Sonntag, 23. August 2020

Über die Absage der Rugby-Bundesliga im Herbst 2020

Weil Rugby anders ist

 

„Früher“, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, „war auch die Zukunft besser“. Das jedenfalls behauptete Karl Valentin. Da der Münchener Komiker von 1882 bis 1948 gelebt hat, machte er keine Bekanntschaft mit dem Coronavirus und konnte auch nicht in den vielstimmigen Chor der Virologen einstimmen, die seit Monaten vor den von diesem Winzling ausgehenden Gefahren warnen.

 

Bei „Hart, aber fair“, „Maischberger“, „Lanz“ (allabendlich!), „Anne Will“ und sogar in seriösen Magazinen kämpfen Wissenschaftler bis zur Erschöpfung gegen die irren Auffassungen von Corona-Skeptikern, die – vornehmlich anonym im Internet oder verhüllt bei Demos der krassen Art – glauben machen wollen, das fiese Virus sei „vom Chinesen“ gezüchtet worden, um „den Ami“ auszurotten oder in Ischgl „vom Putin“ ausgesetzt worden, um „die Merkel“ zu ärgern. Karl Valentin hätte dazu bemerkt: „Es wurde schon alles gesagt, aber noch nicht von allen.“

 

Der Sport hat auf die Bedrohungen weitgehend vernünftig reagiert: Die Fußball- und Basketball-Bundesligen wurden geisterhaft zu Ende gespielt, die Amateurkicker haben wie die Handballer, Eishockeycracks und andere Sportler ihre Saison abgebrochen. Sebastian Vettel und seine Kollegen treiben Lewis Hamilton vor sich her, ohne von ihren Fans ausgepfiffen zu werden – wo keine Zuschauer sind, können sie nicht pfeifen.

 

Seit ein paar Tagen aber ist mein Papagei doch stark beunruhigt. Zwei harte Entscheidungen sind gefallen: Die Innenminister des Bundes und der Länder waren ausnahmsweise mal einer Meinung und haben Fußball-Bundesligaspiele mit Zuschauern für diesen Herbst untersagt. Und kurz danach hat die Mehrheit der 47 Erst- und Zweitligaklubs im Rugby mehrheitlich entschieden, dass das Ansteckungsrisiko zu groß sei und deshalb 2020 keine Bundesligaspiele mehr stattfinden werden. Bei seinem Urlaubsrundflug über die deutsche Heimat hat mein Papagei die Wut der Fußballfans und die Enttäuschung der Rugbyspieler gespürt: „Da braut sich was zusammen!“

 

Siebenerrugby als Nothilfe

 

Während sich die Bosse im Fußball sorgen, wie sie die Attraktivität ihres Geschäfts erhalten und ihre teuren Teams finanzieren können, müssen sich die Klubchefs im Rugby Gedanken machen, wie sie ihre Amateurspieler ohne ernsthafte Wettkämpfe bei der Stange halten. Eine Wettkampfpause bis März 2021 – das wirft jeden Sport zurück, da brauchen wir Karl Valentin gar nicht in die Zukunft schauen lassen.

 

Man wird, hier wie da, kreativ sein müssen – und klug und vernünftig und verantwortungsbewusst. Corona-Verniedlichende dürfen insbesondere im Rugby keine Stimme haben. Denn Rugby ist anders als Fußball und jedes andere Ballspiel. Während beim Basketball, Handball und Fußball der ballführende Akteur immer versucht, den Verteidiger zu umspielen, ihn auszutricksen oder per Doppelpass zu überwinden (weshalb man von Kontaktsportarten spricht), ist es ein Merkmal des Rugbysports, dass der balltragende Angreifer absichtlich auf den Verteidiger aufläuft, um ihn zu binden und Raum für Angriffsaktionen der Mitspieler zu schaffen. Rugby ist ein Kollisionssport, wie Verbandsarzt Colin Grzanna ganz richtig sagt. Beim Rugby kämpfen Stürmer Schulter an Schulter. Ihr Schweiß vermischt sich im Gedränge. Sie atmen sich aus fünf Zentimentern Entfernung direkt an. Mundgeruch ist eklig. Das wissen auch Ringer und Judoka, die im Herbst ebenfalls keine Kämpfe austragen.

