Samstag, 27. Juni 2020

Gegen Anfeindungen hat sie gute Strategien

Serena Benavente über Diskriminierung und Rassismus in den USA und in Deutschland

Auf diese Frage zeigt Serena Benavente ihr schönstes Lächeln, und ihre Hände, mit denen sie so viele Emotionen ausdrückt, wirbeln begeistert durch die morgendlich noch kühle Luft. „Ich liebe Heidelberg! Die Altstadt, der Fluss, die Alte Brücke, das Kopfsteinpflaster, die Cafés, der Wald, die Thingstätte fürs Konditionstraining, das Radfahren. Oh, es gibt so viel Schönes hier“, ruft die beinahe übersprudelnde Basketball-Trainerin: „Heidelberg ist wirklich meine zweite Heimat. Aber Heimat ist für mich auch Kalifornien, wo meine Eltern leben und wo ich aufgewachsen bin.“

Serena Benavente wurde vor 35 Jahren in dem 34 000-Einwohner-Städtchen Seaside im Landkreis Monterey geboren. Die Eltern sind als junge Leute aus Guam, der südlichsten Insel des Marianen-Archipels im pazifischen Ozean, eingewandert. Guam hat rund 160 000 Einwohner, ist so breit wie die Strecke von Heidelberg nach Mannheim und so lang wie die Autobahn zwischen Patrick Henry Village und Karlsruhe. Es liegt irgendwo zwischen Japan, den Philippinen und Hawaii und ist ein nicht inkorporiertes Territorium der USA, hat also Seine Peinlichkeit Donald Trump als Staatsoberhaupt, aber keinen Stern auf der US-Flagge. Mutter Millie ging „mit 17, 18 Jahren zum Studium nach San José“ und ist Fitnesstrainerin, Vater Pete – ein guter Baseballspieler – hat auch studiert und wirkt als Techniker an einer Krankenpflegeschule.

Serena Benavente lebt seit elf Jahren in Heidelberg, zunächst als erste Profispielerin im Team der BasCats USC Heidelberg, seit 2017 als Co-Trainerin der Heidelberger Bundesliga-Damen an der Seite von Chefcoach Dennis Czygan und nun auch als Athletiktrainerin der MLP Academics in der 2. Bundesliga der Herren. Man sieht Serena Benavente an, dass sie nicht die Tochter eines Handschuhsheimer Landwirts und seiner Magd ist, sondern „von auswärts“ gekommen ist. Ihr Wesen ist fröhlicher als das der Kurpfälzer Ureinwohner, ihr Lächeln ist ansteckend, ihre Hände schwingen erklärend durch die Luft, sie antwortet auch auf intimere Fragen mit einer Offenheit, die große Selbstsicherheit ausstrahlt.


Wo ist Ihre Heimat?, lautete die Eingangsfrage, die ihr eine Liebeserklärung zu Heidelberg entlockt. Haben Sie in den USA oder in Deutschland jemals Diskriminierung erlebt oder Rassismus erlitten? Serena Benavente muss nur kurz nachdenken: „Von den USA kann ich nicht sprechen, denn ich kenne eigentlich nur Kalifornien richtig gut. Die Vereinigten Staaten sind so groß. Ich war beispielsweise noch nie an der Ostküste und kann mir darüber kein Urteil bilden. Ich sehe natürlich die Fernsehbilder und weiß über die Black Power-Bewegung und #blacklivesmatter Bescheid“, erklärt die 165 Zentimeter große Sportlerin, die im Kampf mit den längsten deutschen Athletinnen als Spielmacherin der BasCats maßgeblich dafür gesorgt hat, dass der einst so starke Heidelberger Basketball gegenwärtig wenigstens eine Erstliga-Mannschaft hat.

„Meine Familie ist von Diskriminierung sicher nicht unberührt – ich persönlich weniger, aber von meinen Brüdern gibt es schon ein paar Geschichten“, deutet Serena Benavente an, dass Einwanderer aus Guam auch Benachteiligungen erfahren können, besonders dann, wenn sie im Leben und Beruf erfolgreich sind. Bruder Chris ist Luftwaffensoldat, Jonathan freiberuflicher Fotograf, dort wie hier ein harter Job. Was die Rassismus-Erfahrungen der Brüder anbelangt, möchte Serena nicht ins Detail gehen.
In Deutschland kann Serena Benavente mit ihrer 32-jährigen Freundin Toni in Ruhe und Frieden leben. Sie weiß natürlich, dass sich hierzulande Rassisten, die jahrzehntelang im Schatten gewirkt haben, mehr und mehr ans Tageslicht trauen und dass es viele rassistische Gruppen und sogar gefährlichen rassistischen Terror gibt, doch war sie von solchen Anfeindungen noch nie persönlich betroffen. Weder aufgrund ihrer Herkunft, noch aufgrund ihrer sexuellen Orientierung. „Anfangs war das natürlich ein bisschen kompliziert, aber wir haben einfach unser Leben gelebt und unser Privates nicht an die große Glocke gehängt. Wir sind nicht jeden Sonntag Händchen haltend durch die Hauptstraße gelaufen“, lacht Serena Benavente und fügt fast ein bisschen trotzig hinzu: „Heute machen wir das aber schon ab und zu, und wer sich daran stört, soll sich eben daran stören. Das trifft mich nicht, denn ich mache vieles mit mir selbst aus und brauche andere nicht dazu. Natürlich pflegen wir einen Lebensstil, der nicht jedem gefällt. Aber das berührt uns nicht.“

Dann lässt Serena Benavente aber wissen, dass sie gute Gespräche mit Freunden, entspannende Stunden mit Kaffee und Kuchen und den Gedankenaustausch mit liberalen Menschen durchaus sehr schätzt und genießen kann: „Ich weiß, dass es in jeder Gesellschaft faule Äpfel gibt. Deshalb versuche ich, das Beste in einem Menschen zu erkennen. Wenn ich aber überhaupt nichts Gutes entdecke, beschäftige ich mich nicht weiter damit. Anfeindungen solcher Leute wären mir egal, doch mit anderen Menschen bin ich stets zur Diskussion bereit.“

Serena Benavente ist Bachelor und Master in Kinesiologie und berät ihre Spielerinnen und Spieler in Fragen der sportlichen Lebensführung und Trainingssteuerung. Wie viel Training ist gut? Wie viel Schlaf brauche ich? Welche Ernährung ist die richtige? Welche Kraftübungen nützen mir? Welche Muskelgruppen benötigen Regeneration? – solche Themen eben. Als sich während des Gesprächs vor der „Cantina“ des Olympiastützpunkts im Neuenheimer Feld ein Rugby-Ass nähert und höflich fragt, ob Serena sich mal ein befreundetes Mädchen nicht aus dem Basketball anschauen könne, die körperliche Probleme habe, erscheint wieder dieses wunderschöne Lächeln in ihrem Gesicht. Sie sagt zu: „Das empfinde ich als Wertschätzung.“

Claus-Peter Bach am 27. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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Serena Benavente im Gespräch mit der Rhein-Neckar-Zeitung. Foto: vaf

Samstag, 20. Juni 2020

So war es im Olymp doch schon immer

Über Ethik und Moral im Internationalen Olympischen Komitee

Ich hoffe sehr, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, sie können verzeihen, dass mein Papagei der vielen, vielen Stunden erst in der Quarantäne und dann im Homeoffice ein bisschen überdrüssig geworden ist. Er ist kürzlich davongeflattert und hat in einer Buchhandlung das knapp 500 Seiten dicke Werk „Percy Jackson erzählt griechische Göttersagen“ aufgestöbert.  

Der Autor Rick Riordan, ein Englisch- und Geschichtslehrer aus Boston in Trumponien, lässt den 16-jährigen New Yorker Percy die alten Geschichten erzählen, die wir von Homer römisch I (um 850 vor Christus) kennen, der sie in Hexametern aufgeschrieben hatte. Percy erzählt mehr in der Sprache von Homer II (Simpson, um 2020 nach Christus), so dass wir zwar alles prima verstehen und dennoch überrascht sind, dass Percy sich als Halbgott, als Sohn des Meeresgottes Poseidon in Menschengestalt, vorstellt.
Percy hat die Geschichten zunächst seiner Freundin Annabeth vorgelesen, die ihn immer dann, wenn es besonders grausam und blutig wurde, einbremsen konnte. Irgendwie sind 16-jährige Mädchen vernünftiger als gleichaltrige Jungs, wenngleich sie in der Schule gerne damit prahlen, mit einem Halbgott liiert zu sein...

Percy schildert detailgenau das Leben und Wirken der Götter im Olymp und lässt nichts aus, was sie zwischen Himmel und Hölle angestellt haben. Insgesamt kann man festhalten, dass die olympischen Götter der Antike mit Ausnahme der dem Bündnis 90/Die Grünen zuzuordnenden Demeter große Schlingel, ja regelrechte Gauner waren: Dionysos ein hemmungsloser Säufer, Ares ein Mörder und Vergewaltiger, Aphrodite eine Verführerin selbst minderjähriger Jungs, Hades ein einfallsreicher Folterer von Seelen der Verstorbenen bis in alle Ewigkeit, oder Hermes, der mit geflügelten goldenen Schuhen durch die Welt flitzte und die unheilvollen Strafmaßnahmen seiner Kolleg*innen (oft zu spät) ankündigte. Und dann bei allen immer diese Gier nach Glamour und Gold...

