Samstag, 11. August 2018

Olympische Sommerspiele 2016 in Rio de Janeiro Tag 1


Dabei sein ist alles
Was haben wir uns darauf gefreut!Nachdem wir das Euro-Gekicke überlebthatten, haben mein Papagei undich im Büro jedes halbe Stündchen genutzt,um uns auf der alten schwarzen
Ledercouch ein bisschen aufs Ohrzu legen, und wir haben einige Grillpartysabgesagt, um tüchtig vorschlafenzu können.
Dann endlich, endlich war sie da:Unsere erste Olympianacht vor demFernseher! Damit wir uns nicht umorientierenund so seltsame Sportartenwie Basketball, Handball, Karate,Stabhochsprung oder Stricknadelboxenanschauen müssen, hat uns dasZDF überreich beschenkt und einenTraum erfüllt: Fußball mit Béla Réthy– uns schossen die Freudentränen indie Augen.
Gut, es war ein flottes Spiel zwischenHorst Hrubeschs Talenten undden mexikanischen Titelverteidigern.Die jungen Deutschen wussten sogar,wie man sich in den gegnerischen
Strafraum kombiniert, wie man Flankenschlägt, um die Stürmer zu finden,und wie man zwei Tore schießt.Ganz groß: Niklas Süle, der Riese ausHoffenheim, dem die flinken Mexikaner,

allesamt kleine Brüder vonSpeedy Gonzales, nicht ein einzigesMal durch die Beine durchgeflitzt sind. AuchBéla Réthy war in Topform, die Stimmeknarzte wie die Eingangstür einesuralten Landhauses bei „InspektorBarnaby“. Der Reporter wusste, dassder junge Süle von Karl-Heinz Förstergemanagt wird, was für einen Verteidigerkein Schaden sein kann. Er
wusste auch, dass der eine Bender zweiMinuten älter ist als der andere Bender,verriet aber nicht, ob er im Zugeseiner gründlichen Recherche bei derGeburt der Zwillinge dabei gewesenwar. Nur bei den Auswechslungen derMexikaner kam der beste Mann desSenders mal ein bisschen durcheinander.Es ist in seinem Alter und angesichtsso vieler unbesetzter türkisfarbenerSchalensitze auch nichtleicht, bei diesem ständigen Rein undRaus die Übersicht zu behalten.
Die Sause hat begonnen
Noch interessanter als dieses Fußballspielund der folgende superspannendeKick zwischen Hondurasund Algerien (3:2) war allerdings derschon zur Primetime ausgestrahlteFilmbericht, der sich mit den sozialenVerhältnissen in Rio befasste und indem zu sehen war, wie die alten Hüttenarmer Leute wegen des neuenOlympischen Dorfes abgerissen wurden,
obwohl diese Menschen bis heutekeine neue Wohnung erhalten haben.Ob sie für die Dauer der OlympischenSpiele bei Thomas Bach unter die Deckeschlüpfen dürfen?, fragte mein Papagei.Ganz am Ende des Film erfuhrenwir, dass es den Leuten in Riogar nicht so schlecht gehe, denn einGramm Kokain koste nur umgerechnetfünf Euro. „Na dann!“, rief mein
Papagei aus und wollte sich sofort insIOC wählen lassen.
Koks war zu Beginn dieses Jahrtausendseine beliebte Partydroge unterFußballtrainern, mittlerweile habensich gewiss auch Athleten aus anderenSpartendaranerinnert,dasssich
eine Leute schon zu Zeiten des seligenBarons de Coubertin während ihrerGesellschaften hin und wieder dieNase gepudert haben. „Erfrischungsraum“hießen die Toilettenumdie vorletzteJahrhundertwende. Und schon1896 in Athenund1900 in Paris istmanmit Zuckerwasser und einem morgendlichenCroissant nicht Olympiasiegergeworden. Ein kleiner Cafémusste als Aufputschmittel dienen,und die Sportschützen haben schon in dergriechischen Antike vomRetsinageschlürft, um eine ruhige Hand zuhaben, wenn der Kampf um den grünenLorbeerkranz in die entscheidende Phase trat.

Nun also Koks für fünf Euro. Datrifft es sich doch schön, dass ThomasBach beruhigend versichert hat, dieKontrollen der WADA funktioniertennicht gut, zumal unseres Wissens nur
Urin oder Blut getestet werden undkein einziger Kontrolleur jemals in dieNasen der Athleten gelinst hat. Bis esdazu kommt, kann es Jahre dauern. Eshat auch Jahre gedauert, bis die WADA die Dopingproben von Sydney,Athen oder Peking untersucht hat –angeblich waren die Geräte und Methodennicht modern genug. Modernist und bleibt das olympische Motto
Pierre de Coubertins: Dabei sein ist allesbei der großen olympischen Sause.Jetzt ahnen wir endlich, warum.

(Ferngesehen am 6./7. August 2016)