Montag, 27. April 2020

„Heidelberg ist meine Heimat“

Über den Heidelberger Leichtathleten und Speerwurf-Trainer Atef Ismail

Er ist 86 Jahre alt und wohlauf. Atef Ismail, für die Universität, die TSG 78 und den USC Heidelberg einer der besten Leichtathleten aller Zeiten, lebt mit seiner Ehefrau Uli seit 1999 in Kairo – in einer geräumigen Wohnung hoch oben in einem Hochhaus mit herrlichem Blick auf den Nil.

Auch vor dem Ausbruch der Coronavirus-Pandemie, die in Ägypten bisher nur 350 bekannte Infektionen mit allerdings 110 Todesopfern ausgelöst haben soll, hatte das Ehepaar kaum einen Grund, ihr Paradies auf der 21. Etage zu verlassen: „Uns geht es den Umständen entsprechend gut. Wir brauchen nicht aus dem Haus zu gehen, denn der Lieferservice ist gut organisiert“, sagt Atef Ismail über das Leben in einem Land, in dem gegenwärtig ein totaler Shutdown gilt: „Nur Apotheken und Polizeistationen sind geöffnet. Ab 18 Uhr gilt ein striktes Ausgehverbot. Flughäfen, Bahnhöfe und Busse sind außer Betrieb. Nicht einmal Familienbesuche sind gestattet“, bedauert Ismail, der glücklich ist, „durch das Internet weltweit mit unseren Familien und Freunden verbunden“ zu sein. Nach Heidelberg sendet er herzliche Grüße: „Das ist meine Heimat. In Kairo fühle ich mich noch immer wie ein Tourist.“


Atef Ismail ist der Spross einer begüterten Familie. Sein Vater, Sheikh Mustafa Mohamed El-Mursi Ismail (1905 - 1978), war der bedeutendste Koran-Rezitator der Islamischen Welt und religionspolitischer Berater von König Farouk und den Staatspräsidenten Nasser und Sadat. Dieser kluge Mann sandte seinen 20-jährigen Filius 1953 zum Medizinstudium nach Heidelberg, wo der sportliche junge Mann schnell zu Ruhm und Ehre kam. Denn in der Vorlesung „Die plastische Anatomie“ bat ihn Professor Hermann Hoepke während des ersten Wintersemesters, im Adamskostüm auf einen Tisch zu steigen, damit er als praxisnaher Hochschullehrer die Studierenden mit einem Zeigestock darauf hinweisen konnte, auf welche Körperteile es beim Mann auch ankommt. Besonders die Studentinnen und Doktorinnen fanden das hoch interessant, ihre Begeisterung über dieses quicklebendige Ausstellungsstück war nicht geheuchelt.

Als Atef Ismail seine bescheidene Bude in Schlierbacher Hanglage bezog, war das unbeschwerte Studentenleben allerdings schnell vorüber. Dort mochte man keine Ausländer, und auch an der Ruperto Carola herrschte damals – wie die Studierenden um 1968 skandierten – „unter den Talaren der Mief von tausend Jahren.“ Ismail war der Leidtragende und wurde von Nachbarn immer wieder denunziert. Mal soll sein Zimmer ein Bordell gewesen sein, mal galt er als Rauschgifthändler, mal als Ehebrecher und schließlich als Steuersünder, doch alle Besuche von Polizisten hatten ein Ergebnis: Die Beamten fanden nichts.

Seine Anwälte Günter Heim, der Präsident der Deutschen Anwaltskammer, und Robert Weber, von 1958 bis 1966 Oberbürgermeister von Heidelberg, setzten sich immer wieder für ihn ein, doch obwohl er seit 1965 mit seiner ersten Frau verheiratet „und Vater einer süßen Tochter“ war, wurde er in Heidelberg exmatrikuliert und musste in Homburg/Saar weiterstudieren. Es bedurfte des energischen Einschreitens von Oberbürgermeister Reinhold Zundel (Ismail: „Ein Mann mit Zivilcourage“), bis der im Sport und im Geschäftsleben so erfolgreiche Ägypter 1977 endlich, endlich eingebürgert wurde. RNZ-Lokalchef Dieter Haas schrieb damals einen Vierspalter und fragte in der Schlagzeile: „Verhinderten bösartige Intrigen die Einbürgerung?“