Da auch im Olymp die Weisheit „wie der Herr, so das Gescherr“ galt, war Göttervater Zeus der Übelste von allen. Er trat oft inkognito als Adler, Schlange, Schwan oder Ameise in Erscheinung, war – obwohl eigentlich für Recht und Ordnung im Universum zuständig – ein Gewalttäter, der andere das Fürchten lehrte, und wenn ihm etwas gegen den Strich ging, schleuderte er einen tödlichen Blitzstrahl aus dem Olymp; dann gab es Nachschub für Hades. Den Hashtag #greeklivesmatter ignorierte er konsequent, und als das Volk der Thessalier ihm zu wenige Tiere opferte, rottete er kurz mal die ganze Menschheit aus, indem er einen Tsunami über die Küsten schwappen ließ. Als der hochstaplerische Prinz Salmoneus mit einem goldenen Wagen poste und lauthals verkündete, er sei Zeus, traf ihn ein gezackter Blitzstrahl. Der Göttervater büxte oft aus dem Olymp aus, strich als Wanderer durch die Welt (wie es auch sein nordischer Kollege Wotan gerne tat) und hinterließ überall schwangere Frauen. Ob das auch heute noch so ist, wissen weder Percy noch mein Papagei.

„Irgendwie hat sich aber nicht viel geändert“, stellte mein Papagei fest, nachdem er „Fair Play im Sport“ aus der Schriftenreihe der Deutschen Olympischen Gesellschaft (Zweigstelle Darmstadt) studiert hatte. Wie die Redakteure Rainer Paepcke und Walter Schwebel in einem Epilog und nicht in Hexametern (!) betonen, geht es der DOG nicht nur um Fair Play, sondern auch „um Leistungsbereitschaft, Teamgeist und Völkerverständigung“, um die Kernpunkte der Charta des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) also.

Auf den Seiten 10 und 11 dieser Schrift kommen die Autoren auf die olympischen Götter der Neuzeit zu sprechen und behaupten kühn: „Das IOC heute: Bodenhaftung verloren“. Im Olymp werde vermisst: „Die Förderung und Pflege der Ethik des Sports“.
„Hoffentlich trifft die Jungs jetzt nicht ein gezackter Blitzstrahl“, betet mein Papagei für das Leben der Darmstädter, die in ihrer IOC-Kritik auch zwei namhafte Sportler zu Wort kommen lassen. Franz-Josef Kemper (72), 1972 in München Olympiavierter über 800 Meter, stellt fest: „Auf der Sportbühne werden nicht nur schöne Stücke gespielt. Die Unfähigkeit des IOC, den Spielen einen vernünftigen Umfang vorzuschreiben, bei der Vergabe der Spiele die klimatischen und ökologischen Argumente vor den ökonomischen zu berücksichtigen, die unbefriedigenden Ergebnisse der Dopingfahndung und die ungezählten Korruptionsfälle im höchsten Gremium selbst haben dessen Image stark ramponiert.“ Und Harald Pieper (80), langjähriger Chefredakteur von „Olympisches Feuer“, äußert sich explizit zu Zeus: „Dr. Thomas Bach setzt seine Ziele eher in persönlich gute Beziehungen zu Königen und Staatslenkern und drückt sich vor angemessenen Sanktionen gegen zum Beispiel Russland, von dessen Staatsdoping er die volle Kenntnis haben musste.“

Die IOC-Kritik der DOG schließt philosophisch: „,Ethik ist wichtiger als Religion’, sagt der Dalai Lama. Auf jeden Fall ist Ethik wichtiger als das Durchsetzen persönlicher Interessen, als Gewinnmaximierung und Großmannssucht im Umfeld des IOC!“
Dem hat mein Papagei ausnahmsweise mal nichts hinzuzufügen.

Claus-Peter Bach am 20. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung



Schneller schlauer mit der Rhein-Neckar-Zeitung! 

Donnerstag, 11. Juni 2020

Für Daniel Strigel zählt nur das Wohl der Athleten

Über das 10. Dienstjubiläum des Leiters am Olympiastützpunkt Metropolregion Rhein-Neckar
  
Am 8. Juni feiert der 45-jährige Mannheimer Daniel Strigel sein zehntes Dienstjubiläum als Leiter des Olympiastützpunkts der Metropolregion Rhein-Neckar – für den ehemaligen Weltklasse-Fechter ist das allerdings kein Anlass zu größeren Feierlichkeiten.

