Boris
darf an die frische Luft
Im Sport ist 2013 viel passiert, obwohl dabei kein Sport
getrieben wurde. Beschäftigt haben uns vier Prozesse. Spieler forderten vom SV
Sandhausen vergeblich eine Nichtabstiegsprämie, obwohl sie nach einer
Horrorsaison krachend in der 3. Liga aufgeschlagen wären, hätte der MSV
Duisburg nicht die Lizenz verloren. 1899 Hoffenheim hatte Spieler langfristig
verpflichtet und fürstlich entlohnt, ehe man entdeckte, dass sie nicht ins
Spielkonzept passen. Statt sie in der zweiten Mannschaft einzusetzen, wie das
normale Vereine tun, wurde eine „Trainingsgruppe 2“ gebildet, was den
Arbeitsrichter Lothar Jordan die Stirn runzeln ließ. Mit dem Recht des
Schiedsrichters auf einen Irrtum bei Tatsachenentscheidungen begründete das
DFB-Sportgericht sein Urteil im Verfahren um das Hoffenheimer „Phantomtor“.
Dort hatte ein Leverkusener den Ball neben das Tor und durch ein Loch im Netz
geköpft. Der Treffer zählte, weil es – laut DFB – für Schiedsrichter ein
Grundrecht auf Blindheit gibt. Wer dopt, entschied ein Stuttgarter Gericht im
„Fall“ des Radprofis Stefan Schumacher, betrügt alle möglichen Leute: Seine
Konkurrenten, Fans und Sponsoren, nicht aber seinen Arbeitgeber. Der Chef eines
Radstalls hätte wissen müssen, dass der Athlet betrügt, denn – so das Gericht und
mein Papagei im Einklang – „im Profiradsport tun das alle.“
Freude in fast
ganz TBB
2013 hat der gesamte deutsche Sport seine Unschuld
verloren, denn mit der Studie der Berliner Wissenschaftler über
Doping-Praktiken in Westdeutschland bis 1990 ist klar, dass nicht nur bei den
bösen „Ossis“, sondern auch bei den verlogenen „Wessis“ systemisch und mit
finanzieller Förderung durch staatliche Stellen gedopt wurde. Der Deutsche
Olympische Sportbund (DOSB) setzte flugs eine Kommission ein, die prüft, ob die
Forscher richtig geforscht haben. Dieser Kommission gehören auch die
Präsidenten der Verbände Leichtathletik, Schwimmen und – ja, richtig! –
Radsport an. „Dient der DOSB wirklich der Förderung des Sports oder eher der
Veräppelung seiner 27 Millionen Mitglieder?“, fragt mein Papagei. Die GroKo hat
im Koalitionsvertrag zwar hehre Aussagen zum Dopingkampf getroffen, aber noch
keine Forscher beauftragt, die gesamtdeutsche Dopingpraxis von 1990 bis 2013
aufzuarbeiten. Die aber interessiert uns Steuerzahler brennend, wir wollen
namentlich wissen, welche Minister, Beamten und DOSB-Funktionäre
Dopingforschung mit Staatsmitteln angeordnet haben und wer davon wissen muss.
Gedopt haben 2013 Sprinter in Jamaika und in den USA,
Athleten im nahen, mittleren und fernen Osten und in der Kurpfalz. Das ist so
unappetitlich wie Franz Beckenbauers Statement zur menschenverachtenden
Bauweise der WM-Stadien in Katar, die Todesopfer gefordert hat. Der „Kaiser“
hatte im Wüstenstaat „keine Sklaven in Ketten“ entdecken können, wurde für
seine mutige Forderung „Ringen muss olympisch bleiben!“ allerdings zum
Ehrenmitglied des Deutschen Ringerbundes ernannt.
In den letzten Wochen des Jahres wendete sich das Blatt. Es
kam Freude auf. Ganz Tauberbischofsheim tanzte auf den Tischen, als der
gewiefte Advokat Thomas Bach zum „Herrn der Ringe“ gekürt wurde. Nur die
Kassiererin an der Tankstelle in TBB fragte an diesem Freudentag: „IOC? Was
is’n des? Bach? Den kenn’ i net!“ Die Dame soll auf Lebenszeit, obwohl sie gar
nicht lesbisch ist, für Olympia gesperrt worden sein.
Schließlich
erhob sich Boris Becker nach „Wetten, dass...?“ von der Couch und kehrte als
Head Coach von Novak Djokovic zum Tennis zurück. Dazu passt das „Foto des
Jahres“, das den Helden von einst bei einer Spielshow zeigt – die frische Luft
wird Boris gut tun.
(Linksaußen am 23. Dezember 2013)