Freitag, 15. Oktober 2021

Der DOSB-Präsident sprach in Bad Krozingen Klartext

Böses Foul an Alfons Hörmann

Kaum zwei Monate vor der Mitgliederversammlung des Deutschen Olympischen Sportbundes am 4. Dezember in Weimar war der scheidende DOSB-Präsident Alfons Hörmann in Bad Krozingen beim Badischen Sportbund Süd zu Gast und nahm vor den Delegierten der Verbände und Vereine Stellung zu brennenden Themen des Sports – während der abflauenden Coronavirus-Pandemie und nach den Olympischen und Paralympischen Spielen in Tokio.

Der 61-jährige Unternehmer aus Sulzberg im Allgäu, um deutliche Stellungnahmen noch nie verlegen und deshalb in den drei baden-württembergischen Sportbünden hoch geschätzt, sprach Klartext, bedankte sich bei BSB-Süd-Präsident Gundolf Fleischer für Loyalität und kritische Freundschaft und verlieh dem 78-Jährigen die Goldene DOSB-Ehrennadel.

Das Coronavirus hat den Sport beschädigt. Hörmann betonte, dass der Sport entschlossen zur Bekämpfung der Pandemie beigetragen habe, bedauerte aber, dass Politiker und Ministerialbeamte kaum bereit und fähig waren, die Notwendigkeiten des Gesundheitsschutzes in den diversen Sportarten differenziert zu betrachten. Dass die Fußball-Profiligen Vorreiter bei einer schrittweisen Öffnung zur Normalität und damit Vorbild für andere Sparten sein durften, bewertete Hörmann positiv. Doch viele Sportarten mit ebenfalls geringem Ansteckungsrisiko mussten sich benachteiligt fühlen. „Der Schulsport und der Schwimmunterricht waren schon vor der Pandemie in einem erschütternden Zustand“, sagte der DOSB-Präsident an die Adresse der Kultusminister.

Durch die Pandemie und die fehlende Möglichkeit, neue jugendliche Mitglieder für die Vereine zu werben, muss der DOSB einen Mitgliederrückgang verkraften. Während Südbaden mit einem Schwund von 2,1 Prozent und Nordbaden mit 3,14 Prozent (= 24 764 Personen) glimpflich davongekommen sind, liegt der bundesweite Mitgliederverlust 2020 bei zehn bis 15 Prozent. „Schmerzlich ist auch der Verlust an ehrenamtlich Engagierten, den wir auf 20 Prozent beziffern“, sagte Hörmann. Es sei wichtig zu versuchen, diese Mitarbeiter neu zu begeistern. Von der von der Politik zur Verfügung gestellten Pandemiehilfe seien 2020 nur 70 Millionen Euro in Anspruch genommen worden, weil „die überbordende Bürokratie die Vereinsvorstände von einer Antragstellung abgeschreckt hat“.

Dass die Olympischen und Paralympischen Spiele 2020 im Sommer 2021 in Tokio stattgefunden haben, findet Hörmann gut und vor allem deshalb wichtig, weil das IOC so die Mittelverteilung auf die Weltverbände gewährleisten konnte. „80 Prozent des Weltsports wären ohne die IOC-Zuschüsse nicht lebensfähig“, behauptete der DOSB-Präsident, der Olympia in Tokio als Chef der deutschen Delegation erlebt hat und feststellte: „Es war für uns alle ein Pflichtprogramm, aber es hat keinen Spaß gemacht.“ Er habe zwar etliche Medaillengewinne seiner Schützlinge vor Ort erlebt, aber nicht in den Umkleidekabinen gratuliert, „denn ich bin nicht Angela Merkel!“ Zum sportlichen Ergebnis von Olympia äußerte sich Hörmann glasklar: „Im Spitzensport leuchtet die Alarmstufe Hellrot! Und bei den Winterspielen in Peking wird der Absturz im Medaillenspiegel noch größer sein. Mir fehlt wirklich die Fantasie, wie es gelingen könnte, den Schalter umzulegen.“

Hörmann begrüßte es zwar, dass nach Jahren der Stagnation in der Spitzensportförderung der Mittelaufwuchs um 150 Millionen Euro endlich zur Erfüllung der Bedingungen für die Spitzensportreform von 2015 geführt habe, doch werde die Förderung kaum auf die Bedürfnisse in den Sparten zugeschnitten und die Evaluierung der Leistungsfähigkeit von Verbänden sei „eine bürokratische Zumutung.“ Er prophezeite: „Der deutsche Sport wird in zehn Jahren dort erfolgreich sein, wo der Staat nicht mitmischt, und dort scheitern, wo Beamte die Finger im Spiel haben.“ Und er forderte die Delegierten auf: „Sie müssen entscheiden, ob Sie in Deutschland einen freien Sport oder Staatssport wünschen.“

Durch Medienberichte war bekannt geworden, dass der DOSB-Präsident durch einen anonymen Brief von Mitarbeitenden im „Hause des Sports“ beschuldigt worden ist, dort „ein Klima der Angst“ zu verbreiten und Mitarbeitende zu mobben. Forensische Untersuchungen der Staatsanwaltschaft und der Kriminalpolizei haben, so Hörmann, inzwischen aber ergeben, dass keine Mitarbeiterin und kein Mitarbeiter des DOSB diesen Brief geschrieben hat. Vielmehr sei das ein von einem offenbar überehrgeizigen Fachverbandspräsidenten verfasstes und an die Medien durchgestochenes Fake, um Hörmann öffentlich zu diskreditieren. Er habe daraus seine Konsequenzen gezogen und werde sich in Weimar nicht mehr zur Wahl stellen.