 

Wer nun meint, Freundschaftsspiele oder ein Cup-Wettbewerb der Sorglosen könnten die Bundesliga im Herbst ersetzen, hat bei all den Corona-Fernsehdiskussionen nichts verstanden. Man kann übrigens auch nicht die Bundesligen pausieren lassen und die Saison der Regional- und Verbandsligen durchführen. Nein, gerade ein Nischensport wie Rugby in Deutschland ist auf Solidarität und kluges Handeln seiner Akteure angewiesen, sonst verliert er jede Reputation. Die wurde gerade durch die Erfolge der Siebenerrugby-Nationalmannschaft mit der Vizeeuropameisterschaft 2018 und dem EM-Titelgewinn 2019 aufgebaut.

 

Die Traditionalisten des Rugbyspiels werden diese Sätze nicht gerne lesen, doch mein Papagei ist unerbittlich: „Spielt Siebenerrugby, nur in diesem Herbst, aber mit Mann und Maus. Nur so könnt Ihr fit und gesund bleiben!“

 

Siebenerrugby, seit 2016 ein olympischer Sport, wurde 1883 von Adam Haig „erfunden“, einem Zeitgenossen Karl Valentins. Auch der Metzgergeselle ahnte nicht, dass sein Spiel 2020 während der Coronavirus-Pandemie Hochkonjunktur haben sollte. Weil im schottischen Melrose am Freitagabend, nach der Auszahlung des Wochenlohns, heftig gesoffen wurde, standen tags darauf beim Rugbymatch gegen einen Nachbarort mit Adam Haig nur sieben Spieler für Melrose zur Verfügung. Die anderen hatten Kopfschmerzen und waren zuhause geblieben.

 

„Das haben sie gut gemacht“, findet mein Papagei.

 

Claus-Peter Bach am 22. August 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung


Donnerstag, 6. August 2020

Die Vereine melden nur wenige Transfers

Über die Spielerwechsel in der Rugby-Bundesliga Süd

 

Am 31. Juli um 24 Uhr war vieles klar, denn zur Geisterstunde endete die Wechselfrist in den Rugby-Bundesligen. Nachdem die Spielzeit 2019/20 aufgrund der Coronavirus-Pandemie nach dem achten Spieltag beendet werden musste und keine Meister und Absteiger ermittelt wurden, waren die Heidelberger Bundesligisten HRK, RGH, TSV Handschuhsheim und SC Neuenheim sowie der Zweitligist HTV mit Neuverpflichtungen zurückhaltend. Sie bauen auf Nachwuchskräfte aus den eigenen Talentschuppen.

 

Der TSV Handschuhsheim, deutscher Vizemeister 2019 und beim Saisonabbruch hinter Titelträger SC Frankfurt 1880 auf dem zweiten Tabellenplatz der Bundesliga Süd, hat die Mannschaftsführung in neue Hände gegeben. Sportlicher Leiter ist nun Alexander Hug, der Michael Reinhard abgelöst hat. Neue Trainer sind der Engländer Max Stelling und der Südafrikaner Jacobus Otto, der seinen Platz im Olympiakader der deutschen Siebenerrugby-Nationalmannschaft verlassen hat, um das Engagement bei den „Hendsemer Löwen“ einzugehen. Der TSV meldet mit den Nationalstürmern Antony Dickinson, Alexander Metz (beide von der RGH) und Justin Renc (von Hannover 78) drei prominente Neuzugänge. Außerdem kehrt der Stürmer Felix Krause vom schottischen Erstligisten Boroughmuir RFC in den Lions Park zurück. Aus dem starken U18-Team rücken Conor Arnold, Peer Dickhaut, Yannis Hartmann, Joshua Kühnel, Karl Römming, Julian Schenk, Marius de Giacomini und Attila Oeß in die beiden Männer-Teams auf.

 

Die Rudergesellschaft Heidelberg belegte im März den dritten Tabellenplatz und wird weiterhin von Sportchef Kai Nagel und den beiden Trainern Mustafa Güngör und Tim Kasten betreut. Die RGH hat mit Siebenerrugby-Ass Bastian Himmer, der nach zehn Jahren zu seinem Heimatverein Hannover 78 zurückkehrt, Johannes Schreieck (zu Meister Frankfurt) sowie Dickinson und Metz vier prominente Abgänge, hat sich aber fünf Verstärkungen geholt. Vom irischen Sunday Wells RFC aus Cork kommt Eoin Hurley, vom TV Pforzheim der im TB Rohrbach ausgebildete türkische Nationalspieler Ali Sürer, vom SCN die beiden Stürmer Willians Portillo (Paraguay) und Guillermo Garcia Vallina (Spanien) sowie Vincent Moser vom RC Regensburg. Paul Pfisterer kehrt vom München RFC zurück. Aus dem Juniorenteam rücken Joris Ahlborn, Dennis Fabian Bollian, Clemens Kienzler, Marc Zöller, Nick Hittel und Raffael Strauß in die beiden Männer-Teams auf.

 

Der Sportclub Neuenheim schaffte es als Aufsteiger bis zum Saisonabbruch auf den vierten Rang. Die Verantwortlichen sind weiterhin der Sportvorsitzende Axel Moser und die beiden Trainer Alexander Widiker und Clemens von Grumbkow. Neu sind der Spielausschuss-Vorsitzende Kevin Wilke, die vom RC Rottweil gekommenen Stürmer Mo’unga Taufateau aus der neuseeländischen Rugby-Hauptstadt Auckland und Markus Brausam sowie Nationalspieler Felix Lammers vom HRK. Aus dem U18-Team rücken Jakob Dipper, Maximilian Heid, Jakob Helms, Luis Herzog, Lennart Okafor, Marco Radoccia, Finn Schwager, Paul Sengewitz, Anton Troch und Christoph Weißberg in die beiden Männer-Teams auf. Portillo, Garcia Vallina (zur RGH), Kevin Landsberg (Ziel unbekannt) und Tomás van Gelderen (Karriere beendet) stehen nicht mehr zur Verfügung.

 

Beim Heidelberger Ruderklub sind neuerdings Peter Ulrik Kessel und Alexander Wiedemann neben den beiden Trainern Pieter Jordaan und Kehoma Brenner für die beiden Männer-Teams verantwortlich. Der Verein, der Außendreiviertel Felix Lammers an den SCN abgegeben hat, meldet aufgrund der Unsicherheiten in der Coronavirus-Pandemie noch keine neuen Spieler, möchte aber eine zweite Mannschaft für die Verbands- oder Regionalliga Baden-Württemberg melden.

 

Beim Heidelberger Turnverein, zu Saisonabbruch Fünfter der 2. Liga Süd, gab es einen Trainerwechsel. Anstelle von Thomas Kurzer wirken nun Nationalspieler Ben Scherrer, Jannis Kruse und der Ire Daithy Kerr gemeinsam. Spielleiter Rob Williams ist aufgrund der Pandemie in Wales gebunden, wo er seine betagte Mutter pflegt. Der HTV hat sich mit Oliver Seelinger vom TSV Handschuhsheim und mit Jules Mallet, einem jungen Studenten der Universität Nancy, verstärkt.

 

„Unser Saisonziel ist es, wieder Rugby zu spielen“, fasste Vorstandsmitglied Ralf Schindler von der RGH die Hoffnungen aller Heidelberger Rugbyspieler zusammen. Vom Deutschen Rugby-Verband (DRV) ist ein Saisonbeginn Mitte September angepeilt worden, doch Verbandsarzt Colin Grzanna (Berlin) äußerte sich in diesen Tagen zurückhaltend: „Das Risiko eines Wettkampfbetriebes wird den Nutzen der Sportausübung nicht überschreiben. Es ist derzeit sehr unwahrscheinlich, dass wir Mitte September mit einem vertretbaren Risiko unseren Sport ausüben können“, teilte der frühere Nationalmannschaftskapitän den Vereinen mit.

 

Claus-Peter Bach am 3. August 2020 in der Rhein-Neckar-Zeitung

 

Bildtext

 

Nationalspieler Alexander Metz kehrt nach einigen Jahren bei der Rudergesellschaft Heidelberg zu seinem Heimatverein TSV Handschuhsheim zurück. Foto: F&S