Mittwoch, 25. März 2020

Hanteltraining in Ohio statt Boat Race auf der Themse

Über den Heidelberger Ruderer Ben Landis

Ben Landis ist ein Ruderer, der im Jugendtraining der Rudergesellschaft Heidelberg erstmals in einem Boot saß, von der begnadeten Gerda Ott († 2017) beim Heidelberger Ruderklub zu einem hoch motivierten und ehrgeizigen Athleten ausgebildet wurde und als B- und A-Junior zwei Bronzemedaillen bei den deutschen Meisterschaften gewonnen hat.

Das war 2010 und 2012 auf dem windumtosten Essener Baldeneysee – einmal im Vierer ohne Steuermann des Landesruderverbandes Baden-Württemberg mit seinem Vereinskameraden David Diel, dem Stuttgarter Alexander Archner und Mark Faupel aus Überlingen, das andere Mal mit dem „Südteam-Achter“, einer Renngemeinschaft mehrerer süddeutscher Landesverbände.


Ben Landis, der am 20. März seinen 26. Geburtstag feierte, praktiziert gegenwärtig bei der internationalen Großbank HSBC in New York City, doch schon bevor Bürgermeister Bill de Blasio eine Ausgangssperre für die ganze Stadt verhängte, floh Ben Landis „aus meinem wirklich kleinen Zimmer“ nach Cincinnati im Bundesstaat Ohio, wo die Eltern seiner Freundin Grace abseits vieler Menschen ein Haus besitzen, wo sogar ein regelmäßiges Training auf einem Fahrradergometer und mit Hanteln möglich ist. „Dort arbeite ich im Homeoffice für die Bank und halte mich fit. Wir wahren die Distanz zu Nachbarn und gehen zur Zeit auch nicht in den Ruderklub“, erläutert der Athlet, der seit dem Frühling 2019 sicherlich in jedem Ruderverein der Welt willkommen wäre.

Nach dem Abitur 2013 am Englischen Institut Heidelberg ist Ben Landis dem Rat seines US-amerikanischen Vaters gefolgt und hat 2014 an der Columbia University in New York ein Studium begonnen und 2018 mit dem Bachelor of Arts in Geschichte und Politikwissenschaften beendet. Vater John ist ein bei SAP beschäftigter Philosoph, der es ganz gut fand, dass Bens Universität „einen etwas breiteren Studienansatz bietet“, man sich also nicht schon vor dem ersten Semester entscheiden muss, was man einmal werden will. Ben Landis wollte vor allem weiter rudern und schipperte fortan in einem Paradies: „An der Columbia ist der Unisport riesengroß. Sie haben dort große Ruderteams und alleine bei den Leichtgewichten vier Achter.“ Bald saß er im ersten Achter, der bei den nationalen Uni-Meisterschaften während seiner vier Jahre einmal Silber und zweimal Gold gewonnen hat. Erfolg fällt nicht vom Himmel. An der Columbia University gibt es Vollzeit-Rudertrainer und zwei Trainings pro Tag.

Mit sehr guten Noten („Ich habe mich im letzten Jahr wirklich hingesetzt und geackert“) und einigen Empfehlungsschreiben wechselte Ben Landis 2018 zum Master-Studium „Internationale Entwicklung“ nach Oxford, wo er sich mit dem höchst aktuellen Thema der menschlichen Migration beschäftigte und seine akademische Ausbildung abschloss.

Wassersportler wissen natürlich, dass es auch an der altehrwürdigen mittelenglischen Uni nicht nur ungewöhnlich viele Morde gibt, die von Inspektor Robert Lewis und Sergeant James Hathaway ruckzuck aufgeklärt werden, sondern auch ein paar ganz brauchbare Ruderboote. Einen Monat vor der ersten Vorlesung nahm Ben Landis an den knallharten Leistungstests des 1829 gegründeten Oxford University Boat Club teil, um sich – unter anderem mit Ergometertests über fünf Kilometer und zwei Kilometer, einem Ein-Stunden-Strampeln und einer Vier-Minuten-Ausbelastung, nach der man leichenartig vom Rad fällt – für den ersten Achter der Universität zu qualifizieren. Das hat Ben Landis geschafft, womit er zumindest landesweite Bekanntheit im Vereinigten Königreich erreichte.

„Weil wir einen Dickkopf im Boot hatten“, die nötige technische Harmonie also nicht erreicht wurde, waren die Trainer gezwungen, den Achter für das Boat Race gegen Cambridge am 7. April 2019 kurzfristig umzubesetzen. Der 1,90 Meter große und 86,1 Kilogramm schwere Ben aus Heidelberg behielt Sitz zwei.

Millionen Fans säumten die Themse, erlebten die frühe Führung der „Blues“ aus Oxford, den Beinahe-Zusammenstoß der beiden Boote in einer engen Flusswindung, die folgenlose Verwarnung der „Light Blues“ aus Cambridge und den knappen Sieg der Männer aus Heidelbergs Partnerstadt mit einer Länge oder zwei Sekunden Vorsprung. „Es war sehr bitter, aber wir hatten alles gegeben“, beteuert Ben Landis, der auch an diesem Samstag gerne noch einmal ein Boat Race bestritten hätte, dann als „Old Blue“ und wieder mit unbedingtem Siegeswillen.

Nun trainiert er für sich allein in Cincinnati, das Boat Race trägt einen Virus und fällt aus.

Claus-Peter Bach am 23. März 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Bildtext

Über den Dächern von Oxford: Ben Landis, Ruderer aus Heidelberg. Foto: privat

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen