Sonntag, 28. April 2024

Als der USC Heidelberg deutscher Basketball-Meister war

In den 1970-er Jahren waren die Korbjäger als Amateure eine Macht

In den 1970-er Jahren schrieben zwei Heidelberger Sportvereine ganz fette Schlagzeilen. Die Rugbyspieler des Heidelberger Ruderklub begeisterten 1971, 1973 und 1976 mit den deutschen Meisterschaften und den Trainern Martin Schuster, Aurel Barbu und Karl Lachat sowie mit den Pokalsiegen 1973 und 1976 die Fans des ovalen Balles, während die Korbjäger des USC Heidelberg zwei deutsche Meisterschaften, drei Vizemeisterschaften und zwei Pokalerfolge feierten und eine ganze Stadt in Basketball-Fieber versetzten.

„Es waren schöne Jahre. Wir waren zwar reine Amateure, aber wir waren erfolgreich und eine verschworene Gemeinschaft. Bis heute sind wir Freunde“, erinnert sich Wolfgang Lachenauer (75). Der noch immer aktive Rechtsanwalt, der „Die Heidelberger“ 26 Jahre lang im Gemeinderat seiner Heimatstadt vertrat, war am 24. März 1973, als der USC im Bundesleistungszentrum seine achte deutsche Meisterschaft erkämpfte, Kapitän der Heidelberger Korbjäger, die ihre ersten sieben Meistertitel von 1957 bis 1962 und 1966 mit den Trainern Anton Kartak, Kurt Siebenhaar und Theodor Schober errungen hatte.

Nachdem das USC-Team des US-amerikanischen Trainers Dick Stewart, eines Lehrers an der Heidelberger Highschool, die Bundesliga Süd hinter dem MTV Gießen und dem USC München auf dem dritten Tabellenplatz abgeschlossen hatte, folgten in der Endrunde fünf Siege in sechs Spielen. In den Halbfinals entthronte der USC den Titelverteidiger TuS Leverkusen mit 64:52 und 70:60. Vor Saisonbeginn war der Mainzer Nationalcenter und Olympia-Teilnehmer Dietrich Keller von Leverkusen nach Heidelberg gewechselt, weil ihm der USC einen attraktiven Arbeitsplatz bei Boehringer in Mannheim vermitteln konnte. Die erneute Endspiel-Teilnahme signalisierte dem 2,09 Meter großen Brettcenter, dass er die richtige Entscheidung getroffen hatte.

Dick Stewart hatte die erste Saisonhälfte darauf verwendet, mit seinen Spielern Kondition zu bolzen. „Das war unmenschlich. Oft waren wir nach den Trainings so groggy, dass wir uns unter der Dusche hinlegen musste“, erinnert sich Didi Keller (80), „doch unsere physische Stärke war in den Endspielen vielleicht unser Plus“, sagt Wolfgang Lachenauer. Die Center Christoph Staiger und Dietrich Keller, der nach dem Urteil seiner Freunde „überragende Spielmacher“ Hans Riefling und die Guards Wolfgang Lachenauer und Hilar Geze, der aus der damaligen Tschechoslowakei gekommen war, bildeten beim 70:70 in Gießen die Startformation des USC. Vizekapitän Detlef Schöpf, Friedhelm Berres, Walter Fuchs, Horst Herrmann, Walter Wieland, Armin Zimmermann und der aus den USA gekommene Brasilianer George Weston, der bereits vor Jahren verstorben ist, vervollständigten ein Team, das im Rückspiel vor über 2000 Zuschauern die stärkeren Nerven hatte und mit 71:70 Match und Titel gewann.

Leib an Leib, eng gedrängt wie Ölsardinen in der Dose, standen die Fans in der erst im Vorjahr eingeweihten BLZ-Halle. Unter den Zuschauern jubelte der Multisportler Kuno Birk, den sie schon zu Lebzeiten „Der Legendäre“ nannten und der, weil in der überfüllten Halle Rauchverbot herrschte, an seiner Zigarre vor Aufregung so heftig knabberte, dass bei der Schlusssirene die dicke Havanna vollständig aufgegessen war. Riefling hatte 26 Punkte zum Sieg beigetragen, Geze 18 und Keller 12, und nach der kleinen Kabinenfeier ging die ganze Mannschaft ins obere Foyer des BLZ, wo die Vereinsführung ein kalt-warmes Büffett aufgebaut hatte. „Als wir kamen, hatten die Ehrengäste schon alles aufgegessen“, schmunzelt Didi Keller – denn dem Meisterteam blieb nichts anderes übrig, als auf „große Tour“ zu gehen: Erst zum Essen in den Weißen Stein, dann in den Reichsapfel, den Bierbrunnen und die Tangente, wo die kleineren Spieler auf den Polstersitzen tanzten und dennoch kaum größer waren als Christoph Staiger und Didi Keller.

