Donnerstag, 29. Mai 2025

Ein großer Athlet und Trainer

Zur Erinnerung an Atef Ismail, der mit 91 Jahren in Kairo gestorben ist

Als er Ende 2024 vom Tod seiner Freunde Walter Abmayr, des langjährigen Leichtathletik-Abteilungsleiters des USC Heidelberg, und Klaus Wolfermann, des Speerwurf-Olympiasiegers von 1972, erfuhr, sagte er zu seiner Frau Uli: „Der Nächste bin wohl ich.“

Am frühen Montagmorgen kam die traurige Nachricht aus Kairo, dass Dr. Atef Ismail, der im April 2020 gegenüber dieser Zeitung betont hatte, dass „Heidelberg meine Heimat ist“, im Alter von 91 Jahren verstorben ist. Der Ägypter war einer der erfolgreichsten Sportler Afrikas und der Universität Heidelberg und einer der besten Leichtathletik-Trainer Deutschlands.

Seit 1999 lebte Atef Ismail mit seiner Uli in einem Hochhaus in Kairo mit Blick auf den Nil, in einer geräumigen Wohnung, in der er gerne Besuch aus Deutschland empfing, Tee trank und sich in den letzten Jahren wegen eines Nierenleidens auch medizinisch versorgen ließ. Sportveranstaltungen verfolgte er vor dem Fernseher, er ließ sich kein wichtiges Sportfest entgehen und gab auch wertvolle Tipps, wenn er bei einer Speerwerferin technische Fehler entdeckte oder feststellte, dass ein chancenreicher Athlet „viel zu närrisch herumhüpft“, um wirklich erfolgreich zu sein.

Atef Ismail wurde von seinem begüterten Vater Scheich Mustafa Mohamed El-Mursi Ismail (1905 – 1978) als 20-Jähriger zum Studium der Humanmedizin nach Heidelberg geschickt. Scheich Ismail war der bedeutendste Koran-Rezitator der Islamischen Welt und religionspolitischer Berater von König Farouk und der Staatspräsidenten Nasser und Sadat. 1953 belegte der ägyptische Student bei Professor Hermann Hoepke die Vorlesung „Die plastische Anatomie“. Diese Anekdote erzählte er oft und gerne: „Der Professor bat mich, mich auszuziehen und im Adamskostüm auf einen Tisch zu steigen. Dann erklärte er den Studierenden mit einem Zeigestock, wie ein Mann gebaut sein sollte.“ Ob Atef Ismail von den Jungfrauen im Paradies ebenso angehimmelt wird wie damals von seinen Kommilitoninnen, werden wir zwar nie erfahren; in den prüden 1950-er Jahren jedenfalls war der Athlet, der 1955 Fünfter der Studenten-WM im Speerwurf (69,11 m) und im Dreisprung (15,28 m) wurde, in Heidelberg ungemein beliebt und sportlich sehr erfolgreich. Er war vier Mal deutscher Hochschulmeister und zwei Mal Vizemeister, im Weitsprung schaffte er beachtliche 7,09 m.  

Der Student liebte das Leben und wohnte in Schlierbach, wo Ausländer damals eher unbeliebt waren. Böswillige Nachbarn dichteten ihm Straftaten an, doch die Polizei konnte nie bestätigen, dass er ein Zuhälter, Rauschgifthändler, Ehebrecher oder Steuersünder war, und seine Anwälte Günter Heim oder Robert Weber schützten den seit 1965 verheirateten Familienvater wirkungsvoll vor übler Nachrede. Dennoch wurde er von der Uni Heidelberg exmatrikuliert, musste das Studium in Homburg/Saar beenden und wurde erst 1977 auf energisches Betreiben des Oberbürgermeisters Reinhold Zundel eingebürgert. Diesem war Atef Ismail dankbar: „Ein Mann mit Zivilcourage!“

Beruflich war er außerordentlich erfolgreich, nicht als Arzt, sondern als gastfreundlicher, herzlicher, humorvoller und freigiebiger Gastronom. 1960 eröffnete er den „Bamboo Club“ in der Friedrich-Ebert-Anlage, 1963 das „Shepherd‘s“ in der Poststraße und 1968 die „Shepherd’s Lounge“ gegenüber der Heiliggeistkirche. Es waren die ersten Adressen des Heidelberger Nachtlebens. In seinen Lokalen fühlten sich Heidelbergs Sporttreibende ebenso wohl wie die Mitglieder des Gemeinderates, die ihre Sitzungen dort bis in den frühen Morgen informell fortsetzten. Dann griff Atef Ismail zu den noch nicht verzehrten Zitronen und demonstrierte mit Würfen über das Kirchendach hinweg, wie der Armzug beim Speerwerfen richtig ist.

