Handball ist anders
Obwohl es gegenwärtig ziemlich kalt ist, was der Winter in der guten alten Zeit übrigens häufiger war, habe ich meinen Papagei um einen Rundflug nach Berlin, Köln und Hamburg gebeten, um von oben herab, quasi mit unverstelltem Blick, zu überprüfen, ob es bei der Handball-Weltmeisterschaft wirklich so mitreißend zugeht, wie es die fröhlichen Reporter von ARD und ZDF immer behaupten und Tillmann, unser Mann vor Ort, hartnäckig bestätigt. Mein Papagei, liebe Leserin, lieber Leser und liebes Leserlein, hat also sein Wintergefieder aufgeplustert, ist hurtig losgeflogen und gibt folgenden Lagebericht:
Es seien vor und in den Hallen mehr Zuschauer als Polizisten, was erstaunlich sei, weil wir vom Fußball und insbesondere von den sogenannten Hochrisikospielen ganz anderes gewohnt sind. Wenn beispielsweise der Karlsruher SC gegen die Sportfreunde vom 1. FC Kaiserslautern spielt, sind 22 Spieler und ein Schiedsrichter auf dem Platz, rund 25 000 mehr oder weniger normale Menschen als Zuschauer auf den Rängen und zwei Tausendschaften Ordnungshüter im und vor dem Stadion, die den Verkehr regeln, stundenlang in die Fan-Blocks starren und nach dem Spiel eine ganze Nacht lang mit den „Ultras“ beider Klubs Fangen im Wildpark spielen. Beim Handball sind pro Spiel kaum hundert Beamte engagiert. Sie müssen auch nicht rennen und jagen, sondern stehen aufmerksam herum und gucken ab und zu mal in einen Rucksack. An den Eingängen werden die Zuschauer von Ordnern abgetastet, Männer seltsamer Weise gründlicher als Frauen, obwohl Adam schon im Paradies erfahren musste, dass vom Weibe gar manche Gefahr ausgeht.
Die Zuschauer der Handball-WM seien völlig harmlos, berichtete mein Papagei aus der deutschen Hauptstadt, wo zwar insgesamt viele Fahrzeuge mit Blaulicht unterwegs seien, in denen aber keine Handballer, sondern meistens Politiker führen, die eilig auf dem Weg zum Feierabend-Cocktail in der saudischen Botschaft sind. Dort könne man jeden Abend ein paar Waffen verscherbeln.
In der Mercedes-Benz-Arena aber wird nicht einmal Pyrotechnik gezündet – wohl weil das Handball-Publikum weiß, dass man mit Bengalischen Feuern und bunten Leuchtraketen Mitmenschen gefährdet und keine Spiele gewinnen kann. Diese unbestreitbaren Tatsachen haben sich unter Fußball-Fans noch nicht ganz herumgesprochen.
Zur Freude meines Papageis waren weder in Berlin noch in Köln Spruchbänder zu entdecken, auf denen Dietmar Hopp im Fadenkreuz abgebildet ist. Das ist insofern erstaunlich, dass die Domstadt ja nicht so sehr weit von Dortmund entfernt ist. Außerdem strebt der Kölsche Karneval seinen tollsten Tagen entgegen, an denen auch an und für sich vernünftige Menschen allerlei Unfug umtreibt. Aber nein: Hopp steht nicht im Fadenkreuz der Handball-Anhänger, vielleicht auch deshalb, weil seine Familie so viele löwenhafte Nationalspieler alimentiert, die sich in die Herzen der schwarz-rot-goldenen Fans gekämpft haben.
Am meisten hat meinen Papagei der Gesang der deutschen Spieler beeindruckt, die mit den 19 250 Fans in der Lanxess Arena einen riesigen Chor gebildet und die dritte Strophe von Hoffmann von Fallerslebens „Lied der Deutschen“ so inbrünstig in die TV-Mikrofone gesungen haben, dass man zu Hause auf der Couch ahnen konnte, welche stärkende und vom Lampenfieber befreiende Wirkung es für Leistungssportler hat, gemeinsam die Nationalhymne zu schmettern. „Das hat nichts mit Nationalismus zu tun, das ist einfach nur schön“, findet mein Papagei, der einen gewissen Heiner Brand auf der Tribüne beobachtet hat und sah, wie dem letzten Weltmeistertrainer vor Ergriffenheit der Schnorres wackelte.
Aufgespießt in der RNZ vom 26. Januar 2019
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