Nach diesem Titelgewinn sorgten Riefling und Keller, denen berufstätige Menschen das Training einfach zu hart war, für einen Trainerwechsel. Der neue Chef hieß Hans Leciejewski, der 1966 mit dem USC Basketball-Meister und 1969 mit der SG Leutershausen deutscher Feldhandball-Meister gewesen war. Mit dem 15-maligen Nationalspieler, an dessen Seite der umsichtige und bienenfleißige Basketball-Abteilungsleiter Dieter Joseph eine prägende Bedeutung erhalten sollte, wurde der USC 1974 (54:67 und 64:70 in den Endspielen gegen den SSV Hagen) und 1975 (69:84 und 67:56 gegen Gießen) zwei Mal Vizemeister, ehe nach einem vierten Rang 1976 in der einteiligen Bundesliga 1977 der neunte Meistertitel und der erste Pokalerfolg gelangen.

Bereits im Sommer 1974 war der damals 21-jährige Nationalspieler Harald Rupp aus Osnabrück nach Heidelberg gewechselt, „weil ich hier einen sicheren Jura-Studienplatz erhalten habe. Die Ausbildung und der Beruf waren uns ebenso wichtig wie der Sport“, sagt der 71-jährige Rechtsanwalt, der fortan mit Hans Riefling ein geniales Playmaker-Pärchen bildete. Der aus Wolfenbüttel gekommene Deutsch-Amerikaner Wolfgang Fengler und Didi Keller herrschten 1976/77 unter den Körben, Rainer Frontzek (aus Leverkusen), der US-Soldat Hershel Lewis, Jochen Schmitt, Hans Niklas (aus München) und der mit offenem Haupthaar über das Parkett wieselnde Hans-Peter „Lukas“ Kaltschmitt trafen häufig aus der Distanz, und Bernd Kimpel (aus Langen), Hans-Joachim Strüven und Michael Vogel, dessen Sohn Alex heute Manager der MLP Academics ist, ergänzten das Doppelmeister-Team.

Die Heidelberger schlossen die Bundesliga-Hauptrunde und die Endrunde der besten sechs Vereine jeweils auf Platz eins ab, Vizemeister wurde Leverkusen vor Gießen und Hagen. Rainer Frontzek belegte unter den besten deutschen Korbjägern mit 213 Punkten Platz fünf vor Hershel Lewis mit 210 Punkten als Sechster. Nach dem letzten Endrundenspiel, einem 90:77 gegen Hagen – Center Keller war mit 24 Punkten Topscorer – ging es geschlossen in den Bierbrunnen, wo der Wirt Hans Eitel häufig zwischen Tresen und Fassanstich im Keller hin und her sprinten musste. Und die Fans waren mittendrin und nicht nur bei den Spielen dabei…

In den Pokalendspielen legte der USC einen 88:70-Heimsieg gegen Leverkusen vor, ehe die Rheinländer das Rückspiel mit 87:72 gewannen und die Heidelberger den Pott mit 160:157 holten. Hatte der Berghausener Roland Geggus (+ 2011), der spätere Präsident des Deutschen Basketball-Bundes, schon ab 1976 als Assistent von „Lambi“ Leciejewski (+ 2017) gewirkt, so führte er den USC 1978 als Cheftrainer zur deutsche Vizemeisterschaft hinter dem MTV Gießen, während es in den beiden Pokalendspielen gegen den SSV Hagen erneut ganz knapp wurde: Heidelberg gewann zuhause dank der 22 Punkte des US-Amerikaners Mark Veenstra und der 20 Punkte Wolfgang Fenglers mit 78:69, während im Rückspiel die Hagener mit 90:82 siegten. Mit 160:159 gewann der USC zum zweiten Mal den DBB-Pokal, obwohl Riefling, Keller und Lewis nicht mehr dabei waren. 1979 folgte Bundesliga-Platz sechs, 1980 der Abstieg in die 2. Liga.   

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