Denn im Speerwerfen kannte er sich aus. Nachdem Professor Hermann Rieder, der Direktor des Heidelberger Sportinstitut, Speerwurf-Bundestrainer geworden war, wurde sein Freund Atef Ismail dessen technischer Berater. Der Angriffswinkel des Speers, der Anlauf der Athleten, viele kleine Details beurteilte und verbesserte der Beobachter mit dem unbestechlichen Auge – und fortan pilgerten die größten Talente nach Heidelberg, um ihre Laufbahn bei Hermann Rieder und Atef Ismail zu krönen. Klaus Wolfermann aus dem Frankenland wurde 1972 im Zweikampf mit dem Letten Janis Lusis mit 90,48 m Olympiasieger und warf 1973 in Leverkusen mit 94,08 m Weltrekord. Helmut Schreiber aus Heidenheim ließ den Speer 1979 in Ulm auf 92,72 m fliegen und wurde in Mexiko-City Studenten-Weltmeister. Claus-Peter Schneider aus Wetzlar, Peter Schreiber aus Leverkusen und Peter Blank aus Frankfurt wurden deutsche Meister.

Mit seiner zweiten Frau Uli und seiner „süßen Tochter“ trauern auch die Heidelberger Leichtathleten um den Olympioniken Günter Glasauer um ihren treuen Freund und großen Lehrmeister Atef Ismail. Claus-Peter Bach    

Montag, 5. Mai 2025

Unter den besten Zwölf der Welt

Die deutsche Siebenerrugby-Nationalmannschaft feiert in Los Angeles ihren größten Erfolg

Die deutsche Siebenerrugby-Nationalmannschaft hat ihren größten Erfolg seit dem Europameister-Titel 2019 errungen und ist in Los Angeles erstmals in die World Sevens Series des Weltverbandes aufgestiegen. Dieses Ziel haben die deutschen Nationalteams angestrebt, seit Siebenerrugby eine olympische Disziplin ist, doch stets gab es in den Qualifikationsturnieren eine Niederlage zuviel.

Zwar lief beim Relegationsturnier, bei dem die vier Qualifikanten Portugal, Deutschland, Kanada und Samoa auf die vier schwächsten Teams der Weltserie 2024/25 – das sind Kenia, Uruguay, Irland und die USA – trafen, nicht alles nach Wunsch, und die Mannschaft der beiden Trainer Pablo Feijó und Clemens von Grumbkow (Heidelberg) wurde in der Vorrunde nur Dritter, doch im entscheidenden Überkreuzspiel gegen den Gruppenzweiten Samoa zeigten die Deutschen eine fantastische Leistung und schafften mit dem 31:0 (17:0)-Sieg eine echte Sensation und den Aufstieg unter die zwölf weltbesten Nationen.

Rugby Samoa, 1924 gegründet und viele Jahre lang unter dem Patronat des Königs Malietoa Tanumafili II, der mit dem langjährigen niedersächsischen Rugby-Vorsitzenden Horst Vietgen befreundet war, ist im Siebenerrugby schon immer eine Macht, denn die Einwohner lieben ihren Nationalsport, den schon kleine Kinder mit Kokosnüssen üben. Noch nie hatten die Deutschen ein entscheidendes Match gegen Samoas Ballkünstler gewinnen können.

„Was für die Performance!“, jubelte Clemens von Grumbkow, „da haben die Jungs im richtigen Moment die beste Leistung über die vollen 14 Minuten rausgehauen. Wir sind stolz auf diese sehr dominante Leistung gegen einen so starken Gegner.“

Das Turnier in der Stadt der Engel begann mit einer erfreulichen Überraschung, denn gegen Irland, der Dritten der Weltrangliste, gelang ein 15:0 (12:0)-Sieg. Felix Hufnagel und Makonen Amekuedi legten zwei Versuche, Hufnagel brachte eine Erhöhung und einen finalen Straftritt ins Ziel.

Im zweiten Gruppenspiel gegen die traditionell sehr harten „Teros“ aus Uruguay legten die Deutschen durch den in Konstanz aufgewachsenen Daniel Eneke, der seit Jahren von der Stiftung Olympianachwuchs Baden-Württemberg gefördert wird, und Amekuedi zwei Versuche, die Hufnagel erhöhte, doch nach der 14:12-Führung misslang alles, und die „Urus“ siegten mit 36:14 (12:7).

Das dritte Gruppenspiel, das Kanada mit 22:17 (17:5) nach Verlängerung durch „golden try“ gewann, hätte nicht verloren gehen dürfen und dämpfte die Aufstiegshoffnungen der Deutschen beträchtlich, denn in der ersten Halbzeit gelangen Chris Umeh, Niklas Koch und Daniel Eneke drei Versuche und Felix Hufnagel eine Erhöhung, doch nach der Verletzung von Maximilian Heid erkannten die Ahorn-Boys ihre Chance, glichen zum 17:17 aus und hatten in der Extra-Zeit das Glück der Tüchtigen. Deutschland war nur Gruppendritter – das verhieß für das entscheidende Überkreuzspiel nicht viel Gutes.

Doch im wichtigsten Match ihrer jungen Sportlerleben gelang den Deutschen eine denkwürdige Leistung, fünf Versuche durch Philip Gleitze (2), Jakob Dipper (2) und Niklas Koch, von denen Hufnagel drei erhöhte. Nicht nur Felix war nach dem Schlusspfiff glücklich.