Über Fußball im ZDF
Mein Papagei, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, gehört nicht zu jenen Geschöpfen, für die früher alles besser war. Er hat sich am Freitagabend neugierig auf die Couch gekuschelt, um die „Eiserne Union“ in ihrem Kampf gegen Dortmund zu beobachten. Das ZDF, eine mit satten Zuschauergebühren unterstützte öffentlich-rechtliche Anstalt, hatte sich dazu durchgerungen, ein Bundesligaspiel live zu übertragen. Das ist selten, nachdem der Volkssport Fußball mit Bezahlsendern paktiert und auf sein ganz großes Publikum des Geldes wegen verzichtet.
Mein Papagei war entzückt, dass Béla „Rauchzart“ Réthy am Mikrofon Platz nahm, er ist beim ZDF-Fußball die Nummer eins im Stall und beherrscht etwas, wofür die jüngeren Kolleginnen und Kollegen den 64-Jährigen beneiden sollten: Er weiß, dass Fernsehen nicht Radio ist und kann den Sport auch mal zwei Minuten lang schweigend genießen. Nachdem Réthy gefühlt 15-mal angemerkt hatte, dass der BVB-Torjäger Erling Haaland (20) wegen Verletzung nicht mitwurschteln könne, schwieg er eine Weile und nannte Haalands Vertreter (16) in der 56. Minute erstmals beim richtigen Namen: Ja, Youssoufa Moukoko heißt der Kleine, nicht Moukaku und auch nicht Moukaka, und er stammt auch nicht vom Titicacasee, wie mein südamerikanischer Papagei vermutet hatte, sondern aus Yaoundé. Das liegt in Kamerun.
In der zweiten Halbzeit, als der Nationalstürmer Marco Reus nach nur einem Schuss aufs Tor und wenigen Ballkontakten beleidigt vom Feld schritt, wurden auf unserem Sofa doch Erinnerungen an die Reporter früherer Jahre wach. Die mussten zwar nicht Youssoufa Moukoko sagen, waren aber trotzdem Koryphäen.
Zum Beispiel Harry Valérien († 2012 mit 88) oder Joachim Sniegocki (84), die Trainern live im ZDF auch mal kritische Fragen zu stellen wagten. Oder Hartmann von der Tann (77) aus Villingen, der außer jedem Kicker auch jedes Pferd im Lande kannte und nach Bundestagswahlen amtierende Bundeskanzler in der „Elefantenrunde“ darum bat, sich in der Öffentlichkeit anständig zu benehmen. Oder Adolf Furler († 2000 mit 67 nach einer missglückten Bandscheiben-Operation) und der Luxemburger Ernest Rodolphe Huberty (93). Huberty wurde „Mister Sportschau“ genannt und erfand, stets selig lächelnd, das „Tor des Monats“, Furler den „Traber des Jahres“; Reus hätte gute Siegchancen.
Der Regensburger „Domspatz“ Manfred Vorderwülbecke (80) genießt seinen Lebensabend in Südafrika, wo seine Tochter als Meeresbiologin wirkt, und Hans-Joachim Rauschenbach († 2010 mit 87) ist auch deshalb in Erinnerung, weil er in einer Sportschau-Moderation behauptet hatte, auf zehn schlechte Schiedsrichter käme ein guter und weil er sich auch im Eiskunstlaufen auskannte. Über die Schweizer Läuferin Karin Iten hatte er gesagt: „Wer als Zwiebel geboren ist, kann nicht wie eine Rose blühen.“
So unmöglich würde sich Béla Réthy nie äußern. Da schweigt er lieber.
Claus-Peter Bach am 21. Dezember 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung