Über die deutschen Rugby-Nationalspieler in Frankreichs Profiligen
In den drei französischen Rugby-Profiligen stehen die Meister- und Aufstiegsrunden unmittelbar bevor. Wie haben sich die deutschen Nationalspieler in ihren Vereinen geschlagen? Welche Perspektiven haben sie in der zweitbesten europäischen Rugbynation?
Ganz weit oben, in der Top-14-Liga und bei Castres Olympique, dem französischen Meister von 2018, spielt der 28-jährige Erste-Reihe-Stürmer Julius Nostadt, der beim SC Neuenheim und TSV Handschuhsheim sein Rugby gelernt hat. Das 1,85 Meter große und 118 Kilogramm schwere Kraftpaket hat in seiner ersten Saison nach dem Abschied aus Aurillac 13 der 24 Saisonspiele absolviert und dabei manche Schwierigkeit meistern müssen. Im Oktober war Nostadt an Covid-19 erkrankt. Kaum hatte er sich wieder für die Fünfzehn qualifiziert, zog er sich einen Mittelfußbruch zu. Er fühlt sich auch nicht unbedingt als Liebling des neuen Trainers Pierre-Henry Broncan (46), der aufgrund der Herkunft seiner Mutter in den 2000-er Jahren zwar Deutschlands Gedrängehalb war, in Castres aber einen harten Konkurrenzkampf unter allen Stürmern schätzt. „Pierre-Henry ist ein sehr guter Trainer“, sagt Nostadt gleichwohl.
Bei der 16:20-Niederlage in Bordeaux, durch die Castres von Viertelfinalrang sechs auf Platz neun abgerutscht ist, wurde Nostadt in der 62. Minute für Antoine Tichet eingewechselt. Spielentscheidend waren die fünf Straftritte von Nationalspieler Matthieu Jalibert, der in Bordeaux ein genialer Spielmacher ist. „Wir müssen hart kämpfen, haben aber noch zwei Spiele“, ist Julius Nostadt zuversichtlich, die Playoffs zu erreichen. Zum Tabellensechsten, Hans-Peter Wilds Stade Français Paris, sind nur zwei Punkte aufzuholen. Direkt im Halbfinale sind Toulouse und La Rochelle, die am 22. Mai in Twickenham das Endspiel im europäischen Champions Cup bestreiten. Toulouse ist mit einem Saisonetat von 36,6 Millionen Euro die zweitteuerste Mannschaft Frankreichs hinter Stade Français, das der Capri-Sun-Chef sich 38,8 Millionen Euro kosten lässt. La Rochelle mit 25,9 Millionen und Castres mit 23 Millionen Euro sind auch wohlsituiert.
Am Aufstieg in die Top 14 arbeiten der Handschuhsheimer Christopher Hilsenbeck (29) und der Aachener Eric Marks (24), die trotz der 17:30-Niederlage ihres Vereins RC Vannes beim Spitzenreiter USA Perpignan einen Halbfinalplatz erreicht haben. Im Semifinale, einem K.o.-Spiel, treffen sie auf den Sieger des Viertelfinalspiels zwischen Biarritz und Colomiers, wo Christopher Hilsenbeck sechs Jahre lang gespielt hatte. „Es sind nur noch drei ehemalige Mitspieler in Colomiers“, berichtet der Spielmacher über seinen früheren Verein in der Airbus-Stadt und ist zuversichtlich.
In der Bretagne fühlen sich Hilsenbeck und seine Lebensgefährtin pudelwohl, in seiner vierten Saison in Vannes hat er bereits 116 Punkte erreicht, denn er ist neben Pierre Popelin auch der Kicker seines Teams, das erst vor fünf Jahren aus dem Amateurlager aufgestiegen und der sportliche Stolz der Region ist. Insgesamt hat Hilsenbeck schon 671 Punkte für Vannes gesammelt.
Eric Marks kann an den Aufstiegsspielen wegen eines Kreuzbandrisses nicht teilnehmen, freut sich „in diesem familiären Klub“ aber schon auf die nächste Saison, weil er bis 2023 in Vannes engagiert ist. Er ist ein 1,96 Meter großer und 113 Kilogramm schwerer Zweite- und Dritte-Reihe-Stürmer, der wie Hilsenbeck von seinem Trainer Jean-Noel Spitzer viel hält. Der Mann betreut die Mannschaft seit 16 Jahren!
Spielmacher des berühmten RC Narbonne in der drittklassigen „Nationale“ ist der 32-jährige Raynor Parkinson, das aus Südafrika stammende Goldfüßchen der deutschen Nationalmannschaft. Er hat in seiner ersten Saison am Mittelmeer in 24 Spielen 127 Punkte gebucht. Narbonne, in den 1970-er Jahren der Klub der fünf gewaltigen Spanghero-Brüder, steht auf Platz vier. „Noch drei Spiele bis zur Pro D2, das müssen wir schaffen“, sagt Parkinson, der mit dem Heidelberger RK schon etliche deutsche Titel gesammelt hatte.
Einen Platz vor Narbonne liegt Stade Niçois mit seinen beiden deutschen Haklern Mikael Tyumenev (29/Hannover 78) und Kurt Haupt (32/Johannesburg), die sich teamintern heftig Feuer machen. Seit Haupt nach Saisonbeginn nach Nizza kam, hat Tyumenev kaum gespielt, „weshalb ich mal sehen muss, ob ich dort bleibe.“ In der letzten Woche sind 19 Spieler Nizzas positiv auf Covid-19 getestet worden.
Weil die Fédération Française de Rugby wegen der Pandemie die Spiele aller anderen Ligen abgesetzt hat, ist Gedrängehalb Tim Menzel vom RC Rennes bereits nach Biarritz in Urlaub gefahren. Rennes war bei Saisonabbruch Tabellenerster der Fédérale 1. Der studentisch geprägte Verein hatte Aufstiegschancen und arbeitet fleißig an den Profi-Strukturen. Dem Handschuhsheimer gefällt es an der Pforte zur Bretagne ausgesprochen gut, weshalb er seinen Vertrag soeben um drei Jahre verlängert hat.
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