Es war mehr als das. Es wäre ein lohnendes Promotionsthema am Juristischen Seminar, den „Fall Ismail“ gründlich zu untersuchen und aufzudecken, welche Rechtsbrüche damals zum Nachteil des Studenten von Amtsträgern begangen worden sind.
Durch die Bekanntschaft mit einem Brauereibesitzer schuf sich Atef Ismail eine berufliche Existenz und eröffnete im Januar 1960 in der Friedrich-Ebert-Anlage den „Bamboo Club“, dem 1963 das „Shepherd’s“ in der Poststraße und 1968 das „Shepherd’s Lounge“ in der Hauptstraße als erste Adressen des Heidelberger Nachtlebens folgen sollten. Dort verkehrten, nach Siegen und nach Niederlagen, auch die besten Sportler: Leichtathleten und Basketballer des USC, Schwimmer und Wasserballer des SV Nikar, Tennisspielerinnen des HTC, Hockey- und Rugbyspieler – oft ging schon die Sonne auf, als Atef Ismail zu Bett ging.

Trotz dieses anstrengenden Lebens feierte der afrikanische Speerwurf-Meister von 1959 und Fünfte der Studenten-WM von 1955 im Speerwurf (Bestweite: 69,11 m) und Dreisprung (15,28 m), der auch im Weitsprung mit 7,09 m kein Schlechter war, viele große Erfolge. Er war vier Mal deutscher Hochschulmeister und zwei Mal Vizemeister, und im Speerwerfen war er ein großartiger Trainer.

Nachdem Professor Hermann Rieder Chef des Heidelberger Sportinstituts und Bundestrainer der Speerwerfer geworden war, fungierte Atef Ismail – zunächst als Freund und inoffiziell – als technischer Berater. Er war für die Beurteilung des Anlaufs des Athleten und des Angriffswinkels des Speers zuständig und freute sich nicht wenig, als Schützling Klaus Wolfermann, ein 80-m-Mann aus dem Frankenland, rasche Fortschritte machte, 1972 in München mit 90,48 m Olympiasieger wurde und ein Jahr später in Leverkusen mit 94,08 m Weltrekord warf.

Atef Ismails Expertise sprach sich herum, weshalb auch das Heidenheimer Talent Helmut Schreiber nach Heidelberg kam und seinen Rat suchte. Der „Sportarzt des Jahres 2014“ warf 1979 in Ulm 92,72 m und wurde in Mexico-City Studenten-Weltmeister. Dann kamen Claus-Peter Schneider aus Wetzlar, Peter Schreiber aus Leverkusen oder Peter Blank aus Frankfurt. „Ich habe sie bewundert, dass sie zweimal pro Woche diese Strapazen auf sich genommen haben“, sagt Atef Ismail im Rückblick auf die vielen Trainingsstunden im Heidelberger Uni-Stadion. Für die Werfer hat es sich jedenfalls gelohnt. Sie alle wurden deutsche Meister.

Mit all seinen Athleten, auch den Heidelberger Olympioniken Günter Glasauer und Hermann Schlechter, ist Atef Ismail in Kontakt: „Ich freue mich, dass es ihnen in Zeiten von Corona gut geht“, sagt er und drückt seine Uli an sich.

Claus-Peter Bach am 25. April 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Bildtexte

Atef Ismail (rechts) begutachtet den Angriffswinkel des Speers beim Anlauf des Studenten-Weltmeisters Helmut Schreiber. Foto: Elfriede Winterer

Atef Ismail (86) in seiner Wohnung in Kairo mit seinem Heidelberger Gast Gregor Korn. Foto: privat  

Dienstag, 14. April 2020

„Vereine bleiben die sozialen Tankstell unseres Landes

DOSB-Präsident Alfons Hörmann über die Coronavirus-Krise und deren Auswirkungen auf den Sport
  
Alfons Hörmann (59) aus Sulzberg im Oberallgäu ist seit 2013 Präsident des Deutschen Olympischen Sportbundes (DOSB). Im Exklusivinterview mit der RNZ äußert er sich zur Coronavirus-Pandemie und deren Folgen auf den Sport.

Die Coronavirus-Pandemie hat den gesamten deutschen Sport zu einer Zwangspause gezwungen, um Menschenleben zu retten. Sind Sie mit der Krisenbewältigung der Behörden einverstanden?

Ja. Wir akzeptieren die Maßnahmen der Bundesregierung vollumfänglich und tragen diese verantwortungsbewusst mit. Wir haben durch die komplette Einstellung des Sport-, Trainings- und Wettkampfbetriebs in unseren Vereinen aus voller Überzeugung unseren Beitrag zur Eindämmung der Pandemie geleistet.

Ist die totale Sperrung der Sportplätze, Hallen und Bäder angemessen?

In dieser akuten Krisenzeit halten wir das für angemessen. Wir alle müssen alles tun, um die Verbreitung des Coronavirus zu verlangsamen. Da gehört diese Sperrung für eine gewisse Zeit leider auch dazu.

Die Fußballprofis klagen am lautesten über die Zwangspause, obwohl sie einen Honorarverlust am ehesten länger verkraften könnten. Muss man sich nicht eher um die vielen „kleinen“ Angestellten der Vereine und deren Zulieferer sorgen?

Die Krise trifft alle Gesellschaftsbereiche, also auch den gesamten Sport über die verschiedenen Sportarten und Ebenen hinweg. Wir stellen mit Freude fest, dass der Sport sich weitestgehend sehr vernünftig und solidarisch verhält.

Seit letzten Dienstag dürfen die Fußball-Bundesligisten unter gewissen Auflagen wieder trainieren, andere Sportarten nicht. Was halten Sie von dieser Ungleichbehandlung?

Das führt naturgemäß zu intensiven und verständlicherweise auch sehr kritischen Diskussionen innerhalb der großen Sportfamilie. Alle möchten nach Möglichkeit ihren Sport so schnell wie möglich wieder ausüben. Dabei gilt es aber weiterhin, die behördlichen Auflagen vollumfänglich einzuhalten. Erfreulicherweise können ja viele Sportarten aktiv ausgeübt werden, weil ein direkter Körperkontakt nicht erforderlich ist und somit die wichtige soziale Distanz gut sichergestellt werden kann.

Nicht weit vor den Toren Heidelbergs darf der SV Sandhausen wieder trainieren, der FC Sandhausen 300 Meter weiterhin nicht. Was sagen Sie dazu?

Wenn das so ist, dann wäre das ein typisches Beispiel für einen Zustand, der aus meiner Sicht so nicht lange haltbar ist. Wir sollten sehen, dass diese unterschiedliche Behandlung schnellstens aufgehoben wird und alle wieder die Möglichkeit erhalten, ihren Sport bestmöglich und sicher auszuüben.

Sportvereine haben Einnahmeverluste durch fehlende Spieleinnahmen, fehlende Pachteinnahmen wegen behördlich verschlossener Klubhäuser, und manchem Sportsponsor geht langsam die Luft aus. Welche Ratschläge können Sie den Funktionären an der Basis zur Rettung ihrer Vereine geben?

Das Wichtigste ist nun ein sehr professionelles Krisenmanagement und damit die intensive Auseinandersetzung mit der Frage, wie die Liquidität bestmöglich gesichert werden kann. Zahlreiche Hilfsprogramme sind aufgesetzt, und die Landessportbünde und Fachverbände sind aus unserer Wahrnehmung sehr aktiv dabei, die Vereine bestmöglich bei der Bewältigung dieser Krise zu unterstützen. Seitens des DOSB arbeiten wir mit den 100 Mitgliedsorganisationen sehr intensiv und partnerschaftlich daran, die Probleme von Sportdeutschland professionell zu analysieren und uns auf der politischen Ebene für die 90 000 Vereine und die Verbände einzusetzen.

Die Fachverbände lassen den Spielbetrieb ruhen, müssen Länderspiele und internationale Turniere absagen. Niemand weiß, wann internationaler Sport wieder stattfinden darf. Haben Sie Kenntnisse aus den internationalen Verbänden?

Die Frage kann derzeit weltweit niemand zuverlässig beantworten. Letztlich kann es dazu nur eine logische Entwicklung geben: Erst muss die Pandemie weltweit beherrscht werden, dann können wieder Medaillen im Vordergrund stehen.

Wie kann den Fachverbänden geholfen werden?

Die Politik agiert über alle Ebenen sehr partnerschaftlich und auch pragmatisch in der Umsetzung. Schnelle Hilfsprogramme auf der einen Seite und sehr flexible Anpassungen in der täglichen Umsetzung helfen bereits jetzt ganz erheblich, die unerwarteten Probleme durch die Krise zu meistern. Die Szenarien in den verschiedenen Mitgliedsorganisationen sind völlig unterschiedlich, und wir werden zeitnah versuchen, ein deutschlandweites Bild zu den Auswirkungen der Krise zu ermitteln. Daneben haben wir für unsere Mitgliedsorganisationen einen eigenen Unterstützungsfonds über eine Million Euro aufgelegt, um schnelle Überbrückungen von Liquiditätsengpässen zu ermöglichen. Wir wollen alles daransetzen, die so wertvolle Vielfalt des deutschen Sports zu erhalten, um die uns die ganze Welt beneidet.

Olympia und die Paralympics 2020 finden 2021 statt. Ist das gut oder schlecht?

In der aktuellen Situation halten wir es für eine richtige und wichtige Entscheidung. Damit haben vor allem die Athletinnen und Athleten wertvolle Klarheit und sind in der weitgehend trainingsfreien Zeit vom Druck der möglicherweise nahenden Spiele in wenigen Monaten befreit.

Welche wirtschaftlichen Konsequenzen muss das IOC befürchten?

Das wird aktuell ermittelt und ist noch nicht konkret zu beziffern, weil das Ganze elementar mit den Details und den finanziellen Auswirkungen der Verschiebung der Spiele in Tokio zusammenhängt.

Wie wirkt sich die Verlegung finanziell auf den DOSB aus?

Auch das wird sich erst in den kommenden Monaten im Detail zeigen, aber wir sind zuversichtlich, das gut meistern zu können. Wir haben in den vergangenen Jahren sehr solide gewirtschaftet und uns wertvolle Rücklagen für den Krisenfall aufgebaut. Genau diese kaufmännisch solide Vorgehensweise bewährt sich nun erkennbar.

Welche Folgen aus der Coronavirus-Krise ergeben sich für den DOSB?

Die Folgen sind heute allein deshalb noch nicht absehbar, weil das sehr stark von der weiteren Entwicklung des Krisenszenarios in unserem Land abhängt. Wann wird es wieder möglich sein, „normalen Vereinssport“ in unseren Vereinen zu genießen? Wann werden wieder sportliche Wettkämpfe – regional, national und international – umsetzbar sein? Werden geplante Großsportveranstaltungen bald wieder weitgehend normal ablaufen können oder in diesem Jahr nicht mehr? Fragen über Fragen also, deren Beantwortung am Ende ganz entscheidende Auswirkungen darüber haben wird, wie stark sich Sportdeutschland kurz-, mittel- und langfristig verändern wird. Aktuell fahren wir im DOSB – wie die Politik auch – auf Sicht und sind im aktiven Krisenmanagement gebunden, aber parallel dazu arbeiten wir natürlich schon an den entscheidenden Fragen der Zukunft des Sports. Wir sind sicher: Der Sport wird auch und gerade nach dieser Krise ein unverzichtbarer Bestandteil unserer gesellschaftlichen Entwicklung bleiben. Die 90 000 Vereine sind und bleiben die sozialen Tankstellen unseres Landes!

Müssen Ihre Mitarbeiter kurzarbeiten? Drohen sogar betriebsbedingte Entlassungen?

Unsere Mitarbeiter arbeiten aktuell überwiegend im Homeoffice. Entlassungen sind aktuell nicht geplant, aber mit möglichen Kurzarbeitsszenarien für die Sommermonate setzt sich der Vorstand im Moment sehr aktiv auseinander.

Womit können Sie den 27 Millionen DOSB-Mitgliedern Mut machen?