Daniel Strigel hat bei den Olympischen Spielen 2004 in Sydney die Mannschafts-Bronzemedaille im Degenfechten gewonnen und war 2005 Vizeweltmeister mit dem deutschen Team. Nach diesen Erfolgen wurde ihm von Bundespräsident Horst Köhler das Silberne Lorbeerblatt verliehen. 2006 begann seine berufliche Laufbahn, passenderweise als Leiter des Fecht-OSP in Tauberbischofsheim. 2010 wechselte er als Nachfolger von Hans Leciejewski, der das Haus im Neuenheimer Feld 710 wohl bestellt übergab, zum OSP nach Heidelberg. Rückblickend sagt Daniel Strigel: „Ich hatte in diesen zehn Jahren kein herausragendes Erlebnis. Mein Job ist ein Vorgehen in kleinen Schritten, das Abtragen eines hohen Berges mit einem Teelöffel.“ Die Rahmenbedingungen für die am OSP betreuten Athleten seien 2010 sehr gut gewesen „und sind heute noch besser.“

Gleichwohl haben Athletinnen und Athleten, die ihren Trainingsmittelpunkt in der Kurpfalz haben und die Serviceleistungen dieses OSP in Anspruch nehmen, herausragende Erfolge errungen. Daniel Strigel nennt den Kanuten Max Lemke (23) vom WSV Mannheim-Sandhofen, der dreimal hintereinander Weltmeister im Vierer geworden ist, oder Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo (26) vom TSV Oftersheim oder Denis Kudla (25) aus Schifferstadt, der bei den Olympischen Spielen 2016 in Rio de Janeiro Ringer-Bronze gewann und 2017 in Paris Vizeweltmeister war, oder den sehbehinderten Judofighter Nikolai Kornhaß (27) vom 1. Mannheimer JC, der in Rio Bronze von der Matte gekratzt hatte, oder Erik Pfeiffer (33) aus Leimen, der 2014 als erster Deutscher Weltmeister im Aiba Pro Boxing wurde, oder...


„Es war eine Mega-Überraschung“, sagte Daniel Strigel, dass die Siebenerrugby-Nationalmannschaft, obwohl wie Golf erst seit 2016 in einem olympischen Wettkampfsport aktiv, sich am OSP in Heidelberg „sehr gut“ entwickelt und zwei bedeutende Erfolge erzielt hat: 2018 die Vizeeuropameisterschaft und 2019 den EM-Titel vor Frankreich und Irland.

Klar ist, dass in diesen ersten zehn Jahren des Daniel Strigel am OSP nicht tägliche Freudenfeiern stattgefunden haben, sondern beharrliche Arbeit zu leisten war und die Umsetzung der deutschen Spitzensportreform manche neue Organisationsform erforderte. „Handfeste Schwierigkeiten hatte ich nie“, sagt Daniel Strigel, für den es allerdings eine permanente Herausforderung ist, den Athleten und Fachverbänden zu verdeutlichen, welche Unterstützungsmöglichkeiten der Stützpunkt anbieten kann und welche Hilfen bisher nicht genutzt werden. Er freut sich über ein vom Bundesinstitut für Sportwissenschaften gefördertes Forschungsprojekt der Universitäten Göttingen und Tübingen, das die bessere Vernetzung von Athleten, Trainern, Bundesstützpunktleitern und Verbänden zum Ziel hat.

Die Zeitspanne „Heidel“ (= mindestens sieben Jahre) bezeichnet, wie lange es in der wenig dynamischen Stadt Heidelberg dauert, ein wichtiges Projekt zu verwirklichen. Zwei „Heidel“, fast 15 Jahre, wird es gedauert haben, bis die Boxhalle, ein einfacher und mit knapp vier Millionen Euro recht kostengünstiger Anbau an den OSP, im Sommer 2021 fertiggestellt sein wird. Das ist ein Meilenstein – nicht nur für die Boxer.

Von Claus-Peter Bach am 8. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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Daniel Strigel (2. v.r.) mit LSV-Geschäftsführer Ulrich Derad, DOSB-Leistungssportdirektor Dirk Schimmelpfennig und Prof. Hanns Michael Hölz, dem ehemaligen Vorsitzenden des OSP Rhein-Neckar. Foto: vaf

Erster Heidelberger betreut Klub in Hannover

Über den Rugby-Trainer Johannes Augspurger, der Neues wagt
  
Als vor wenigen Tagen diese Meldung um die Welt sauste, traute mein Papagei seinen Augen nicht: „Johannes Augspurger wird Trainer bei Odin Hannover“ stand in einem Fachportal geschrieben. Da man nicht alles glauben soll, was im Internet zu lesen ist, zog mein Papagei den Regenmantel über und flog in die niedersächsische Landeshauptstadt, um sich davon zu überzeugen, dass Johannes Augspurger aus Heidelberg-Handschuhsheim tatsächlich der erste süddeutsche Rugbytrainer ist, der die Verantwortung für einen Klub in der norddeutschen Hochburg übernommen hat. Kein Zweifel. Es stimmt. Und es regnet auch dort.

Der 30-jährige Johannes Augspurger ist neuer sportlicher Leiter des sechsfachen deutschen Rugbymeisters und hat auf den drei Spielfeldern in unmittelbarer Nachbarschaft des Welfen-Schlosses Herrenhausen das Sagen.

