Über den Untersuchungsbericht zur Intrige gegen DOSB-Präsident Alfons Hörmann
Wer im sonnigen Herbst 2021 die Medienberichte über den Deutschen Olympischen Sportbund (DOSB) verfolgte, konnte den Eindruck gewinnen, dass dessen Präsident Alfons Hörmann (62) der größte Schuft auf Erden sei. Nachdem eine „DOSB-Mitarbeiterschaft“ am 6. Mai 2021 eine zweite anonyme E-Mail an Präsidium, Vorstand und einige Medien gesandt hatte, sahen sich Hörmann und die Vorstandsvorsitzende Veronika Rücker (52) schweren Vorwürfen ausgesetzt. Eine erste Nachricht war vier Monate zuvor an Betriebsräte geschickt worden, die wegen der Anonymität des Absenders aber nicht reagierten.
„Mehr als ein Drittel der Mitarbeitenden“, heißt es in der E-Mail vom Mai, litten unter einer „Kultur der Angst“ und begründeten, „warum wir eine/n neue/n Präsident/in brauchen“. Der Mann, der in seinen kämpferischen Auseinandersetzungen mit der Politik, manchen Medien, dem IOC und internen Widersachern im DOSB und einigen Fachverbänden stets „Klarheit und Wahrheit“ für sich reklamiert hatte, stand am Pranger. Er habe die im „Haus des Sports“ in Frankfurt geltenden Hygieneregeln verletzt und keine Mund-Nasen-Bedeckung getragen. Er sei fordernd, einschüchternd, rücksichtslos und herablassend aufgetreten, habe gegen Mitarbeitende offenen Tadel geäußert und in einem Fall einen Bleistift in Richtung einer Dame geworfen, die während einer Videokonferenz im gleichen Raum weilte und mit einer anderen Dame schwatzte.
Das wirft natürlich Fragen auf: Darf ein Chef heutzutage, also nach der Zeitenwende, noch laut werden? Darf er seine Mitarbeitenden zu Disziplin und Höchstleistungen animieren? Darf er Arbeitsergebnisse einfordern und Kritik äußern, wenn ihm diese zu schlecht erscheinen? Hörmann fühlt sich, wohl bis heute, keines Fehlverhaltens schuldig, zumal ihm eine Ethikkommission unter Vorsitz des vormaligen Bundesministers Thomas de Maizière verschwurbelt bescheinigte, sich zwar kritikwürdig, aber niemals strafrechtlich relevant verhalten zu haben. Fazit der Ethiker: Man könne Hörmann böse sein, aber eigentlich nur aus stilistischen Gründen.
Der Präsident aber war tief beleidigt und so verstört, dass er immer weniger zwischen Freund und Feind unterscheiden konnte und im Dezember 2021 seinen Rückzug vom höchsten Amt des deutschen Sports verkündete.
Die neue DOSB-Führung unter Präsident Thomas Weikert wollte verstehen, setzte eine „Aufarbeitungskommission“ ein und entband die Mitarbeitenden von Verschwiegenheitspflichten. Die Kommission untersuchte die Causa penibel und legte nun einen 43-seitigen Bericht vor. Sie wurde von namhaften Juristen geleitet: Von der Wiesbadener Rechtsanwältin Christa Thiel (68), der ehemaligen Präsidentin des Deutschen Schwimm-Verbandes und DOSB-Vizepräsidentin für Leistungssport (2010 bis 2014), und von Clemens Basdorf (73), von 2006 bis 2014 Vorsitzender des 5. Strafsenats des Bundesgerichtshofs in Leipzig.
Sie haben sich alle Mühe gegeben, Licht ins Dunkel der Intrige zu bringen. Aber auch sie – wie die von Hörmann beauftragten Anwälte, Sprachgutachter und Forensiker – konnten den/die Autor/en der E-Mails nicht identifizieren. Ob sich ihr Blick auch nach Nordrhein-Westfalen und in die Schweiz gerichtet hat, wissen wir nicht.
Ihr Urteil über Hörmann besagt: Hygieneverstoß ja – geschenkt. Harscher Umgangston ja – nicht schön, aber auch nicht sooo schlimm. Alle Verdächtigungen Hörmanns, was die Urheberschaft der E-Mails betrifft – nicht zu beweisen. Die Kommunikation des DOSB nach Bekanntwerden der Affäre – eine einzige Katastrophe. Besonders peinlich: Eine Ehrenerklärung des Präsidiums pro Hörmann, von der sich Unterzeichner anderntags öffentlich distanzierten.
Kann ein Sportbund mit rund 200 Mitarbeitenden, einer Kommunikations- und Rechtsabteilung nicht professioneller arbeiten? Muss ein Sportverband mit Justiziar „deutlich mehr als 700 000 Euro“ für Anwälte ausgeben? Deshalb: Die Attacken auf Hörmann, aber auch dessen Kampf mit Windmühlen, waren für den Sport nicht gut – und haben viel zu viel Geld gekostet.