Vor allem damit, dass sich gerade in diesen Zeiten zeigt, wie wichtig der Sport für uns alle ist und welch hohes Ansehen er in der Gesellschaft und in der Politik genießt. Es ist ein großartiges Signal, wie solidarisch, besonnen und wertebasiert Sportdeutschland bisher dieser Krise begegnet. Denn die einschneidenden Maßnahmen, gerade was das Sporttreiben betrifft, werden nahezu ausnahmslos vorbildlich umgesetzt. Mut macht auch, wie vielschichtig und kreativ die Angebote gerade der Vereine und der Verbände zur Bewältigung der Krise sind: Zum Beispiel die von vielen angebotene Einkaufshilfe oder regelmäßige Telefonate von Übungsleitenden mit ihren Trainingsgruppen. Vor allem aber zeigt sich Sportdeutschland äußerst kreativ durch viele pfiffige digitale Sportangebote im Netz. Die Gemeinschaft als besondere Stärke des Sports zeigt sich auf eindrucksvolle Weise – die Sportvereine bieten sozialen Kitt für unsere Gesellschaft. Das macht uns für die Zukunft zuversichtlich.

Das Interview von Claus-Peter Bach erschien am 14. April 2020 exklusiv in der Rhein-Neckar-Zeitung

Sie halten zusammen wie früher

Über das Olympische Basketball-Turnier 1972 mit Center Dietrich Keller

Bei den Olympischen Spielen 2020, die 2021 in Tokio ausgetragen werden, steht zum 20. Mal ein Basketball-Turnier auf dem Programm. Bei den Wettkämpfen um die 19 bisher vergebenen Goldmedaillen waren Nationalmannschaften des Deutschen Basketball-Bundes (DBB) nur fünfmal beteiligt: Für 1984 in Los Angeles mit Teamchef Hans Leciejewski (Heidelberg) und Platz acht, 1992 in Barcelona (Platz 7) und 2008 in Peking (Platz 10) hatten sich die Deutschen auf sportliche Weise qualifiziert. Bei den ersten olympischen Basketballspielen 1936 in Berlin (Platz 15 gemeinsam mit Ägypten, China und Lettland) und 1972 in München (Platz 12) waren die Teams als Gastgeber automatisch dabei.

Der 2,08 Meter lange Center Dietrich Keller, der im olympischen Sommer 1972 vom deutschen Meister TuS 04 Leverkusen zum USC Heidelberg gewechselt war, erinnert sich sehr gut an die größte sportliche Herausforderung seines Lebens: „Es waren wundervolle Spiele, doch nach dem Attentat auf die israelische Mannschaft war alles zerstört. Wir Athleten dachten: Hoffentlich brechen sie ab, doch nach der Trauerfeier ging es weiter – nicht munter, sondern in schrecklich gedämpfter Stimmung. Das Attentat war im Olympischen Dorf 50 Meter von unserer Unterkunft entfernt verübt worden. Bis zum Schluss lebten wir wie in einer Kaserne. Keiner hat sich mehr herausgetraut“, sagt der nun 76-jährige Keller, den alle „Didi“ nennen und der mit seiner Ehefrau Ute in Eppelheim lebt und die Coronavirus-Krise lesend und werkelnd zuhause im Garten aussitzt: „Das macht mir nichts aus, das muss jetzt sein.“

Keller, der große, humorvolle Mainzer Bub, wusste seit 1968, dass er eine Olympiade später vielleicht zum Olympiateam gehören würde, denn DBB-Sportwart Anton Kartak (Heidelberg) hatte frühzeitig 50 Spieler nominiert und den tschechischen Bundestrainer Miloslav Kriz mit der Bildung einer starken Mannschaft beauftragt. Mit den Männern von der „Kartak-Liste“ schied Kriz aber bei der EM-Qualifikation 1968 in Saloniki nach einem „Skandalspiel“ (Keller) gegen Griechenland aus. „Am Schluss hatten wir nur noch drei Spieler auf dem Feld“, kann sich Keller über „den Beschiss“ noch heute prima aufregen. Auf Kriz, „einen gutmütigen Mann und zerstreuten Professor“ (Keller), folgte Bundestrainer Theodor Schober, der als Spieler mit dem Turnerbund Heidelberg mehrmals deutscher Meister und inzwischen als Trainer des USC Mainz ein Freund und Förderer „Didi“ Kellers geworden war. „Torry“ Schober war Sportdozent an der Uni Mainz, und als Abiturientin Ute dort die Aufnahmeprüfung für das Sportstudium absolvierte und einem hilfsbereiten Studenten Defizite im Fach Basketball signalisiert, antwortete Keller: „Ich könnte Dir helfen...“

Mit Schober, der 91-jährig in Mainz lebt, das Autofahren freiwillig aufgegeben hat und von Keller regelmäßig besucht wird, kam der Erfolg. 1971 bei der Europameisterschaft in Essen belegte das Team den neunten Platz, und die Olympia-Vorbereitung verlief gut, allerdings nicht für alle. Der aus Mannheim stammende Heidelberger Playmaker Hans Riefling, seit 1967 im Nationalteam, verletzte sich ebenso wie der junge Osnabrücker Spielmacher Harald Rupp. Handblessuren verhinderten deren Olympia-Teilnahme.