Augspurger ist der Sohn der ehemaligen stellvertretenden Ruder-Landeschefin Monika Kienzle-Augspurger und des 2013 im Alter von 72 Jahren verstorbenen Erfolgsruderers, Rugbyspielers, Trainers mit vier deutschen Meistertiteln und Landesvorstandsmitgliedes Günter Augspurger, der Meister in drei Handwerksberufen (Dachdecker, Kfz-Mechaniker und Ofensetzer), lange Jahre die gute Seele im Fritz-Grunebaum-Sportpark, treues Mitglied der Rudergesellschaft Heidelberg und begeisterter Sammler von Kunstwerken des in Neuenheim sesshaft gewordenen Malers Heinrich Hoffmann war.

Seit Kindesbeinen gehört Johannes Augspurger der RGH an, für die er in den Jugendmannschaften in der Dreiviertelreihe und als junger Mann in der ersten Sturmreihe spielte und früh begann, sich als Nachwuchstrainer und Schiedsrichter einzusetzen. Mit 18 schon hat er Spiele der Regionalliga Baden-Württemberg und der 2. Liga Süd geleitet, er war bei etlichen deutschen Jugendmeisterschaften in Berlin, Hannover und Heidelberg im Einsatz und hatte 2016 als Höhepunkt seines Pfeifens sogar drei Bundesliga-Einsätze.

Die Trainerlaufbahn des blonden Lockenkopfs mit dem sympathischen Wesen begann in der Sportschule Schöneck mit dem Erwerb der Leistungssport-Lizenz C und mit der Betreuung der U14 der RGH, deren Spieler er auch in die U16 begleitete. 2015 wurde Johannes Augspurger von Landestrainer Jan Ceselka (Heidelberg) in den Kreis der baden-württembergischen Auswahltrainer aufgenommen – neben guten Leistungen als Vereinscoach muss man dazu etliche Fortbildungen absolvieren (auch die Lizenz World Rugby Level 1) und ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen; der Rugby-Verband Baden-Württemberg (RBW) nimmt die Prävention vor sexualisierter Gewalt nicht nur in den Sonntagsreden der Funktionäre ernst.


Johannes Augspurger, gelernter Industriekaufmann und seit einiger Zeit als Garten- und Landschaftsbauer im Betrieb seines Trainerkollegen Alexander Wiedemann bei Wind und Wetter an der frischen Luft, hatte „in den letzten Monaten das Gefühl, dass eine Luftveränderung nicht schlecht wäre.“ Er heuerte bei einem Gartenbaubetrieb an der Leine an, dessen Chef zwar kein Rugbyspieler war, „aber weiß, was Rugby ist“ – weil das in Hannover, wo es vor dem Zweiten Weltkrieg zwanzig Rugbyvereine gegeben hatte, auch in Zeiten der Nachrichten-Überflutung durch die 96-Fußballer noch viele Menschen wissen. Augspurger lebt gegenwärtig „in einer Zweier-WG mit meinem Schiedsrichter-Kollegen Luis Schmidt vom SC Germania List. Das ist in der Stadt und nicht weit zur Arbeit und zum Sportplatz.“

Die großen Jahre des SV Odin von 1905 sind lange vorüber. Die deutschen Titelgewinne datieren aus den Jahren 1914, 1920, 1930, 1931 (mit dem 12-fachen Nationalspieler Willy Dünhaupt, später Hannover 78) sowie 1961 und 1963, als Friedhelm (20 Länderspiele) und Herbert Regenhardt (10), Wolfgang Austein (20) und „Matzi“ Sander (3) Stützen des Nationalteams waren. Letzter großer „Odiner“ war der 15-malige Nationalstürmer Harald Lecht in den 1990-er Jahren.

Während der letzten 13 Spielzeiten bildete der SV Odin eine Spielgemeinschaft mit dem dreimaligen deutschen Meister VfR Döhren (1933, 1934 und 1959 mit den namhaften Nationalspielern Franz Vietgen und Friedel Bukowski). Die SG Odin/VfR rangierte beim Coronavirus-bedingten Saisonabbruch nach dem achten Spieltag mit nur fünf Punkten abgeschlagen auf dem letzten Tabellenplatz der Bundesliga Nord/Ost. Der VfR Döhren, der im Februar dieses Jahres den irischen Trainer Daniel Kerr nach Hannover-Ost geholt hatte, beendete daraufhin die Gemeinsamkeit und beansprucht – da es nach dem Saisonabbruch keine Auf- und Absteiger geben wird – den freien Bundesliga-Platz.

