Über den Umgang der Sportler mit dem Coronavirus
Haben Sie das mitbekommen, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein? Zehn Tage lang hat unsere Bundesmutti, neugierige Wissenschaftlerin durch und durch, das Coronavirus umkreist, umzingelt und studiert. Dann schlüpfte sie in das schicke kleine Königsblaue, eilte in die Bundespressekonferenz, mutierte flugs zur Bundeskanzlerin und erklärte das Virus – wie Ihre RNZ schrieb – zur „Chefinnensache“ (ein merkwürdiges Wort, sorry!), worauf der neben ihr sitzende Gesundheitsminister Jens Spahn ein bisschen schmallippig wurde. Merkel sagte, dass nicht nur sie, sondern alle Deutschen das Virus jetzt verstehen müssten und rief das Zeitalter der Vernunft aus: „Nicht Händeschütteln, sondern lächeln, lächeln, lächeln!“
Es dauerte noch einen weiteren Tag, bis der Chef auf der anderen Seite des Atlantik bemerkte, dass es das Virus auch in seinem Land gibt. Unter Aufbietung all seiner Idiotie hat er herausgefunden, dass das kleine Teufelsding von den Europäern importiert worden sei. „Pfui!“, ruft mein Papagei empört: „So spricht man nicht über seine Vorfahren.“
So wie Jens Spahn, der nun nur noch Corona-Sous-Chef ist, müssen sich – auch im Sport – viele Menschen neu orientieren. Dietmar Hopp beispielsweise kann angesichts der Geisterspiele wieder unbeschwert Fußball gucken, ohne befürchten zu müssen, von Chaoten mit unflätigen Transparenten beleidigt zu werden. Die Chefetage des DFB kann sich wieder in Stadien wagen, ohne ausgepfiffen zu werden. Die DFB-Märchenkönige Zwanziger, Niersbach und Schmidt sind schon so krank, dass sie ihre Häuser nicht mehr verlassen können, weshalb das Schweizer Bundesgericht in Abwesenheit gegen sie verhandelt. Auch die Hass-Ultras, die nun vergeblich an den Stadiontoren rütteln, müssen mit ihrem bisschen Hirn genau überlegen, wo sie ihr „Arschlochtum“ ausleben wollen.
„Jetzt bist Du aber grob!“, schüttelt mein Papagei sein Federhaupt, dabei habe ich doch nur Sir Salman Rushdie zitiert. Der indisch-britische Schriftsteller hat in seinem neuesten Roman die Erlebnisse seines Protagonisten Quichotte und dessen Sohn Sancho geschildert, die mit dem Auto durch den von weißen Trumpianern beherrschten Rostgürtel fahren und, weil sie Andersartige und Andersdenkende mit nicht-weißer Hautfarbe sind, in Kneipen und Cafés von diesen US-Ultras angepöbelt, angespuckt, verdroschen und beinahe umgebracht werden. Gut, so schlimm ist es in den Bundesliga-Stadien vor Corona noch nicht gewesen...
Nun müssen sich die Vereine aber sorgen und wappnen. Spiele ohne Zuschauer, gar keine Spiele – das können nur die Superreichen längere Zeit verkraften. Rummenigge & Co. dürfen sich ausruhen wie der Drache Fafner in Wagners „Siegfried“: „Ich lieg und besitz – lasst mich schlafen!“ Was aber tun in den nächsten Wochen die Parkplatzwächter, Caterer, Bedienungen im VIP-Bereich und die vielen tausend Polizisten, die samstags plötzlich frei haben? Werden die Vereine ihre vielen Angestellten weiterhin entlohnen können? Erhalten auch sie Kurzarbeitergeld? Und die Profis? Gibt es Stütze von der Bundesanstalt? Werden sie auf die Solidarität der Gesellschaft pochen und als Großverdiener den Sinn der Sozialsysteme pervertieren?
„Vorsicht ist die Mutter der Porzellankiste“, heißt ein Sprichwort aus Omas Zeiten, als Krankheiten wie Ruhr und Cholera die Menschheit geißelten. Den Empfehlungen der Gesundheitsämter zu folgen, ist nicht hysterisch, sondern verantwortungsvoll. Es geht nicht um das eigene Ego, sondern um das Wohl der anderen. Da hierzulande viele Sportveranstaltungen verschoben oder abgesagt wurden oder verschiedene Ligen den Spielbetrieb ganz eingestellt haben, überraschte am Mittwoch um 16.33 Uhr eine kleine Meldung der Deutschen Presse-Agentur: „Wegen der Ansteckungsgefahr durch das Coronavirus wird das Euroleague-Basketballspiel zwischen AX Armani Exchange Mailand und Olympiakos Piräus in der Berliner Mercedes-Benz Arena ausgetragen“, stand da geschrieben. „Wahnsinn!“, entrüstete sich mein Papagei. Da Behörden in der Hauptstadt diesem möglichen Import von Viren aus Italien und Griechenland offenbar zugestimmt haben, weiß man nun, dass Idiotie ein weltumspannendes Phänomen ist.
Meine frisch verliebte Nachbarin freilich, die mit ihrem Ehemann oft lautstarke Konversation pflegt, strahlt glückselig. Sie hat dem sportbegeisterten Büffel zum 55. Geburtstag online ein gruselig originelles Geschenk besorgt: Ein Ticket für Mailand gegen Athen in Berlin. Es war sogar ziemlich preiswert.
Das nennt man, frei nach Gabriel Garcia Márquez, „die wahre Liebe in den Zeiten von Corona“.
Claus-Peter Bach am 14. März 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung
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