Offenbar wird im deutschen Sport gegenwärtig grob gefoult.


Alfons Hörmann (links) verlieh Gundolf Fleischer des Goldene DOSB-Ehrennadel, rechts Ingo Weiss, der Sprecher der Fachverbände im Deutschen Olympischen Sportbund. Foto: Bernhard Thie



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Das große Derby seit 70 Jahren

Am 16. Oktober 2021 spielt der SC Neuenheim gegen den TSV Handschuhsheim


Ganz ehrlich, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, heute ist mein Papagei schon beim Frühstück närrisch. Um seine Nerven zu beruhigen, hat der Ärmste seine Haferflocken und Jod-S11-Körnchen in eine Pfütze Weinbrand getaucht, denn wenn am Nachmittag des 16. Oktober 2021 neben dem Zoo das immergrüne Rugby-Derby zwischen dem Sportclub Neuenheim und dem TSV Handschuhsheim angepfiffen wird, muss er – obwohl „nur“ Zuschauer – in Hochform sein. Die 30 Spieler müssen das auch, das erwarten ihre Fans, denn Derby ist Derby.

 

„Derbys elektrisieren die Zuschauer, obwohl es eigentlich ganz normale Spiele sind“, weiß der Pädagoge Matthias Bechtel (54), Rugby-Abteilungsleiter der TSV-Löwen. In früheren Zeiten mobilisierten die Fußball-Derbys zwischen dem FC Bayern und dem TSV 1860 München oder dem 1. FC Nürnberg und der SpVgg Fürth die Anhänger, heute liegt Spannung über den Metropolen, wenn Hertha BSC gegen Union Berlin in der Bundesliga oder der FC St. Pauli gegen den Hamburger SV in der 2. Liga spielen. Im Rugby haben die Stadtduelle zwischen dem Harlequins FC und dem Saracens RFC in London oder zwischen Stade Français und dem Racing Club 92 in Paris eine besondere Bedeutung. Und im deutschen Rugby lockten Begegnungen von Eintracht Frankfurt und dem SC 1880 in den 1970-er Jahren, Victoria Linden und dem DSV von 1878 Hannover in den 1980-er Jahren sowie des Berliner RC gegen den RK 03 Berlin nach der Wiedervereinigung viele Zuschauer auf die Sportplätze.

 

Und eben SCN gegen TSV oder TSV gegen SCN seit über 70 Jahren und bis heute. „Für uns ist es das wichtigste Spiel der Bundesliga-Vorrunde, denn beide Mannschaften wollen ins Halbfinale der deutschen Meisterschaft, das nur die besten zwei süddeutschen Klubs erreichen können“, sagt Axel Moser (42), der Sportvorstand des SCN.

 

Gegen den Titelverteidiger Frankfurt haben seine Neuenheimer knapp verloren, eine zweite Niederlage in der Hinrunde täte weh. „Oft wird diesem Spiel eine zu große Bedeutung beigemessen“, findet Matthias Bechtel, der sich allerdings auch darauf freut, dass das bestbesuchte Match der Bundesliga Emotionen freisetzen wird. „Nichts dagegen, aber die Fairness muss im Vordergrund stehen“, fügt er hinzu.

 

Die sportliche Rivalität zwischen den Nachbarn im Heidelberger Norden hat Tradition. In den 1950-er und 1960-er Jahren wechselten sich die Vereine als badische und süddeutsche Meister ab. Als der TSV 1957 durch den Versuch des legendären Eberhard Megerle gegen Elite Hannover zum ersten und einzigen Mal deutscher Meister wurde, feierten Handschuhsheimer und Neuenheimer gemeinsam. Weil Erwin und Kuno Birk und Heiner Baumann wenige Wochen später zum SCN wechselten, war die Aufregung um die Tiefburg erstmals groß. Trotz gründlicher Recherche ist es meinem Papagei nicht gelungen herauszufinden, ob der kühle Wein in Christof Karchs Keller im Runden Eck oder die köstlichen Leberwurst-Brote des Klubhaus-Wirts Fritz Ehhalt d. Ä. ursächlich für den Vereinswechsel der drei Nationalspieler gewesen ist. Dem SCN hat es nicht viel genützt: Das deutsche Endspiel 1958 ging gegen Victoria Linden mit 0:21 verloren.

 

Wer diesmal gewinnt, wird sich zeigen. Die beiden Klubs sind längst nicht mehr verfeindet, sondern pflegen in der Jugendarbeit eine fruchtbare Partnerschaft. Die gemeinsamen U18-Junioren wurden kürzlich deutscher Meister, die U16-Jugend deutscher Vizemeister.

 

Einer, der während seiner 17-jährigen Bundesliga-Laufbahn rund 30 Derbys bestritten und „etwa die Hälfte“ davon gewonnen hat, ist heute nicht unter den Zuschauern. Nationalspieler Alexander Hug (37), der Sportliche Leiter des TSV, weilt mit seiner Tochter am Strand von Cuxhaven. Urlaub muss auch mal sein. „Ebi“ Megerle aber wird zuschauen, 83-jährig und topfit.

 



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