Der SV Odin in Hannover-West möchte hingegen zunächst kleinere Brötchen backen und hat sich unter der Leitung Johannes Augspurgers und seines Assistenten Matthias Pöschl zum Neustart in der Verbandsliga Nord entschieden, in der Victoria Linden II, der SV 08 Ricklingen, die junge SG Schaumburg/Ilsede, Union 60 Bremen, die Bremen Lions und eine Spielgemeinschaft aus Karlshöfen und Bremerhaven aktiv sind, die unter dem lustigen Namen „SG Teufelskraken“ firmiert. Darüber ist mein Papagei, der kleine Krabben und Oktopusse mag, begeistert. Augspurger sagt: „Wir haben ein paar gute Jungs und wollen versuchen, jedes Spiel mutig anzugehen und zu gewinnen. Wir müssen zusammenwachsen und wollen schauen, wie weit wir in der ersten Saison kommen.“

Ein wichtiges Ziel der Rugby-Abteilung sei es, die frühere Geltung in diesem Vier-Sparten-Verein zurückzuerobern und mit den Vereinskameraden vom Fußball, Korbball und Pétanque ein freundschaftliches Verhältnis zu pflegen. Für gemeinsame Siegesfeiern ist auf dem weitläufigen Gelände, früher oft Schauplatz deutscher Endspiele und großer Schülerturniere, jede Menge Platz.

Johannes Augspurger weiß, dass Mutter Monika seinen mutigen Schritt nicht so toll findet. Demnächst kommt er nach Heidelberg, um zu berichten, dass alles gut begonnen hat. „Das wird sie überzeugen“, sagt er und wünscht seinen Freunden in der Kurpfalz, dass sie gesund und munter bleiben.

Claus-Peter Bach am 8. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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Trainer Johannes Augspurger (hintere Reihe Mitte) inmitten einer baden-württembergischen Nachwuchsauswahl. Foto: privat

Samstag, 6. Juni 2020

Volles Verständnis für Malaika Mihambo

Über den Wechsel der Weitsprung-Weltmeisterin in die USA

Die Nachricht traf Philipp Krämer nicht völlig unerwartet. Zwar erfuhr der Präsident des Badischen Leichtathletik-Verbandes (BLV) durch eine Meldung im Videotext, dass Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo von der LG Kurpfalz ihre nächste Lebensphase in den USA bei den Trainern Leroy Burrell und Carl Lewis verbringen wird, doch hatte der 73-jährige Schönauer geahnt, dass die 26-jährige gebürtige Heidelbergerin mit ihrem nächsten großen Satz nicht in einer Sandgrube irgendwo in Deutschland landen würde. „Ich freue mich für Malaika, denn das ist eine ganz großartige Geschichte“, sagt Krämer.

Seit Deutschlands „Sportlerin des Jahres 2019“ im Oktober in Doha mit 7,30 Metern zum WM-Titelgewinn gesprungen ist, gilt die Politik- und Umweltwissenschaftlerin als größte Olympia-Hoffnung der deutschen Leichtathletik; nicht wenige Fachleute fragen sich, wer ihr in Tokio 2021 die Goldmedaille wegschnappen sollte. Malaika Mihambo ist nämlich nicht nur eine perfekte Athletin mit schnellem Anlauf, großer Sprungkraft und sicherer Technik, sondern auch besonders nervenstark. Der WM-Finaltag im Wüstenstaat ist der Beweis dafür, denn der Goldsprung gelang nach einem beunruhigend schlechten und einem ungültigen Versuch. Auf das Erfolgsjahr 2019, in dem Malaika Mihambo zur zweitbesten deutschen Weitspringerin aller Zeiten nach Heike Drechsler (7,48 m/1988) wurde, folgte 2020 mit unangenehmen Überraschungen: Trainer Ralf Weber, mit dem Mihambo „zwölf Jahre lang ein Traumpaar im TSV Oftersheim gebildet hatte“, wie Philipp Krämer weiß, musste aus gravierenden persönlichen Gründen aufhören. Die Coronavirus-Pandemie machte ein sinnvolles Training wochenlang unmöglich. Und schließlich wurden die Olympischen Spiele um ein Jahr verschoben, war das bedeutende Trainingsziel plötzlich verschwunden.

Auf die Frage, welcher deutsche Trainer die Nachfolge Ralf Webers hätte antreten können, muss Philipp Krämer lange überlegen. Uli Knapp vom Stützpunkt Saarbrücken/Zweibrücken vielleicht, eventuell auch Uwe Florczak in Paderborn. Die beiden Weitsprung-Bundestrainer haben sicher einen guten Ruf, aber Krämer hat volles Verständnis dafür, dass Malaika Mihambo sich und ihre sportliche Zukunft zwei Experten anvertraut, die zu den Größten der Leichtathletik zählen: Lewis (58) ist neunfacher Olympiasieger im Sprint, im Weitsprung und mit der US-Staffel. Burrell (53) war Staffel-Olympiasieger 1992 und lehrt Sprint und Weitsprung seit vielen Jahren an der Houston University. Seit Herbst letzten Jahres hat Malaika Mihambo zu erkennen gegeben, dass sie künftig nicht nur als Weitspringerin Medaillen aus dem Sandkasten buddeln, sondern auch als Sprinterin weit kommen möchte.
Für Philipp Krämer, der immer ein herzliches Verhältnis zu seiner erfolgreichsten Athletin gepflegt hat und Malaika „ewig dankbar“ ist, dass sie sich „stets ohne Gage für Ehrungen des badischen Nachwuchses vorbildlich zur Verfügung gestellt hat“, ist es in diesen stressigen Tagen eine wichtige Aufgabe, das badische Startrecht für die Athletin zu erhalten. „Wir möchten vermeiden, dass sich ein anderer deutscher Verein Malaikas Startrecht schnappt, und ich kann sagen: Wir sind auf einem guten Weg.“