„Didi“ Keller aber qualifizierte sich als klassischer Center neben dem Leverkusener Norbert Thimm – nach dem Urteil des Autors Michael Rappe („Magic Basketball“) bester Mann im deutschen Team und mit 143 Punkten fünftbester Korbjäger – für Olympia in München und hatte auch Pech. Nach den Auftaktniederlagen gegen Puerto Rico (74:81) und den späteren Olympiasieger Sowjetunion (63:87) war Keller am 93:74-Sieg über die Philippinen beteiligt, doch in diesem Spiel hatte er ein schmerzhaftes „Meeting“ mit einem kleinen gegnerischen Spieler, der ihn beim Sprung mit dem Knie mit voller Wucht am Oberschenkel traf. Den Muskelfaserriss auszukurieren, dauerte bis zum vorletzten Spiel gegen Australien, das mit 69:70 verloren wurde. Keller versäumte die beiden Niederlagen gegen Italien (57:68) und Jugoslawien (56:81) sowie die beiden Siege gegen Polen (67:65) und den Senegal (72:62) sowie das Spiel um Platz elf, das eine 83:84-Niederlage gegen Spanien brachte.

Das Endspiel gewannen die Sowjets mit 51:50 gegen die USA, die nach sieben Goldmedaillen geschlagen waren. Die Amerikaner waren der Meinung, dass Alexander Belows Siegeskorb nach der Schlusssirene erzielt worden sei, doch ihr Protest wurde verworfen, worauf sie nicht an der Siegerehrung teilnahmen. Bronze holte Kuba.

„Die Philippinen, die Amerikaner und wir waren in diesem Turnier die einzigen Amateure“, sagt Dietrich Keller, dem es nach einem katastrophalen Fahrradunfall 2017 wieder gut geht, der alle USC-Teams – besonders gerne aber die Damen – als Zuschauer unterstützt und der in engem Telefonkontakt mit seinen Olympia-Kameraden Norbert Thimm, Holger Geschwindner und Karl Ampt steht. Sie halten zusammen – wie damals.

Claus-Peter Bach am 6. April 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Freitag, 3. April 2020

Michael Titze heißt der neue „Teamchef“

Über den Führungswechsel in der Geschäftsstelle des Badischen Sportbundes Nord


Der Badische Sportbund Nord (BSB) hat seit dem 1. April in seiner Geschäftsstelle im Karlsruher „Haus des Sports“ eine neue Führung. Denn Wolfgang Eitel, der ebenso erfolgreiche wie beliebte Geschäftsführer seit 2009, ist am 31. März in den Ruhestand gegangen und empfindet nach fast einer Woche der Quarantäne in Haus und Garten „überhaupt keine Langeweile.“

Es steht ganz außer Frage, dass das neue Führungsteam um Eitels Nachfolger Michael Titze sehr gut harmonieren wird, denn die vier Persönlichkeiten arbeiten seit Jahren harmonisch und in freundschaftlicher Kollegialität in den BSB-Büros und auf dem Karlsruher Turmberg zusammen, haben die Aufgaben ein bisschen neu verteilt und gelten in ihren Tätigkeitsbereichen als versierte Fachleute.

Der 53-jährige Ausdauersportler Michael Titze mit einer 3000-m-Bestzeit von 13:48 Minuten ist Betriebswirt, wohnt mit Ehefrau und Tochter in Stutensee und arbeitet seit 1997 beim BSB. Zunächst war er Referent für zentrale Organisation, wozu die Beherrschung sämtlicher IT-Einrichtungen des Hauses und die Aus- und Fortbildung von Mitarbeitenden und Vereinsvertretern in dieser Materie gehört. Der Computer-Fuchs hat auch den Neubau des „Hauses des Sports“ fachkundig begleitet und wurde 2001 zum Finanzreferenten befördert. Titze, der bei erträglichem Wetter gerne mit dem Fahrrad zur Arbeit kommt und das Tauchen als „liebstes, aber zu selten ausgeübtes Hobby“ betreibt, empfindet es als eine Auszeichnung, dass die Wahl auf ihn gefallen ist.



