Dabei sein ist alles
Was haben wir uns
darauf gefreut!Nachdem wir das Euro-Gekicke überlebthatten, haben mein Papagei
undich im Büro jedes halbe Stündchen genutzt,um uns auf der alten schwarzen
Ledercouch ein
bisschen aufs Ohrzu legen, und wir haben einige Grillpartysabgesagt, um tüchtig
vorschlafenzu können.
Dann endlich,
endlich war sie da:Unsere erste Olympianacht vor demFernseher! Damit wir uns
nicht umorientierenund so seltsame Sportartenwie Basketball, Handball,
Karate,Stabhochsprung oder Stricknadelboxenanschauen müssen, hat uns dasZDF überreich
beschenkt und einenTraum erfüllt: Fußball mit Béla Réthy– uns schossen die
Freudentränen indie Augen.
Gut, es war ein
flottes Spiel zwischenHorst Hrubeschs Talenten undden mexikanischen
Titelverteidigern.Die jungen Deutschen wussten sogar,wie man sich in den
gegnerischen
Strafraum
kombiniert, wie man Flankenschlägt, um die Stürmer zu finden,und wie man zwei Tore
schießt.Ganz groß: Niklas Süle, der Riese ausHoffenheim, dem die flinken
Mexikaner,
allesamt kleine
Brüder vonSpeedy Gonzales, nicht ein einzigesMal durch die Beine durchgeflitzt
sind. AuchBéla Réthy war in Topform, die Stimmeknarzte wie die Eingangstür
einesuralten Landhauses bei „InspektorBarnaby“. Der Reporter wusste, dassder
junge Süle von Karl-Heinz Förstergemanagt wird, was für einen Verteidigerkein
Schaden sein kann. Er
wusste auch, dass
der eine Bender zweiMinuten älter ist als der andere Bender,verriet aber nicht,
ob er im Zugeseiner gründlichen Recherche bei derGeburt der Zwillinge dabei
gewesenwar. Nur bei den Auswechslungen derMexikaner kam der beste Mann
desSenders mal ein bisschen durcheinander.Es ist in seinem Alter und
angesichtsso vieler unbesetzter türkisfarbenerSchalensitze auch nichtleicht,
bei diesem ständigen Rein undRaus die Übersicht zu behalten.
Die Sause hat begonnen
Noch interessanter
als dieses Fußballspielund der folgende superspannendeKick zwischen Hondurasund
Algerien (3:2) war allerdings derschon zur Primetime ausgestrahlteFilmbericht,
der sich mit den sozialenVerhältnissen in Rio befasste und indem zu sehen war,
wie die alten Hüttenarmer Leute wegen des neuenOlympischen Dorfes abgerissen
wurden,
obwohl diese
Menschen bis heutekeine neue Wohnung erhalten haben.Ob sie für die Dauer der
OlympischenSpiele bei Thomas Bach unter die Deckeschlüpfen dürfen?, fragte mein
Papagei.Ganz am Ende des Film erfuhrenwir, dass es den Leuten in Riogar nicht
so schlecht gehe, denn einGramm Kokain koste nur umgerechnetfünf Euro. „Na
dann!“, rief mein
Papagei aus und
wollte sich sofort insIOC wählen lassen.
Koks war zu Beginn
dieses Jahrtausendseine beliebte Partydroge unterFußballtrainern, mittlerweile
habensich gewiss auch Athleten aus anderenSpartendaranerinnert,dasssich
eine Leute schon
zu Zeiten des seligenBarons de Coubertin während ihrerGesellschaften hin und
wieder dieNase gepudert haben. „Erfrischungsraum“hießen die Toilettenumdie
vorletzteJahrhundertwende. Und schon1896 in Athenund1900 in Paris istmanmit
Zuckerwasser und einem morgendlichenCroissant nicht Olympiasiegergeworden. Ein
kleiner Cafémusste als Aufputschmittel dienen,und die Sportschützen haben schon
in dergriechischen Antike vomRetsinageschlürft, um eine ruhige Hand zuhaben,
wenn der Kampf um den grünenLorbeerkranz in die entscheidende Phase trat.
Nun also Koks für
fünf Euro. Datrifft es sich doch schön, dass ThomasBach beruhigend versichert
hat, dieKontrollen der WADA funktioniertennicht gut, zumal unseres Wissens nur
Urin oder Blut
getestet werden undkein einziger Kontrolleur jemals in dieNasen der Athleten
gelinst hat. Bis esdazu kommt, kann es Jahre dauern. Eshat auch Jahre gedauert,
bis die WADA die Dopingproben von Sydney,Athen oder Peking untersucht hat
–angeblich waren die Geräte und Methodennicht modern genug. Modernist und
bleibt das olympische Motto
Pierre de
Coubertins: Dabei sein ist allesbei der großen olympischen Sause.Jetzt ahnen
wir endlich, warum.