Gegenwärtig kämpfen Krämer und sein BLV – wie alle olympischen Fachverbände – gegen die Verwüstungen, die das unbarmherzige Coronavirus in der baden-württembergischen Sportlandschaft angerichtet hat. „Wir leben noch und kämpfen mit Zuversicht“, macht Krämer sich und seinen Mitstreitern Mut, doch weil seit Anfang März der Trainings- und Wettkampfbetrieb der Läufer, Springer und Werfer ruhen musste und erst im Juli mit der Erlaubnis zu ersten kleinen Sportfesten der Vereine gerechnet werden darf, hat der BLV seine Rücklagen verzehrt und ist in die roten Zahlen geraten. „Uns fehlen die Startgelder aus rund 100 Volksläufen und größeren Sportfesten wie dem Freiburg-Marathon, so dass uns bis jetzt aus unserem 650 000-Euro-Jahreshaushalt schon 90 000 Euro fehlen. Bis Ende 2020 werden es sicher 190 000 Euro sein“, prognostiziert Philipp Krämer (73), der der Politik für eine Soforthilfe in Höhe von 9000 Euro dankt und darauf hofft, dass auch der BLV vom Zehn-Millionen-Hilfspaket der Landesregierung für den Sport profitieren kann. Sein Eindruck nach 13-wöchiger Corona-Krise: „Auf unsere Partner in der Politik ist Verlass. Die Zusammenarbeit zwischen Landessportverband und Ministerin Susanne Eisenmann ist vertrauensvoll.“ Das sagt ein jahrzehntelanger SPD-Bürgermeister über eine CDU-Ministerin. Was ihn maßlos ärgert, sind die Sonderrechte, „die der Fußball mit brutalem Druck erzwungen hat“.

Der BLV mit seinen rund 60 000 Mitgliedern hat sofort auf die Pandemie reagiert, Homeoffice und Kurzarbeit für die 4,2 hauptamtlichen Mitarbeiterinnen angeordnet und verfügt, dass alle Anschaffungen, die nicht zwingend erforderlich sind, unterbleiben müssen. „Bis auf weiteres gilt eine Haushaltssperre“, sagt Präsident Krämer, der über zwei Aspekte seines Sports sehr froh ist: Sehr viele Aufgaben werden nach wie vor von ehrenamtlichen Mitarbeitern höchst professionell erfüllt, und bei der Vermarktung des BLV-Jahrbuchs 2020 ist zu spüren, dass alle Sponsoren seinem Verband treu bleiben werden.

Claus-Peter Bach am 6. Juni 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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Weitsprung-Weltmeisterin Malaika Mihambo will auch im Sprint in die Weltelite vorstoßen. Foto: vaf

Dienstag, 2. Juni 2020

Rudern als Kraftübung und Kunstwerk

Über den deutschen Hochschulmeister Berkay Günes, der im Renneiner „Fritz Graf“ rudert

Berkay Günes fällt es schwer, „ohne konkrete Ziele zu trainieren“. Der 22-jährige Topathlet des Heidelberger Ruderklub ist traurig darüber, dass er dieses Wochenende nicht am Regattaplatz an der Neuenheimer „Wasserschachtel“ verbringen darf, denn vor Jahresfrist hat der in Zürich geborene Ruderer auf dem Neckar vier Siege errungen; es war der Auftakt einer Saison, die der Physikstudent Ende Juni in Hamburg mit der deutschen Vizemeisterschaft im Doppelzweier und der deutschen Hochschulmeisterschaft im Einer erfolgreich abgerundet hat.

Berkay Günes ist Leichtgewichtsruderer, er hat bei einer Größe von 1,77 Metern ein Gewichtslimit von 72,5 Kilogramm. „Das bereitet mir keine Schwierigkeiten. Ich musste noch nie abkochen“, sagt er. Im leichten Doppelzweier harmoniert er seit Ende 2018 mit seinem Bootskameraden Sam Vasquez Fischer, einem 19-jährigen Heidelberger. „Gerade die Heimregatta macht besonders viel Spaß. Man trifft Freunde und kann sich vor den Heidelberger Ruderfans beweisen“, bedauert Berkay Günes die Coronavirus-bedingte Absage der Regatta, nennt die behördlichen Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung aber „angemessen“.

