Die Freude am Wettkampf bleibt
Waren
Sie schon einmal bei einem Schwimmfest, bei dem Athleten mit Bärenfellmützen
zum Startblock schreiten? Christine Comtesse hat das erlebt, weshalb es nicht
verwundert, dass die Athletin des SV Nikar Heidelberg – und mit ihr vier
rüstige junge Männer und eine junge Frau – so gut wie keine Gelegenheit
auslassen, zu internationalen Schwimmfesten zu reisen, um das zu erleben, dass
den Sport abseits von Profitum und Kommerz so reizvoll macht: Spaß am Wettkampf
und an der Begegnung mit Sportlern aus aller Welt.
Christine
Comtesse, weniger berühmt als Ursel Wirth-Brunner, aber vom Schwimmen genauso
begeistert wie Deutschlands „Sportlerin des Jahres 1963“ und
Olympia-Medaillengewinnerin 1960 in Rom, hatte mit ihrem Hobby Schwimmen auch
begonnen, als man noch bedenkenlos in den Neckar hüpfen und sich als
Wasserratte von den Schleppkähnen flussaufwärts transportieren lassen konnte.
„1950 bin ich in den SV Nikar eingetreten, und 2017 habe ich bei der
Weltmeisterschaft in Sofia fünf Goldmedaillen gewonnen“, erzählt Christine
Comtesse, nippt am Wasserglas und fügt mit einem entschuldigenden
Schulterzucken hinzu: „2018 bei der Europameisterschaft in Slowenien waren es
nur drei Bronzemedaillen.“ Dabei ist es der früheren Pflegepädagogin der
Universität Heidelberg, die unzählige gesunde Krankenschwestern ausgebildet
hat, eigentlich nicht so wichtig, ob sie bei einem Schwimmfest Medaillen aus
dem Becken fischen kann.
„Hauptsache,
ich habe Spaß gehabt und viele Eindrücke sammeln können“, betont Christine
Comtesse, denn wer eine Reise tut und sich in der Altersklasse 75 der
Masters-Schwimmer mit zehn hartnäckigen Konkurrentinnen aus Australien, Japan,
Kanada und den USA gemessen hat, möchte seinen beiden Kindern und zwei
Enkelkindern auch etwas erzählen: Die russischen Schwimmer mit den
Bärenfellmützen hatten großen Eindruck gemacht, und berichtenswert ist es auch,
dass Masters-Schwimmer, die als Letzte anschlagen, vom Publikum immer besonders
herzlich beklatscht werden.
Die
vier jungen Männer, die Christine Comtesse bei ihren Ausflügen begleiten, sind
Lars Kalenka (45), Adrian Görler (50), Stephan Klevenz (50) und Marc Vaupel,
der in der Altersklasse 55 antritt. Lars Kalenka, 1991 für die TG Heddesheim
Deutschlands bester Rückenschwimmer und 2013 für den SV Nikar „Seniorensportler
des Jahres“ in Heidelberg, ist in jungen Jahren so gerne international
gestartet, dass er das einfach immer weiter macht und 2017 in Budapest mit dem
Weltmeistertitel über 400 m Freistil und Silber in seiner Spezialdisziplin 200
m Rücken belohnt wurde. Bei der EM 2018 im slowenischen Kranj gab’s für den
Personalberater Gold über 50, 100 und 200 m Rücken sowie über 400 m Freistil,
obwohl er seinen Sport „nur noch zum Spaß und längst nicht mehr so zwanghaft
wie früher“ ausübt. Dass er bei den Masters-Titelkämpfen immer wieder großen
Schwimmern früherer Zeiten wie dem vierfachen Olympiasieger Wladimir Salnikow
aus Leningrad begegnet, ist ihm eine große Freude und Leistungsanreiz. Man will
schon beweisen: Was der kann, kann ich auch. Und im menschlichen Miteinander
der Masters-Schwimmer gilt der Grundsatz: Vor dem Wettkampf sind wir Freunde,
im Rennen wird gefightet, bis man blau anläuft, und nach dem Rennen wird
geflachst, erzählt und das eine oder andere anregende Getränk verkostet.
Adrian
Görler und Stephan Klevenz, als Software-Entwickler Kollegen in Walldorf,
blicken ebenfalls auf schöne Erlebnisse zurück. Görler startete in Kranj über
100 m Freistil und belegte den für ihn höchst befriedigenden zehnten Platz,
während Klevenz bei der deutschen Freiwasser-Meisterschaft 2017 in Hamburg den
fünften Rang eroberte. Im gleichen Jahr schwamm er von Asien nach Europa, denn
er nahm mit 2400 Schwimmern am Rennen durch den Bosporus teil und wurde nach
6,5 Kilometern 23. im Gesamtklassement und Sieger seiner Altersklasse 50. „Das
Bosporus-Rennen ist das größte Schwimmereignis der Welt, und wie bei vielen
Schwimmfesten gab es neben der Medaille ein nützliches Präsent für die Besten:
ein Handtuch“, freut sich Stephan Klevenz und trainiert bereits für den nächsten
Sommer.
Kaufmann
Marc Vaupel ist als Schwimmer viel beschäftigt, denn er genießt ein
Zweitstartrecht für den SCW Eschborn. Bei den deutschen
Mannschaftsmeisterschaften im November in Gelsenkirchen glänzte er mit zwei
deutschen Schmetterlingsrekorden, bei der Rheinland-Pfalz-Meisterschaft in
Gaualgesheim schwamm er im Januar drei deutsche und zwei europäische Rekorde.
Das
Nesthäkchen unter den Nikar-Masters ist Julia Dammann, die in der Altersklasse
25 bis 29 ähnlich erfolgreich ist wie Christine Comtesse – Weltmeisterin 2017
und Europameisterin 2018 über 200 m Brust. Die Rostockerin kam als junges
Mädchen an den Olympiastützpunkt Rhein-Neckar, besuchte das
Willy-Hellpach-Wirtschaftsgymnasium, entwickelte sich bei Trainerin Uta Brandl
zur Topathletin im Brustschwimmen und arbeitet nun als Erzieherin. Die Freude
am Schwimmen und am Wettkampf hat sie nie verloren. Wie ihren Masters-Freunden
hat ihr eine Sportpause diese Freude nicht genommen.
RNZ vom 15./16. Dezember 2018
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