Der 60-Jährige aus Edingen-Neckarhausen hinterlässt einen Verband, der im Chaos zu versinken droht
Michael Schnellbach (60) aus Edingen-Neckarhausen hat zum 31. Dezember seinen Rücktritt vom Amt des Präsidenten des Deutschen Rugby-Verbandes (DRV) erklärt. Das ist bedauerlich, denn der ehemalige Geschäftsführer der Bundesgartenschau 2023 in Mannheim, der nun für die Grünflächen und Parks in der Quadratestadt in leitender Position tätig ist, wurde erst am 9. März 2024 beim Deutschen Rugby-Tag im Olympiastützpunkt Metropolregion Rhein-Neckar in das höchste Amt des seit 2009 olympischen Spitzenverbandes gewählt.
Der ehemalige Stürmer des Heidelberger Turnvereins und deutsche Vizemeister von 1994 hatte sich als Sportwart des Rugby-Verbandes Baden-Württemberg (RBW) große Verdienste erworben und war 2010 vom damaligen DRV-Präsidenten Claus-Peter Bach für das neu geschaffene Amt des stellvertretenden Vorsitzenden für das Siebenerrugby ins DRV-Präsidium gebeten worden. Diesem gehörte er 15 Jahre lang an.
In seinem Brief an die 145 Vereine, der kurioser Weise bereits einen Tag zuvor auf Facebook kursierte, erklärte Michael Schnellbach, dass es sein Ziel gewesen sei, „Gräben zwischen Vereinen, Landesverbänden und dem DRV zu schließen.“ Schnellbach erhebt Vorwürfe: „Leider überschütten einzelne Personen, ein Verein sowie ein Landesverband die Organe des DRV mit seitenlangen Anfragen, Anschuldigungen, Schiedsklagen, Anträgen beim Vereinsregister gegen Beschlüsse des Deutschen Rugby-Tages seit 2018. Dazu kommen Anzeigen bei Finanzbehörden, Staatsanwaltschaften, Berufskammern etc. gegen Organe des DRV beziehungsweise handelnde Personen, so auch gegen meine Person. Hierdurch bedingt“, so fährt Schnellbach fort, „blieb im Ehrenamt bisher leider keine Zeit, sich um die sportliche und strukturelle Weiterentwicklung unseres Verbandes, um SpielerInnen, um MitarbeiterInnen oder um Euch, unsere Mitglieder, zu kümmern, was ich sehr bedaure.“
In der Tat sah sich Michael Schnellbach seit seinem Amtsantritt mit zwei Problemen konfrontiert: Zum einen setzte seit Ende März beim DRV ein erheblicher Verlust an hauptamtlichen Mitarbeitenden ein. Nach dem Bundesstützpunktleiter Alexander Widiker (Heidelberg) haben der Geschäftsstellenleiter Simon Bittler (Heidelberg), die Jugendsekretärin Alena Abbott (Karlsruhe), der Vorstandsvorsitzende und Sportdirektor Manuel Wilhelm (Heidelberg) und Leistungssport-Referent Daniel Booth (Heidelberg) den DRV aus unterschiedlichen Gründen verlassen. Insbesondere Manuel Wilhelm, der an Silvester auch seinen letzten Arbeitstag hatte und künftig für die Hockey-Bundesliga arbeiten wird, wurde von Schnellbach und dessen Amtsvorgänger Harald Hees (Laufach) sehr geschätzt. In den Vereinen und Landesverbänden hat das Ende des Wilhelminischen Zeitalters im deutschen Rugby nicht nur Bedauern ausgelöst.
Zum anderen wurden dem dreiköpfigen Vorstand und dem als Aufsichtsrat wirkenden neunköpfigen Präsidium von Delegierten des Deutschen Rugby-Tages mündlich und seither auch schriftlich Fragen zur finanziellen Situation und einzelnen Ausgaben gestellt, die – obwohl leicht verständlich - nicht beantwortet wurden. Michael Schnellbach beteuerte noch im Juni 2024, zur Klärung der Lage den Good-Governance-Beauftragten des DRV sowie einen externen Wirtschaftsprüfer beauftragt zu haben. Deren Prüfungsergebnisse wurden bis zum Jahresende weder den Vereinen und Landesverbänden noch Mitgliedern des Präsidiums offengelegt.
Fragen sind unter vielen anderen: Warum hat der DRV Geschäftsanteile an der Oktoberfest Sevens GmbH erworben, obwohl diese Gesellschaft zum Zeitpunkt des Kaufes bereits überschuldet war und inzwischen in Konkurs gegangen ist? Von wem hat der DRV diese Geschäftsanteile gekauft? Warum hatte der DRV in den Jahren 2022 und 2023 hohe fünfstellige Kosten für Rechtsberatung? Wie ist der Status der DRV-eigenen Erich-Kraft-Stiftung, die bis zu dessen Tod im Januar 2021 von DRV-Ehrenpräsident Willi Eckert (Hannover) vorbildlich und satzungskonform geführt wurde und von der man seither nichts mehr gehört hat? Warum wurden Schiedsklagen mehrerer Vereine und eines Landesverbandes aus 2020 erst 2024 an das zuständige DRV-Schiedsgericht weitergeleitet?
Möglicherweise ist Michael Schnellbach mit seinem Rücktritt einer drohenden Abwahl zuvorgekommen. Wie Denis McGee, Vorsitzender des Berliner Rugby-Verbandes und als Vorsitzender der Vereinigung der Landesverbände Mitglied im DRV-Präsidium, am 22. Dezember um 11.42 Uhr mitteilte, „hat das Präsidium mehrheitlich den Beschluss gefasst, am 25. Januar 2025 einen Außerordentlichen Deutschen Rugby-Tag einzuberufen. Auf der Tagesordnung stehen die Information der Mitglieder auf Blick auf die aktuelle Situation des Verbandes (unter anderem strafrechtliche und steuerliche Ermittlungen gegen diverse Personen) sowie eine Ab- und Neuwahl von Präsidiumsmitgliedern (Präsident, Vizepräsident Finanzen, Vizepräsident Leistungssport).“
Michael Schnellbach trat nach nur neun Monaten als Präsident des Deutschen Rugby-Verbandes zurück. Foto: privat
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