Berkay, was auf Deutsch „starker Mond“ bedeutet, rudert seit 2012. Seine Großeltern kamen als Gastarbeiter aus der Türkei nach Deutschland. Die Eltern haben sich hierzulande kennengelernt. Mutter Ayse war Studentin in Tübingen und ist Lehrerin für Kinder mit Deutsch als Zweitsprache. Vater Cagatay studierte in Köln und wirkt als Professor für Molekularbiologie an der Universität Ulm. Da Berkay Günes gegenwärtig in Heidelberg nicht rudern darf, ist er aus seiner Studentenbude in Handschuhsheim geflohen. Er hält er sich bei den Eltern und dem ebenfalls rudernden 19-jährigen Bruder Ufuk in der Ruder-Metropole an der Donau auf und mit Fahrten „auf dem Rennrad“ und Laufen („Davon bin ich kein großer Fan“) fit. Auf dem Balkon hat er einen Ruderergometer für harte Trainingseinheiten stehen, der während der Coronavirus-Pandemie als Ersatz für das Wassertraining herhalten muss.


Mit Ergometerrudern beschäftigen sich die HRK-Asse eigentlich nur während der Wintermonate, wenn ein eisiger Wind über den Neckar pfeift. Eine alte Ruderer-Weisheit besagt, dass man im Sommer bei den Regatten ernten könne, was man im Wintertraining gesät hat. Berkay Günes ist ein besonders fleißiger Sämann. Die HRK-Statistik für 2019 weist aus, dass er 3650 Kilometer gerudert ist; das sind – grob gerechnet zehn Kilometer pro Tag. Damit ist er Vereinsmeister und liegt rund 700 Kilometer vor Gisela Makowski auf Rang zwei, Altmeister Volker Hinz auf Rang drei und Sam Vasquez Fischer auf Platz vier.

Als 14-Jähriger fand Berkay Günes zum Wassersport. Sein Schulfreund Jan Hauf nahm ihn und „vier, fünf andere Leute“ mit zum Rudertraining: „Wir gingen oft direkt nach der Schule zum Bootshaus“. Anfangs ruderte er in Großbooten und erhielt einen enormen Motivationsschub, als der Deutschland-Achter in London Olympia-Gold gewann. Während einer zweijährigen Lebensphase in Jena wechselte er in Einer und Zweier und probierte sich „eher selten“ im Vierer aus. 2017 kam Berkay Günes zum Studieren nach Heidelberg, ist nun im virtuellen achten Semester und will sich mit der Ausbildung noch etwas Zeit lassen, schließlich zählt zu einem gründlichen Studium auch der Spaß mit Freunden und mit dem Sport. Radfahren, Filme schauen und viele Bücher lesen sind Berkays Freizeitbeschäftigungen, „doch viel Freizeit bleibt mir nicht“. Rudern auf seinem Niveau ist beinahe ein Vollzeit-Job, tausend Minuten pro Woche, aufgeteilt in zehn bis zwölf Trainingseinheiten, sind das normale Pensum.

Als deutscher Hochschulmeister hatte sich Berkay Günes, trotz seines Vornamens kein Nachtmensch, für die Studenten-Europameisterschaft 2020 in Belgrad qualifiziert. Diese Titelkämpfe wurden auf 2021 verschoben, die Nominierungen sollen bestehen bleiben. So hat er wenigstens ein mittelfristiges Trainingsziel – und einen großen Traum: Der Heidelberger möchte mit weiteren guten Leistungen die Bundestrainer des Deutschen Ruder-Verbandes (DRV) auf sich aufmerksam machen und alles dafür tun, um 2021 „irgendwo in Asien“ bei der Weltmeisterschaft dabei zu sein.

Seine Regatten fährt Berkay Günes im Renneiner „Fritz Graf“. Das mag ein gutes Omen sein. Der „alte Fritz“, später Frauenarzt in Wiesbaden, war ein hünenhafter Mann, der 1913 die schweren Einerrennen in Berlin, Mainz, Frankfurt, Karlsruhe, Mannheim und München gewann und am 23. und 24. August 1913 in Gent als erster deutscher Ruderer Europameister im Einer wurde.
„Dieser Mann kam nach dem Umstieg ins Skiff förmlich zur Explosion. Dabei war er in dieser Bootsgattung reiner Autodidakt“, schrieb Professor Hermann von Neuenstein in seinen Erinnerungen, und in der Chronik der Stadt Heidelberg von 1913 heißt es: „Grafs Sieg bei der Weltausstellung in Gent wurde in ganz Deutschland mit Jubel aufgenommen, auch vom Deutschen Kaiser und dem Großherzog telegraphisch begrüßt. Wie eine große allgemeine Sache, wie in England oder den antiken Stadtstaaten, wurde also der Sieg in körperlicher Kraft und Kunst behandelt und gefeiert.“

Rudern als Kraftübung und Kunstwerk – wer Berkay Günes auf dem Neckar rudern sieht, kann erahnen, was man vor 107 Jahren mit diesen Worten gemeint hatte.

Claus-Peter Bach am 23. Mai 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

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Berkay Günes im Renneiner „Fritz Graf“. Foto: Meinruderbild.de