„Es ist kein Sprung ins kalte Wasser, und ich danke Wolfgang Eitel sehr, dass ich lange so eng mit ihm zusammenarbeiten durfte. Er hat mich auch während der letzten Monate weiter an die Aufgaben herangeführt“, berichtet Titze. Auch für die Mitarbeitenden sei es gut, dass „keine harte Zäsur“ erfolgt sei und dass die neue Geschäftsführung sich als Team verstehe: „Natürlich wird es hier und da Veränderungen geben, aber davor muss sich niemand fürchten“, ist Titze auf die Mitarbeiter-Crew ebenso stolz wie Präsident Martin Lenz (Karlsruhe), der den Teamspirit auch immer betont.

Michael Titze hat zwei Stellvertreter. Kerstin Häfele (36) stammt aus der Handball-Familie der SG Nußloch, lebt mit ihrem Ehemann in Gondelsheim und verantwortet den Bereich Finanzen. Kerstin Häfele begann ihre Berufsausbildung 2002 als Sport- und Fitnesskauffrau und wurde 2005 als Sachbearbeiterin in Buchhaltung und Sekretariat übernommen. Nach einem dualen Studium, das sie 2008 als Diplom-Betriebswirtin abgeschlossen hat, ist sie beim BSB als Mitarbeiterin im Referat Sportentwicklung, Öffentlichkeitsarbeit und Marketing tätig. BSB-Ehrenpräsident Heinz Janalik übertrug ihr von Anfang an die Organisation des BSB-Talentförderungspreises. Häfele verreist gerne mit ihrem VW-Bus, macht bevorzugt Ferien auf Sardinien, ist Patentante von vier Kindern und hat Michael Titze bei der Einführung und Weiterentwicklung des „BSBnet“ stark unterstützt.

Dr. Florian Dürr, der Leiter des Geschäftsbereichs Sport- und Vereinsentwicklung, war am Bunsengymnasium Heidelberg ein Schüler des BSB-Vizepräsidenten Gerhard Schäfer (Heidelberg) und hat bei Professor Dr. Klaus Roth am Institut für Sport und Sportwissen-schaften der Universität Heidelberg zum Doctor phil. promoviert. Das Thema seiner Doktorarbeit lautet: „Faktoren der Mitgliederzufriedenheit im Sportverein“. Dürr lebt mit Ehefrau, Tochter und Sohn in Neulußheim und wird von dem Ruf verfolgt, als aktiver Sportler alles zu können. Jedenfalls ist Dürr, seit 2007 als Marketingreferent und später als Referent für Sportentwicklung beim BSB angestellt, ein hoch kompetenter Mensch, der sein Wissen nicht für sich behält, sondern jedem beratend und helfend zur Seite steht, der seinen Rat sucht.
Zum vierköpfigen BSB-Leitungsteam zählt auch Fiona Eckert. Die 33-jährige Sportwissenschaftlerin hat einen Master-Abschluss zum Thema „Sport und Bewegung im Kindes- und Jugendalter“ an der Uni Heidelberg und einen Bachelor-Abschluss zu „Sportmanagement und Kommunikation“ an der Deutschen Sporthochschule Köln. Sie leitet seit 2015 das Ausbildungswesen des BSB Nord in der Sportschule Schöneck, ist aber auch häufig im „Haus des Sports“ am Fächerbad anzutreffen, um sich mit dem Team abzustimmen. Als Sportlerin hat sich Eckert etliche Meriten erworben – als erfolgreiche Athletin des Box-Club Heidelberg im olympischen Faustkampf. Nun kooperiert sie mit Landestrainern und Lehrreferenten.  

Claus-Peter Bach am 4. April 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

Bildtext:

BSB-Geschäftsführer Wolfgang Eitel (links) übergibt den Staffelstab an seinen Nachfolger Michael Titze. Foto: Fabian Schneider