in Tokio bestens vorbereitet an den Start gehen. Natürlich hat es die Vorbereitung erschwert, dass zum Teil fast das gesamte Wettkampfsystem weggefallen ist. Da fehlt der internationale Vergleich, aber das geht ja allen internationalen Sportlern ähnlich.

 

Wie würden Sie die Vorbereitungen im Vergleich zu Rio 2016 beschreiben?

 

Das ist sicher nicht für alle gleich zu beantworten, es hängt sehr von den individuellen Bedingungen ab und ist auch deutlich unterschiedlich in den verschiedenen Sportarten. Teilweise konnte früh schon intensiv trainiert werden, teilweise erst viel später. Hallensportarten, vor allem auch Zweikampf- und Spielsportarten, hatten es weit schwerer als die, die im Freien individuell trainieren konnten. Aber insgesamt gehen wir schon davon aus, dass nun, ein Jahr später, die Vorbereitung sehr gut war.

 

Die Athletinnen und Athleten hatten zur Vorbereitung ein Jahr mehr zur Verfügung – ist das gut oder schlecht?

 

Auch das kann man nicht für alle gleich beantworten. Für manche war es sogar ein Vorteil, um vielleicht eine Verletzung auszukurieren oder eine dringend notwendige Regenerationszeit einzulegen und dadurch Leistungsverbesserungen zu erreichen, andere dagegen waren im vergangenen Jahr in Topform und kommen vielleicht 2021 nicht mehr ganz an diese Leistungen heran. Die verzögerte Umsetzung der Spiele wird zu Gewinnern und Verlierern führen.

 

Wurde der Kampf gegen das Doping während des weltweiten Sport-Lockdowns konsequent weitergeführt oder haben die deutschen Olympioniken unfaire Wettkampfbedingungen?

 

Auch in diesem Thema besteht dieses Mal eine weit größere Ungewissheit als das bereits unter normalen Umständen der Fall wäre. Keiner kann wohl genau antizipieren, welche Kontrollszenarien weltweit seitens der Wada und der nationalen Antidopinginstitutionen konkret umgesetzt wurden. Die Folgen werden wir vielleicht schon während, aber sicher nach den Olympischen Spielen besser einschätzen können.

 

Auf welche Wettkämpfe freuen Sie sich am meisten, welche Talente wollen Sie besonders intensiv beobachten?

 

Aufgrund der besonderen Rahmenbedingungen wird die Auswahl der Wettkämpfe dieses Mal kein Wunschkonzert, sondern wir werden wohl eher das ansehen, was eben gerade möglich ist. Doch der bunte Mix aus den vielen Sportarten bringt dann so oder so allemal auch interessante Wettkämpfe und Erlebnisse. Ich freue mich einfach darauf, möglichst viele Team D-Mitglieder beim Wettkampf erleben und unterstützen zu können.

 

Und schließlich eine Frage, die doch sein muss: Wo erwarten Sie Ihr Sportdeutschland im Medaillenspiegel?

 

Natürlich wollen wir weiterhin eine der weltweit führenden Nationen bleiben. Doch wir beobachten und bewerten sehr viel individueller: Ist es den Athleten gelungen, in Höchstform bei den Spielen anzutreten? Ist es vielleicht ein junger Athlet oder eine junge Athletin, die allein durch das Erreichen des Halbfinales einen großen persönlichen Erfolg erzielte? Natürlich freuen wir uns über Medaillen. Wir wollen den Erfolg, aber nicht um jeden Preis. Uns ist es mindestens so wichtig, dass die Mitglieder des Teams Deutschland als hervorragende Botschafter des deutschen Sports und unseres Landes auftreten. Und nicht zuletzt: Unser wichtigstes Ziel bei diesen besonderen Spielen ist, dass alle gesund sind, bleiben und gesund wieder nach Deutschland zurückkehren.


Alfons Hörmann führt die deutsche Olympiamannschaft in Tokio an. Foto: dpa



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